Region - Ausgabe September 2024

Sagenhafte Entwicklung

In Furth im Wald tut sich was. Verlässt man den höher gelegenen, idyllischen Stadtplatz, findet man sich schnell an zahlreichen Baustellen wieder. Bereits seit Ende 2023 wird gebaggert, gebohrt, abgerissen, renoviert und gebaut, um die Landesgartenschau vom 22. Mai bis 5. Oktober 2025 zu realisieren. Schon jetzt kann man erahnen, welche tiefgreifenden Veränderungen das Großereignis mit sich bringt – nicht nur baulich, sondern auch mit Blick auf das Image der Stadt. Bürgermeister Sandro Bauer zeigt sich sicher: „Mit der Landesgartenschau trauen wir uns was. Unsere Stadt wird eine herzliche Gastgeberin sein und ein einmaliges Sommerfest ausrichten, auf das wir alle stolz sein werden und auf das ganz Bayern blicken wird.“
Einen Schub nach vorne kann die Stadt gut gebrauchen. Auf die Euphorie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1990 folgte bald Ernüchterung. Industrie- und Zulieferbetriebe, Transport- und Speditionsgewerbe sowie die französische Garnison verschwanden und mit ihnen viele Arbeitsplätze. Bei Post, Bahn, Zoll und Polizei fanden ebenfalls Umstrukturierungen statt. Die Einzelhandelsumsätze sanken immer weiter. Die Folgen, von denen sich das einst florierende Städtchen bis heute nicht richtig erholt hat, sind deutlich sichtbar, beispielsweise durch viele Leerstände.

Viel Potenzial vorhanden

Dennoch zeigt die 9.000-Einwohner- Stadt, dass es auch anders geht und wie viel Potenzial in ihr steckt. Mit rund 300.000 Tagesgästen im Jahr ist Furth im Wald im Landkreis Cham führend. Allein der Further Drachenstich, das älteste Volksschauspiel Deutschlands, zieht jeden Sommer rund 40.000 Besucher an. Star des Spektakels ist der Drache „Tradinno“, der größte vierbeinige Schreitroboter der Welt. Auch das Mittelalterfest Cave Gladium, der Drachensee oder private Initiativen wie die Erlebniswelt Flederwisch sind verlässliche Touristenmagneten. Ansonsten ist es still geworden in der bayerisch-tschechischen Grenzstadt. Mit der Landesgartenschau soll sich das ändern.
„Es war klar, dass Furth im Wald seine Probleme aus eigener Kraft leider nicht mehr lösen kann“, erzählt Sandro Bauer. Die Stadt solle sich um eine Landesgartenschau bewerben, wurde bereits 2015 im Gutachten des Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) empfohlen. „Es war unsere Eintrittskarte in die Städtebauförderung, von der wir seitdem profitieren“, so Bauer. 2018 war es dann so weit: Der Fachbeirat, der über die Vergabe entschied, begutachtete den Standort – nachdem ein Hagelsturm wenige Tage zuvor den herausgeputzten Ort verwüstet hatte. Die Verantwortlichen der Stadt sahen ihre Felle bereits davonschwimmen, doch der Zuschlag kam ein paar Wochen später. Der Grund: Sehr eindrucksvoll habe Furth im Wald ein städtebauliches und landschaftsplanerisches Gesamtkonzept entwickelt, das einen nachhaltigen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten wird – so der damalige bayerische Staatsminister Dr. Marcel Huber in seinem Schreiben.

Aufbruchstimmung spürbar

Rund 29 Millionen Euro kostet das gesamte Projekt – davon entfallen etwa 22 Millionen auf bauliche Maßnahmen, rund sieben Millionen sind für die Durchführung eingeplant. Üppige Zuschüsse aus verschiedenen Töpfen der Europäischen Union, des Bundes und des Freistaats Bayern machen es möglich, dass die Stadt nur einen vergleichsweise geringen Anteil von sieben bis acht Millionen aus eigener Tasche stemmen muss. Sandro Bauer betont: „Wir haben alte Schulden in den letzten Jahren abgebaut. Jetzt können und müssen wir wieder investieren und sanieren. Dafür ist die Gartenschau ideal!“
„Inzwischen macht sich eine deutliche Aufbruchsstimmung breit. Die Menschen sehen, dass sich etwas bewegt.“

Pressesprecherin Heidi Wolf

Um die Landesgartenschau zu organisieren und den Bau der dauerhaften Grünflächen und Freianlagen umzusetzen, wurde die Furth im Wald 2025 gGmbH gegründet. Den Wettbewerb der Landschaftsarchitekten gewann das Berliner Büro Planorama. Unter dem Motto „Sagenhaft viel erleben“ erhält der Ort nun Stück für Stück ein neues Gesicht, auch wenn dafür im Vorfeld einiges an Überzeugungsarbeit bei der Bevölkerung geleistet werden musste. „Inzwischen macht sich eine deutliche Aufbruchsstimmung breit. Die Menschen sehen, dass sich etwas bewegt“, sagt Pressesprecherin Heidi Wolf. Zahlreiche regionale Firmen seien bei den Baumaßnahmen involviert. „Eine Gartenschau ist immer auch ein Wirtschaftsfaktor, zum Beispiel als Mittelstandsförderung, da die meisten Aufträge im Umkreis vergeben werden“, betont Wolf. Unternehmen bietet das Projekt zudem viele Möglichkeiten, sich den Gästen beiderseits der Grenze zu präsentieren – an rund 80 Ausstellungspunkten, beim Bildungsprojekt „Schule im Grünen“ oder im Rahmen von mehr als 3.000 Veranstaltungen.

Leitmotiv Wasser

Auf 104.000 Quadratmetern Fläche erstrecken sich die einzelnen Stationen der Landesgartenschau, die sich von Nord nach Süd durch die ganze Stadt schlängeln werden. Von den Flüssen Chamb flankiert und der Kalten Pastritz durchwunden, ist Wasser neben dem sagenumwobenen Drachen das Leitthema, das sicht- und erlebbar werden soll. „Die Kalte Pastritz, ein stark verbauter, teils in den Untergrund verbannter Bach, wird freigelegt und renaturiert“, zeigt Ulrich Dölker, Projektleiter Bau. Die Umwandlung der Regner-Insel in eine öffentliche Grünanlage und die Weiterentwicklung der Chamb-Auen in ökologischen Lebensraum sollen die Stadt ebenso nachhaltig aufwerten. Zwölf Brücken werden neu gebaut. Am anspruchsvollsten sei ein Brücken-Ring als Ausgangspunkt des Drachenstegs, einer knapp 600 Meter langen Steganlage mit modernem Lamellengeländer, welche die Inseln zwischen Chamb, Mühlbach und Kalter Pastritz erschließe.

Aus Alt mach Neu

In der Innenstadt wurden zwei ehemalige Brauereigebäude abgerissen. Die jahrelangen Brachen sind Grundlage für einen umfassenden Stadtumbau. Die Lorenz- Zierl-Straße wird zur Flaniermeile mit breiten Gehwegen unter Bäumen – direkt entlang der renaturierten Kalten Pastritz. Von der Neugestaltung erhofft sich die Stadt ein Ende des anhaltenden Leerstandes in der ehemaligen Durchgangsstraße. Darüber hinaus sind Modellflächen für klimafeste Bepflanzungen geplant, die später für moderne Wohnbebauung genutzt werden sollen. Anstelle der veralteten Further Festhalle entsteht eine Parkarena für rund 450 Personen. „Die innovative Dachkonstruktion aus Holz besteht aus sechseckigen Waben, die zu einem Gewölbe zusammengesetzt werden“, erklärt Dölker. Das digitale Holzbau- Projekt übernahm die Hochschule Augsburg. Die Arena soll sowohl für Drachenvorführungen als auch für Kulturveranstaltungen während der Landesgartenschau und danach genutzt werden.
„Die große Herausforderung ist, dass Planung und Umsetzung gleichzeitig erfolgen müssen – und bestenfalls alles rechtzeitig zur Eröffnung fertig ist“, schmunzelt Dölker. Mit einer Blümchenschau haben solche Projekte schon lange nichts mehr zu tun. „Landesgartenschauen bedeuten in erster Linie nachhaltige Stadtentwicklung. Sie stärken Wirtschaft sowie Tourismus und steigern den Bekanntheitsgrad als Arbeits- und Wohnort“, unterstreicht Robert Sitzmann, Geschäftsführer der Furth im Wald 2025 gGmbH, mit Blick auf ehemalige erfolgreiche Gastgeber wie Tirschenreuth in der Nordoberpfalz. Dort hat die Gartenschau 2013 eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Initialzündung mit sich gebracht, mit der auch Bürgermeister Sandro Bauer rechnet: „Die Landesgartenschau ist viel mehr als ein Fest für Monate: Sie ist eine Investition für Generationen.“

Autorin: Ramona Bayreuther