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Feuer und Flamme für die Ausbildung
Er fertigt riesige Bauteile aus Eisen, sie arbeitet an den Medikamenten von morgen. Eines haben sie gemeinsam: Gießereimechaniker Paul Dams und Pharmakantin Milena Schick sind die Besten ihres Faches. So wie insgesamt sieben junge Menschen aus der Oberpfalz und dem Landkreis Kelheim, die ihre berufliche Ausbildung 2023 als deutschlandweit Beste abgeschlossen haben.
Es riecht nach Lack. Am Boden sammelt sich feiner Staub. Im Winter ist es trotz der Heizstrahler oft frisch in der offenen Halle, im Sommer wird auch bei über 30 Grad glühendes Eisen gegossen. Hier, bei der Carolinenhütte in Kallmünz, hat Paul Dams seinen Traumberuf gefunden: Gießereimechaniker mit Fachrichtung Handformguss.
In diesem Job kommt es auf Präzision an. Dams fertigt Formen, die später mit flüssigem Eisen gefüllt werden. Nur wenn er alles millimetergenau vorbereitet, gelingt das Gussstück perfekt. Nach drei Jahren ist der 22-Jährige geübt. Simple Formen schafft er in einer Stunde, komplexe Teile dauern auch mal einen halben Tag oder länger. „Es braucht Zeit, um ein Grundverständnis für die Formen zu entwickeln. Am Anfang der Ausbildung war jede neue Form eine große Herausforderung“, erinnert sich Dams, der seine Ausbildung als Jahrgangsbester in ganz Deutschland abgeschlossen hat. „Heute habe ich in der Regel schon ein Gefühl dafür, wie eine Form zusammengesetzt werden muss, wenn ich sie zum ersten Mal sehe.“
Dass Dams großes Talent für den Beruf mitbringt, haben seine Kollegen und auch Maximilian Höllein, Geschäftsführer der Carolinenhütte, früh festgestellt. „Paul hat uns schnell davon überzeugt, dass er gut ist. Schon die erste Form, die er in der Ausbildung allein zusammengebaut hat, war komplex. Nicht jeder Azubi fängt direkt auf diesem Niveau an“, betont Höllein. „Am Ende der Ausbildung war Paul schon so weit wie manch ehemalige Azubis zwei Jahre nach der Ausbildung noch nicht.“
Glückliche Fügung
Dabei war Dams Berufswahl nicht von langer Hand geplant. Im Gegenteil. Im Sommer 2020, mitten in der Corona- Pandemie, hat der heute 22-Jährige seinen Abschluss an der FOS gemacht. „Ich wusste, dass ich etwas Handwerkliches machen und keinen Standard-Beruf wie Elektriker oder Schlosser lernen möchte“, erzählt Dams. Weil er etwas knapp dran war, entschied er sich für einen Berufsorientierungs- Test bei der Arbeitsagentur. Dort wurden seine Interessen abgefragt, um passende Ausbildungsberufe mit freien Stellen in der Region zu finden. Die Top-Empfehlung mit der höchsten Übereinstimmung: eine Ausbildung zum Gießereimechaniker in der Carolinenhütte. Eine glückliche Fügung: für Paul Dams – und für seinen Ausbildungsbetrieb.
„Am allerbesten gefällt mir, dass der Job sehr abwechslungsreich ist und dass ich jeden Tag, wenn die Formen fertig gegossen wurden, das Ergebnis meiner Arbeit vom Vortrag sehen kann“, sagt der 22-Jährige. In der Carolinenhütte werden seit dem 17. Jahrhundert Einzelstücke und Kleinserien aus Eisen gegossen. „Manche Formen mache ich recht häufig und inzwischen sehr routiniert. Aber auch bei neuen und unbekannten Teilen können wir Former viel dazu beitragen, dass kein Ausschuss produziert wird.“
„Für mich ist das ein riesiges Kompliment und eine große Chance.”Paul Dams
An jedem zweiten Arbeitstag wird in der Carolinenhütte gegossen. Mindestens 23 Tonnen Eisen werden dann verarbeitet. Es erfordert viel Planung, die Kapazitäten bestmöglich auszuschöpfen. Die übernimmt seit einigen Wochen Paul Dams. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, für die es Fingerspitzengefühl und ein gutes Standing im Team braucht. Sein Chef, Maximilian Höllein, sagt: „Man kann Paul vertrauen und ihm Dinge zutrauen. Von der Hierarchie her hätten andere im Team das Vorrecht gehabt, aber die Kollegen haben gesagt: Das ist genau die richtige Aufgabe für Paul!“ Dams freut das sichtlich. „Für mich ist das ein riesiges Kompliment und eine große Chance“, betont er. Er verbringt seine Arbeitszeit nun nur noch zur Hälfte in der Formerei. In der restlichen Zeit plant er, wie viele Teile an einem Tag produziert werden können, welche Formen wann frei sind, welche Teile wie lange auskühlen müssen, was das Team realistisch schaffen kann.
Dams liebt seinen Beruf. Wenn man ihn fragt, wo er sich in 20 Jahren sieht, dann kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: bei der Carolinenhütte. Zum Meister möchte er sich weiterbilden, um seine Qualifikationen zu erweitern. Aber das hat Zeit. Gerade kniet er sich erstmal voll in die neue Aufgabe rein. „Rückblickend war es Zufall, dass ich diese Ausbildung gemacht habe. Heute könnte ich mir nichts Besseres vorstellen.“
Vom Praktikum zur Ausbildung
Auch Milena Schick ist Beste ihres Faches. Die heute 19-Jährige hat eine Ausbildung zur Pharmakantin bei Bionorica in Neumarkt absolviert. Dass sie diesen Beruf erlernen will, wusste sie bereits früh. „Ich war schon immer naturwissenschaftlich interessiert“, erzählt sie. In der siebten Klasse hatte sie zum ersten Mal vom Beruf Pharmakantin gehört, in der achten Klasse folgte ein Schülerpraktikum bei Bionorica. „Eine Woche lang durfte ich in allen Bereichen mal mitlaufen. Natürlich war es am Anfang viel Neues und überrumpelnd, aber ich habe mich auch direkt wohlgefühlt und gemerkt: Technik, Chemie, Physik, Pharmazie – der Beruf deckt alle Bereiche ab, die mich interessieren.“
Kaum verwunderlich also, dass Schick vor der Ausbildung nur eine Bewerbung geschrieben hat: „Ich war mir sicher: Dieser Beruf ist es und kein anderer. Ich will Pharmakantin werden!“ Natürlich habe es Zweifel gegeben. Vor allem über die Arbeit im Hygienebereich, für den es strikte Kleidungs- und Hygienevorschriften gibt, habe sie als Teenagerin nachgedacht. „Wenn man mit 14 hört, dass man in dem Beruf nie Nagellack tragen darf, dass man sich nicht schminken darf und sich vor jeder Schicht und in jeder Pause umziehen muss, überlegt man sich schon, ob man das auf Dauer möchte“, erinnert sich Schick. Heute schmunzelt sie darüber.
Nach drei Jahren im Unternehmen ist Schick das tägliche Umschleusen längst in Fleisch und Blut übergegangen: Schuhe wechseln, Haarnetz aufsetzen, in den Kittel schlüpfen, Hände waschen und anschließend desinfizieren. Schon ist sie bereit für ihre Schicht. Während die meisten Pharmakanten bei Bionorica nach der Ausbildung in die Produktion gehen, hat die 19-Jährige sich für die Entwicklungsabteilung entschieden. „Wir arbeiten an neuen Produkten und entwickeln bestehende Produkte weiter. Ich darf viel ausprobieren. Und ich mag es, Lösungen für Probleme zu finden.“
Begeisterung für Naturwissenschaft
Ihrem Ausbildungsleiter Thomas Stiegler, der beim Arzneimittel-Hersteller Bionorica rund 30 Azubis betreut und dort selbst einmal den Beruf Pharmakant erlernt hatte, ist Schick schon beim Vorstellungsgespräch positiv aufgefallen. „Der Beruf Pharmakant ist für angehende Azubis oft noch sehr abstrakt. Bei Milena haben wir bereits im Gespräch gemerkt, dass sie sich mit der Ausbildung intensiv beschäftigt hat und wusste, was auf sie zukommt.“ Auch während der Ausbildung sei sie durch ihr großes Interesse aufgefallen. „Sie war sehr wissbegierig und selbstbewusster als andere in ihrem Alter.“
Heute entwickelt Schick die Medikamente von morgen mit. Als Pharmakantin in der Entwicklung führt sie Versuche durch und untersucht Produktproben. Sie kalibriert Waagen und Messgeräte und bedient sowohl Anlagen als auch verschiedenste technische Geräte. In Meetings bespricht sie Projekte. Und auch die Dokumentation gehört zu ihren Aufgaben. Da bei Bionorica ausschließlich pflanzliche Arzneimittel hergestellt werden, kommt die 19-Jährige bei der Extrakt-Entwicklung oft mit neuen Pflanzen in Berührung. „Ich finde es cool, dass man bei uns mit Produkten arbeitet, die man auch aus dem Alltag kennt. Momentan arbeite ich recht viel mit Thymian. Der Extrakt ist kräftig dunkelgrün und riecht auch sehr gut.“ Anders sehe es da bei Hopfen oder Baldrian aus. „Wenn jemand im Team damit arbeitet, würde ich mich manchmal am liebsten ins Büro verkriechen“, verrät Schick und lacht.
Milena Schick hat ihren Traumberuf gefunden. „Hier möchte ich erstmal bleiben und Berufserfahrung sammeln“, sagt sie. Zukunftspläne hat Schick im Hinterkopf. Umsetzen wird sie diese wohl erst in ein paar Jahren. „Irgendwann möchte ich mich weiterbilden, aber noch habe ich keinen konkreten Plan. Ich arbeite in einem tollen Team und fühle mich sehr wohl. Daher möchte ich jetzt erstmal im Arbeitsleben ankommen.“
Autorin: Antonia Küpferling