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Quo Vadis Energieversorgung
Ein Großteil der Unternehmen in Ostbayern sind im Moment noch von fossilen Energieträgern abhängig: Doch ob eine Photovoltaikanlage auf dem Firmendach oder eine eigene Biogasanlage – viele Betriebe haben sich auf den Weg hin zu einer energieautarken, klimaneutralen Zukunft gemacht. Die großen Hürden dabei: die Bürokratie und der schleppende Netzausbau.
Lohnt es sich, eine Biogasanlage aufzubauen? Oder sollten auf dem Platz neben dem Produktionsgebäude doch lieber weitere Photovoltaikpaneele aufgestellt werden? Christina Weiß, Geschäftsführerin der Burgis GmbH in Neumarkt, ist noch unschlüssig. Weiß leitet das Unternehmen, das Knödel für Gastronomie und Einzelhandel herstellt, gemeinsam mit ihrem Cousin Timo Burger in zweiter Generation. Die Kartoffeln für die Knödel kommen aus der Region, etwa 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen daraus Knödelteig oder fertige Knödel her. Das Unternehmen verbraucht dabei viel Energie: Die Kartoffeln müssen mit Dampf geschält, gekocht und weiterverarbeitet werden. Danach werden die Knödel oder der Teig wieder heruntergekühlt, auch das verbraucht Energie. Insgesamt hat die Burgis GmbH einen Energieverbrauch von elf Millionen Kilowattstunden pro Jahr – hauptsächlich Wärme in Form von Erdgas.
Ein Schlüsselmoment war für Christina Weiß, als die Preise für Erdgas im Frühjahr 2022 infolge des Kriegs in der Ukraine sprunghaft nach oben stiegen. „Da haben wir echt gezittert. Um bei einem Gaslieferstopp die Produktion nicht einstellen zu müssen, haben wir uns sogar einen Öltank gekauft und einen Dampfkessel so umgebaut, dass er auch mit Öl betrieben werden kann“, sagt Weiß. Für die Burgis GmbH bedeutete das damals Investitionen von knapp 200.000 Euro. Die Verfeuerung von Öl war dann glücklicherweise doch nicht nötig. Aber für Christina Weiß war jetzt klar: So abhängig wie bisher will sie nicht mehr vom zugelieferten Erdgas und dessen schwankenden Preisen sein.
Sie bestückte die letzten verbliebenen Flächen auf den Dächern des Werkgeländes mit PV-Paneelen. Die PV-Anlage hat damit jetzt eine Kapazität von 500 Kilowattpeak. An einem sonnigen Tag kann Weiß damit etwa 20 Prozent der im Unternehmen benötigten Strommenge abdecken. Im Moment überlegt sie, eine Biogasanlage neben das Werk bauen zu lassen. Im Knödel-Produktionsprozess entstehen viele Bioabfälle, diese könnten mit der Anlage in Gas umgewandelt werden. Ein Viertel des Erdgases für die Wärme könnte damit eingespart werden, das hat sich Weiß bereits ausrechnen lassen.
Optimierungen schon ausgereizt
Ansonsten gibt es nicht mehr viel Raum für Optimierungen: Die Burgis GmbH hat erst im Jahr 2018 ein neues Werk bezogen: Die Produktionsanlagen sind neu, die Wände maximal isoliert. Die Abwärme der Anlagen wird im weiteren Produktionsprozess genutzt. „Wir haben unser neues Werk schon maximal energieeffizient geplant, bei den Abläufen ist nicht mehr viel Raum für Effizienzgewinne“, sagt Weiß. Doch selbst wenn die Biogasanlage und noch mehr PV-Strom kommt – ihr Unternehmen wird auf absehbare Zeit abhängig von zugeliefertem Strom und Erdgas bleiben. Deshalb ist es ihr besonders wichtig, dass die Preise dafür nicht in die Höhe schießen. „Ich würde mir einen Spekulationsstopp bei den Preisen für Strom und Erdgas auf den internationalen Märkten wünschen“, sagt sie. Das neue Strompreispaket der Bundesregierung findet sie für ihren Betrieb absolut unpassend. „Aus Wirtschaftsminister Robert Habecks Plänen ist nicht viel übriggeblieben. Die kleineren Betriebe werden sehr gering und die 350 energieintensivsten deutschen Unternehmen werden sehr gut entlastet. Wir liegen dazwischen und profitieren kaum davon“, sagt sie. Zudem wünscht sich Weiß weniger Bürokratie. Warum zum Beispiel neben dem jährlich stattfindenden Energieaudit noch eine ISO-Zertifizierung für die Energieeffizienz des Unternehmens notwendig sein soll, versteht sie nicht.
Energiebedarf prüfen
Auch Stefan Kulzer, Geschäftsführer des Unternehmens SK Technology GmbH in Roding, verbraucht in seiner Firma viel Energie. Kulzer stellt Bauteile mit Präzisionstechnik her, etwa für den medizinischen Bereich oder die Raumfahrt. Dazu muss er Drehen, Schleifen, Fräsen oder Erodieren. Seine Maschinen müssen sehr präzise und genau arbeiten. Das bedeutet, dass die Arbeitsprozesse immer gleichbleibend kalte Temperaturen benötigen, damit sich das Material nicht verformt. Um diese Kälte herzustellen, ist viel Strom notwendig. „Wir sondieren gerade, wie wir unseren Energiebedarf in Zukunft decken werden“, sagt Kulzer, der das Unternehmen SK Technology gemeinsam mit einem Partner im Jahr 1988 gegründet hat und den Betrieb nun mit seinem Sohn Benedikt Kulzer führt.
„Im Moment haben wir viele Sensoren an unseren Maschinen und in der Gebäudeleittechnik angebracht, die messen, wo wie viel Strom anfällt“, ergänzt er. Experten des Bayernwerks werden die Daten der Sensoren Ende des Jahres auswerten. „Dann haben wir ein klares Lagebild, auf dessen Basis wir entscheiden, wie wir unsere Energieversorgung in Zukunft aufstellen“, sagt er. Eine Förderung für ein Biomassekraftwerk wurde ihm bereits bewilligt. Doch Kulzer will noch abwarten, ob das tatsächlich eine gute Lösung für sein Unternehmen ist. Auch wie Energie gespeichert werden kann und welche Möglichkeiten der intelligenten Vernetzung es in seinem Unternehmen gibt, das sind Fragen, die er mit den Energieexperten klären will, wenn alle Daten vorliegen.
Lange Genehmigungen bremsen
Generell hat Kulzer schon einiges getan, um sich auf den Weg in eine energieautarke Zukunft zu machen. An sonnigen Tagen produziert eine PV-Anlage auf dem Firmendach gekoppelt mit einem Blockheizkraftwerk (BHKW) und der Energierückgewinnung der Maschinen zwei Drittel des Strombedarfs. Im Jahresdurchschnitt sind es immerhin 50 Prozent. Und ein bisschen Potenzial gibt es noch: Der Mitarbeiterparkplatz könnte mit PV-Paneelen überbaut werden. Auch hat Kulzer bereits den Ankauf von Flächen in der Umgebung sondiert, auf denen er weitere PV-Anlagen aufbau en könnte. Seit 2016 findet ein Großteil seiner Produktion in einem energetisch optimierten Neubau statt. Doch noch ist auch er bei Strom und Wärme von der externen Zulieferung abhängig. Das Blockheizkraftwerk, mit dem er durch einen Wärmetauscher auch Kälte herstellt, läuft mit Erdgas. Deshalb ist ihm klar: Völlig allein wird sein Unternehmen die Energiewende nicht stemmen können. Er würde sich deshalb mehr Windkraftanlagen in der Nähe wünschen, damit er Ökostrom aus der Region beziehen kann. Aber da ginge es wegen der langen Genehmigungsverfahren nicht weiter, meint Kulzer.
Strombedarf steigt massiv
Es werden sehr viele neue Windkraftund PV-Anlagen nötig sein, um die Energiewende zu schaffen. „Der Bedarf an Strom wird über die nächsten zwanzig Jahre mindestens um das Zweieinhalbfache steigen“, sagt Prof. Dr.-Ing. Oliver Brückl. Brückl beschäftigt sich an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) in Regensburg mit Fragen der Stromnetzstabilität, der Netzplanung und des Netzbetriebs. Der Strombedarf steige so massiv, so Brückl, weil in Zukunft unter anderem auch Autos mit Strom fahren werden – Stichwort E-Mobilität – und Heizungen mit Strom betrieben würden – Stichwort Wärmepumpe. Deshalb gibt es bereits ehrgeizige Ausbauziele der Bundesregierung für die Sonnen- und Windenergie – die beiden Energieträger, für die in Deutschland noch am meisten Potenzial besteht. „Im Jahr 2022 wurden diese Ziele nahezu erreicht. Im Jahr 2023 zumindest bei Photovoltaik. Doch es zeichnet sich ab, dass wir in den nächsten Jahren vor allem bei der Windkraft den Zielen hinterherhinken werden“, sagt Brückl. Trotz der bereits beschleunigten Genehmigungsverfahren dauerten die Ausweisung und der Bau von Windkraftanlagen noch immer zu lange. Das Ziel immerhin ist klar, und ambitioniert: 1,8 Prozent der Fläche in Bayern soll in Zukunft für Windkraftanlagen genutzt werden. In anderen Bundesländern, die oft beim Ausbau schon weiter sind als Bayern, sind es teilweise 2,2 Prozent.
Flaschenhals Stromnetze
Ein weiterer Hemmschuh für den Ausbau der regenerativen Energien ist laut Brückl der schleppende Ausbau der Stromnetze. Eine Verdoppelung der bisherigen Kapazitäten sei notwendig, um die gewaltigen Mengen an regenerativ erzeugtem Strom an die Nutzer zu bringen. Für den Netzausbau sind in Deutschland etwa 880 verschiedene Netzbetreiber zuständig. Wie weit sind diese beim Netzausbau? „Das unterscheidet sich von Netzbetreiber zu Netzbetreiber stark“, sagt Brückl. „Oft behindern althergebrachte Strukturen, mangelndes Wissen und die fehlende Digitalisierung bei den Netzbetreibern eine schnelle Modernisierung und den Ausbau der Netze.“ Auch Lieferprobleme bei notwendigem Equipment bremsen den Ausbau, so Brückl. So müsse man auf einen bestellten Trafo, der Spannung von Hochauf Mittelspannung umstellen kann, etwa zwei Jahre lang warten.
Die Maschinenfabrik Reinhausen GmbH nimmt bei der Übertragung und Verteilung elektrischer Energie eine wichtige Rolle ein: Etwa die Hälfte des weltweit erzeugten Stroms wird mit Produkten des Unternehmens geregelt.
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Der Ausbau der Netze ist teuer. Durch die Netzentgelte macht sich das auch bei den Kunden bemerkbar – in Form von hohen Strompreisen. „Die hohen Energiepreise sind für viele Unternehmen in der Region ein großes Ärgernis“, sagt Richard Röck, Bereichsleiter für Energie, Innovation, Umwelt und Industrie bei der IHK in Regensburg. Die teuren Preise für Strom und Gas seien auch ein Grund, warum Investitionen in Energieeffizienz und klimafreundliche Energieversorgung ausblieben, so Röck. Viele Unternehmen hätten dafür schlicht keinen finanziellen Spielraum. Einige Unternehmen überlegten bereits, wegen der hohen Preise mit ihrer Produktion ins Ausland abzuwandern, etwa nach Ungarn oder andere osteuropäische Länder, so Röck. Eigentlich sollten die Preisbremsen für Strom und Wärme, die die Bundesregierung beschlossen hat, auch den Unternehmen helfen. Aber laut Röck beantragten die wenigsten Unternehmen diese Preisbremsen – zu aufwendig und bürokratisch ist der Antragsprozess.
Der aktuelle Beschluss der Bundesregierung zur Entlastung des produzierenden Gewerbes durch das Strompreispaket sei ein Schritt in die richtige Richtung, reiche aber nicht aus, sagt Röck. Zum einen seien die Entlastungen zu gering und viel wichtiger: Nicht nur die Industrie leide unter den hohen Energiepreisen, sondern Unternehmen aus Dienstleistungen, Handel, Hotellerie und Gastgewerbe seien ebenfalls betroffen. „Die wirkungsvollste Möglichkeit, die Preise nachhaltig zu senken, besteht doch darin, das Stromangebot massiv auszuweiten“, so Röck. Ein weiteres Ärgernis für die Unternehmen: Die Uneinigkeit der Politik über den Kurs bei der Energiewende. „Weil immer noch nicht klar ist, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen soll, machen einige Unternehmen erst einmal gar nichts mehr“, beschreibt Röck die Stimmung zahlreicher Firmen. "Viele Betriebe sind schlicht entnervt vom Hin und Her auf politischer Ebene."
Energiewende nimmt Fahrt auf
Zurück zu den Stromnetzen: Ein Unternehmen aus der Region, das enorm von deren Ausbau profitiert, ist die Maschinenfabrik Reinhausen GmbH in Regensburg. Etwa die Hälfte seines Umsatzes macht das Unternehmen, das in Regensburg etwa 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, mit dem Verkauf von Laststufenschaltern. Diese Schalter spielen eine wichtige Rolle bei der Energiewende. Eingebaut in Transformatoren, den zentralen Knotenpunkten innerhalb der Stromnetze, regeln sie die Spannung im Netz. Besonders bei schwankenden Strommengen infolge von mehr Solar- und Windstrom sind die Schalter für die Stabilität der Stromnetze wichtig.
Die Laststufenschalter der Maschinenfabrik Reinhausen sind also im Moment extrem begehrt – nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. „Viele Länder gehen die Energiewende nun dynamisch an und modernisieren dafür ihre Stromnetze. Etwa die Hälfte aller Laststufenschalter weltweit kommt von der Maschinenfabrik Reinhausen“, sagt Dr. Manuel Sojer, Leiter Konzernentwicklung bei der Maschinenfabrik Reinhausen. Mehr als 90 Prozent ihrer Produkte – neben den Laststufenschaltern sind das zum Beispiel Sensoren und digitale Lösungen für Transformatoren – verkauft die Maschinenfabrik Reinhausen ins Ausland. Da die Nachfrage massiv steigt, wächst auch das Unternehmen. Die Mitarbeiterzahl ist in den vergangenen Jahren auf 3.800 Beschäftigte weltweit gestiegen.
Zukunft Wasserstoff?
Doch was ist eigentlich mit dem Thema Wasserstoff? Von Wasserstoff versprachen sich manche – etwa der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger – viel. Können mit Wasserstoff bald Bürogebäude und Werkhallen beheizt werden? Oder liefert Wasserstoff in Kürze die Wärme für Produktionsprozesse? „Nein. Wasserstoff ist als Wärmeträger nur unter ganz speziellen Voraussetzungen interessant“, sagt Prof. Dr. Otto Kreutzer, der am neuen Technologietransferzentrum (TTZ) Wörth-Wiesent zur Produktion von Wasserstoff forscht. „Um auf breiter Basis als Wärmelieferant für Privatverbraucher oder Unternehmen zu dienen, ist Wasserstoff schlicht zu teuer“, erklärt er. Im Vergleich zu Erdgas sei Wasserstoff – der schließlich erst mithilfe von Strom von einem Elektrolyseur hergestellt werden muss – fünfmal so teuer. Deshalb sei der Einsatz von Wasserstoff als Heizkraftstoff nur an Orten sinnvoll, wo der Strom für dessen Produktion aus großen Windparks erfolgen könne. Windparks deshalb, weil der Wind im Winter, wenn viel Wärme gebraucht wird, öfter weht.
Die direkte Wärme aus der Verbrennung von Wasserstoff sei aber weniger für das Heizen von Gebäuden interessant als für den Betrieb von Stahlöfen, Bäckereibetrieben oder Ziegeleien, so Kreutzer. Lediglich die Abwärme eines solchen Elektrolyseurs könne zum Erwärmen von Gebäuden genutzt werden – allerdings auch nur, wenn diese nah am Elektrolyseur stehen und mit Fußbodenheizung geheizt würde. Denn das etwa 40 Grad warme Wasser würde sonst auf dem Weg abkühlen. Und Heizkörper brauchen anders als Fußbodenheizungen noch heißeres Wasser für ihren Betrieb. Wasserstoff als Heizstoff für Gebäude? Ist also kompliziert und nur in wenigen Fällen wirklich praktikabel. In einem Häuserkomplex in der Regensburger Margaretenau machen sie es aber schon so. Ein Positivbeispiel, so Kreutzer.
Für andere Bereiche sieht Kreutzer eher Potenzial: „Überall dort, wo sehr hohe Temperaturen für die Produktion benötigt werden, wie etwa beim Brennen von Ziegeln oder in der Stahlproduktion, kann Wasserstoff Sinn machen. Oder als Antrieb für Flugzeuge und Containerschiffe“, sagt er. Für die Wärmeversorgung mache dagegen in den allermeisten Fällen eine Wärmepumpe, eine Hackschnitzelheizung oder Biogasanlage mehr Sinn, so Kreutzer. Ein einziger Energieträger als Wunderwaffe der Energiewende? Leider wird das nicht funktionieren. Stattdessen ist die Lösung wohl kleinteilig und komplex.
Am neuen Technologiecampus „Wasserstoff-Cluster Donau“ im Gewerbepark Wörth-Wiesent wurden die Forschungsarbeiten aufgenommen – im Bild der Einsatz einer Wasserstoffflamme.
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Autorin: Dr. Julia Egleder