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Marathon mit unklarer Streckenführung
Die kommunalen Energieversorger in Kelheim und Regensburg haben sich auf dem Weg hin zur Energiewende gemacht. Das Ziel: Klimaneutralität bis 2040. Wie sie dieses Ziel aber erreichen sollen, das ist noch ungewiss.
Sabine Melbig ist eine Frau, die Optimismus und Tatkraft ausstrahlt. Am Willen, gleich mit der Energiewende loszulegen, fehlt es der Geschäftsführerin der Stadtwerke Kelheim gewiss nicht. Allein: Es sind noch so viele Fragen offen. Mit welchen Energieträgern soll die Energiewende gelingen? Welche kann sie hier in Kelheim selbst herstellen? Was wird mit wie viel Geld von der Bundesregierung gefördert? „Ich fühle mich in einem unguten Schwebezustand“, sagt Melbig. Denn eins ist klar: Es sind millionenschwere Investitionen, die zu treffen sind. Und: Auf das „falsche Pferd“ zu setzen – das könnte teuer werden.
Melbig steht vor schwierigen Fragen, etwa beim Neubaugebiet Hohenpfahl. Soll eine große Wärmepumpe die Wärmeversorgung übernehmen? Wo soll der grüne Strom für deren Betrieb herkommen? Zwar wurden im Raum Kelheim in den vergangenen Jahren von privaten Betreibern große PV-Parks gebaut. Aber zu Spitzenzeiten, wenn es besonders sonnig ist, müssen diese teilweise abgeriegelt werden, weil die Stromnetze den Sonnenstrom nicht mehr aufnehmen können. Ein abgestimmter, zeitgleicher Ausbau der Netze mit den PV-Parks? Oder einen Mechanismus, den überzähligen Strom für später zu speichern? Alles große Herausforderungen. Hackschnitzel, also Holz, wäre auch eine Lösung für das Neubaugebiet. Aber deren Preis ist in den vergangenen Jahren wegen der großen Nachfrage gestiegen. Außerdem entsteht bei der Verbrennung von Hackschnitzeln Feinstaub – das sehen manche kritisch. Verschiedene Ansatzpunkte, alle haben ihr Für und Wider. „Ich würde mir ein abgestimmtes Konzept von der Bundes- und Landesregierung wünschen, das alle Akteure miteinbezieht und an dem wir uns hier vor Ort orientieren können“, sagt Melbig.
Windräder vs. Hubschrauber
Da ist nicht nur die Anbindung des neuen Wohngebiets mit Wärme, auch andere Themen treiben Melbig gerade um. Zusammen mit der Stadt Kelheim möchten die Stadtwerke gern sechs Windräder im Kelheimer Forst aufstellen. Da ist Platz, da wäre es windig. Die Windkraftanlage würde 90 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr produzieren. Das ist viel, damit könnten alle Haushalte in Kelheim versorgt werden. Aber: Die Bundeswehr verweigert bisher die Genehmigung. Im betroffenen Gelände gelten bestimmte Vorgaben bezüglich Radaranlagen und es sind dort Hubschrauber-Tiefflugzonen festgelegt. Auch hier wieder: Melbig würde sich ein abgestimmtes Vorgehen wünschen.
Doch Melbig will nicht nur Negatives berichten. Kelheim hat ein Biomasseheizkraftwerk mit einer Kapazität von 15 Millionen Kilowattstunden, das neben Wärme auch Strom produziert. Damit versorgen die Stadtwerke bereits 82 Kunden – meist Firmen aus der Region. Außerdem rüsten die Stadtwerke Kelheim ihr Gasnetz gerade so um, dass auch Wasserstoff durchfließen könnte – falls diese Option in Zukunft einmal relevant werden würde. Viele kleine Ansatzpunkte, immerhin.
Modernisierung der Stromnetze
Einen Marathon, bei dem man gerade erst losgelaufen sei, so bezeichnet Dr. Robert Greb, Vorstandsvorsitzender der Regensburger Energie- und Wasserversorgung AG & Co KG (REWAG), die Situation. „Die REWAG fokussiert sich im Moment vor allem auf die Modernisierung und den Ausbau des Stromnetzes. Im Netzgebiet wollen viele Hauseigentümer PV-Anlagen anschließen und Wallboxen zum Aufladen ihrer E-Autos anbringen. Unter anderem dafür werden leistungsfähigere Netze gebraucht. Nur dann gelingt die Energiewende“, sagt Dr. Robert Greb. Vor kurzem erst wurde ein Umspannwerk in Wutzlhofen, über das der Norden Regensburgs mit Strom versorgt wird, nach einer umfassenden Modernisierung wieder in Betrieb genommen.
Doch woher kommt der Strom, den die REWAG an Privatkunden und Unternehmen liefert, überhaupt? „Wir betreiben große Windparks in Nordbayern. Etwa 40 Prozent des Strombedarfs unserer Privat- und Gewerbekunden kommen von dort“, sagt Greb. Generell liefere die REWAG ihren Privatund Gewerbekunden 100 Prozent Ökostrom, dieser kommt unter anderem auch vom Wasserkraftwerk am Wehr in Regensburg.
Alternativen zum Erdgas
Doch welche Pläne gibt es für die Wärmewende in Regensburg? Im Moment beziehen 80 Prozent aller Regensburger ihre Wärme noch aus Erdgas. Doch bis zum Jahr 2026 muss die Stadt laut dem neuem Heizungsgesetz der Bundesregierung einen Plan für die Wärmeversorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger vorlegen. Das Ziel: möglichst Alternativen zum Erdgas zu bieten. Dabei ist die Situation in Regensburg, wie in vielen anderen Kommunen, nicht leicht, sagt Greb. „Hier gibt es keine große Müllverbrennungsanlage oder andere leistungsstarke Wärmequellen, mithilfe derer große Teile des Stadtgebiets mit Fernwärme versorgt werden könnten.“ In kleineren Arealen, wie Neubaugebieten, konnten bereits und können auch weiterhin eigene Wärmenetze gebaut und auch künftig geplant werden.
Was ist mit Geothermie? Diese biete sich in Regensburg aus geologischen Gründen nur teilweise, mit einer oberflächennahen Geothermie an, so Greb. Was ist also die Lösung? „Die Wärmeversorgung wird wohl kleinteilig ausfallen – passgenau zu den Gegebenheiten im jeweiligen Stadtviertel“, sagt Greb. In der Regensburger Altstadt ist die Situation besonders schwierig. Dort wird es wohl vorerst bei der Versorgung mit Gas bleiben, schätzt Greb die Situation ein. Aber man sei ja gerade erst losgelaufen, beim Marathon namens Energiewende. Auf dem Weg über die 42 Kilometer könnten sich noch viele interessante Wegstrecken bieten.
Autorin: Julia Egleder