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Kooperation statt Konkurrenz
Die Unternehmen im Gewerbepark Erbendorf im Landkreis Tirschenreuth vermarkten sich nicht nur über eine eigene Website und gemeinsame Aktionen, sondern ziehen auch bei der Fachkräftesuche an einem Strang. Ein Beispiel mit Vorbildcharakter.
Nach Feierabend geht es im Gewerbepark Erbendorf noch hoch her. Zehn Firmenvertreterinnen und -vertreter sind in ungezwungenem Rahmen zusammengekommen, um das nächste gemeinsame Projekt voranzubringen: Den Tag der offenen Betriebe im Mai 2024. Bereits in den Jahren 2017 und 2019 war die Aktion, bei der Tausende Besucherinnen und Besucher einen Blick hinter die Kulissen der Firmen werfen konnten, ein voller Erfolg. Zum 25-jährigen Bestehen des Gewerbeparks wollen die Unternehmen nun wieder ihre Werktore öffnen.
Das große Ziel haben sie dabei immer fest vor Augen: „Wir wollen den Gewerbepark als Marke etablieren und so langfristig Vorteile für alle ansässigen Firmen schaffen“, sagt Roland Wellenhöfer. Der Vertriebsmitarbeiter bei Faltenbacher Jalousienbau – mit rund 140 Beschäftigten eine der größeren Firmen vor Ort – engagiert sich federführend bei den gemeinsamen Aktionen rund um den Gewerbepark. Voraussetzung dafür sei das besondere Netzwerk unter den Betrieben: „Hier kennen sich alle Unternehmen, egal welche Größe oder Branche.“
Netzwerk musste wachsen
Das war nicht immer so, erinnert sich Wellenhöfer gemeinsam mit Alfons Meierhöfer, Geschäftsführer der AM Maschinenbau GmbH & Co. KG und Marco Vollath, der die Marketingagentur advance.media leitet. 1999 markierte den Grundstein des Gewerbeparks Erbendorf, als der vorherige Bürgermeister Hans Donko das Gewerbegebiet am verkehrsgünstigen Kreuzungspunkt der beiden Bundesstraßen B 22 und B 299 ins Rollen brachte. Er animierte Jungunternehmen zur Gründung und überzeugte mit Bernhard Lochner einen der ersten zur Ansiedlung seines Stahlbetriebs. Schnell kamen weitere Betriebe im damaligen Gewerbegebiet Schleifmühl dazu. Über die Jahre wurde eine moderne Infrastruktur mit Straßen, Gehwegen, Wasserund Abwasserentsorgung sowie Strom und Kommunikationsleitungen geschaffen.
„In den Anfangsjahren gab es noch gute Kontakte zwischen den Betrieben, die irgendwann aufgrund des Wachstums verloren gingen“, sagt Alfons Meierhöfer. Aber: „Genau diese kurzen Wege sind ein Erfolgsfaktor.“ Die Initiative, dieses Miteinander wieder aufleben zu lassen und sich geballt zu vermarkten, kam 2016 von Bernhard Götzl, dessen Sohn Peter Götzl eine Metallbaufirma im Gewerbepark hat. Roland Wellenhöfer griff die Idee auf und begann, Betrieb um Betrieb anzusprechen und eine Liste mit allen Firmen im Gewerbepark zu erstellen. „So etwas gab es schlicht nicht“, sagt er.
Jeder ist gleich
Die erste Aktion war schnell gefunden: Der Tag der offenen Betriebe im Jahr 2017 gab den Unternehmen einen regelrechten Schub. Nicht nur, was die Außenwirkung und die Steigerung des Bekanntheitsgrades betrafen. Seitdem wird die Zusammenarbeit unter den Geschäftsleuten großgeschrieben. Regelmäßig treffen sie sich und überlegen sich neue Strategien, um den Gewerbepark als Marke voranzutreiben. Jeder bringt dabei seine Fähigkeiten und sein Know-how ein. Die Ideen gehen von einem gemeinsamen Energiekonzept über Nachhilfeund Sprachunterricht für geflüchtete Azubis bis hin zur klassischen Außenwerbung.
Der Gewerbepark weise einen breiten Branchenmix auf, so Wellenhöfer. Knapp 50 Firmen aus der Metall-und Holzverarbeitung, der IT-, Werbe- und Marketing-Branche, Handels- und Dienstleistungsfirmen sowie ein großer sozialer Pflegedienst haben sich bis heute angesiedelt. „Wichtig ist, dass sich alle Betriebe – vom Ein-Mann-Betrieb bis zum großen Unternehmen – wiederfinden und gleichberechtigt präsentieren können“, betont er. Egal ob auf der Website mit einem eigenen Jobportal oder bei Werbeflyern, jedem Betrieb werde der gleiche Platz zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus helfen sich die Firmen gegenseitig, sei es z.B. bei der gemeinsamen Nutzung einer Hebebühne oder beim Prototypenbau.
Neue Wege beim Recruiting
Neben dem Werben für die eigenen Produkte und Dienstleistungen, spielt auch die Suche nach neuen Mitarbeitern und Auszubildenden eine große Rolle. Mehrere Hundert Menschen arbeiten heute im Gewerbepark. Beim ersten „Recruiting Day“ 2023, einem Ausbildungsund Bewerbertag, öffneten 18 Firmen ihre Türen. Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber konnten ohne Anmeldung vorbeikommen. „Wir wollten die Kontakthürden so niedrig wie möglich halten. Alle Betriebe haben sehr gute Gespräche geführt und konnten zahlreiche Stellen besetzen“, sagt Marco Vollath. 30 verschiedene Lehrberufe bieten die Firmen des Gewerbeparks an. Die Idee für den Ausbildungsund Bewerbertag ging auf eine gemeinsame Initiative des Staatlichen Schulamtes, der Mittelschule Erbendorf, der Kreishandwerkerschaft Nordoberpfalz und der IHK Regensburg zurück.
Persönliche Gespräche und unkonventionelle Wege – nicht nur bei der Fachkräftesuche ist das ein Erfolgsgeheimnis des Gewerbeparks. Das bestätigt auch Erbendorfs Bürgermeister Johannes Reger. Die Besonderheit im Gewerbegebiet sei unter anderem die Leidenschaft der Unternehmer. „Das verschafft nicht nur Image, sondern auch gute Arbeitsplätze und Know-how, das wir für die Stadtentwicklung brauchen.“ Derzeit werde bereits an der Erweiterung der Fläche im Gewerbegebiet gearbeitet – für die bestehenden Betriebe und für potenzielle Neuansiedlungen.
Autorin: Ramona Bayreuther