Mediationsstelle
Mediationsordnung der IHK Potsdam
Die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Potsdam hat in ihrer Sitzung am 20. Juni 2018 gemäß § 4 S. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I S. 920 ff), zuletzt geändert durch Art. 93 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes vom 29. 3. 2017 (BGBl. I S. 626) folgende Mediationsordnung beschlossen:
Präambel
1. Die Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konfliktes anstreben.
2. Für Verfahren nach dieser Mediationsordnung besteht bei der IHK Potsdam eine Mediationsstelle. Diese berät umfassend über Mediation und andere Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, unterstützt bei der Durchführung des Mediationsverfahrens und der Auswahl geeigneter Mediatoren.
3. Die Einrichtung der Mediationsstelle und das Mediationsverfahren haben ihre Rechtsgrundlage in den §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 797a ZPO, dem Schiedsstellengesetz (SchG), dem Brandenburgischen Schlichtungsgesetz (BbgSchlG) sowie dem Brandenburgischen Gütestellengesetz (BbgGüteStG).
§ 1 Zuständigkeit
1. Diese Mediationsordnung findet bei Wirtschaftskonflikten aller Art Anwendung, wenn die Parteien die Durchführung eines Mediationsverfahrens nach dieser Verfahrensordnung vereinbart haben. Eine solche Vereinbarung kann jederzeit abgeschlossen werden. Bei Bedarf unterstützt die Mediationsstelle die Parteien beim Abschluss der Vereinbarung.
2. Die Mediationsstelle ist zuständig, wenn mindestens eine der Parteien einer deutschen IHK angehört. Sie ist auch zuständig bei innerbetrieblichen, nachfolgerelevanten oder gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten in einem (solchen) Unternehmen.
3. Soweit die Parteien nicht anderes vereinbart haben, findet die bei Einleitung eines Mediationsverfahrens gültige Mediationsordnung Anwendung.
§ 2 Einleitung und Beginn des Verfahrens
1. Das Verfahren wird durch den Antrag auf Durchführung des Mediationsverfahrens mindestens einer Partei bei der Mediationsstelle eingeleitet. Der Antrag muss schriftlich, per Telefax oder elektronisch gemäß § 126a BGB erfolgen und ist an die IHK-Potsdam Mediationsstelle zu richten.
2. Der Antrag soll enthalten:
a. Namen, Anschrift, Telefon und ggf. weitere Kontaktdaten der Parteien und etwaiger Verfahrensbevollmächtigter,
b. eine kurze verständliche Darstellung des Sachverhalts,
c. soweit möglich Angaben zur Höhe des Streitwertes,
d. die Erklärung, dass diese Mediationsordnung für die Parteien gelten soll,
e. die Erklärung, ob die Parteien selbst den Mediator bestimmen, oder ob die Mediationsstelle diesen auswählen und benennen soll sowie
f. die Angabe, ob der Mediator einer bestimmten Berufsgruppe angehören und über Zusatzqualifikationen (z.B. besondere Sprachkenntnisse) verfügen soll.
3. Die Mediationsstelle sendet den anderen Parteien den Antrag mit allen eingereichten Unterlagen zu, (soweit diese nicht ausdrücklich als nur für den Mediator gekennzeichnet wurden). Die anderen Parteien erhalten Gelegenheit, den Sachverhalt aus ihrer Sicht gegenüber der Mediationsstelle kurz darzustellen.
Das Mediationsverfahren kann nur durchgeführt werden, wenn alle Parteien sich mit der Durchführung einverstanden erklärt haben; dies muss spätestens innerhalb der von der Mediationsstelle gesetzten Frist, die in der Regel 2 Wochen beträgt, erfolgen.
4. Das Mediationsverfahren beginnt, wenn die Voraussetzungen der §§ 1 und 2 Nr. 1-3 vorliegen und die Verfahrensgebühr einbezahlt ist. Die Mediationsstelle setzt die Parteien vom Beginn des Verfahrens in Kenntnis und teilt ihnen ggf. den benannten Mediator mit. Gleichzeitig übersendet sie dem Mediator alle vorliegenden Unterlagen und fordert diesen zur Durchführung des Verfahrens auf.
5. Zwischen den Parteien und dem Mediator wird auf Grundlage dieser Verfahrensordnung ein Mediatorvertrag abgeschlossen. Der Mediator schickt auf Anforderung ein von allen Parteien unterschriebenes Exemplar an die Mediationsstelle.
§ 3 Mediator
1. Die Aufgabe des Mediators beschränkt sich auf die Leitung und Durchführung des Mediationsverfahrens. Der Mediator ist allen Parteien gleichermaßen verpflichtet.
2. Die Parteien können einen oder mehrere Mediatoren selbst aussuchen. Hierbei kann die Mediationsstelle die Parteien beraten. Der Mediator muss die Voraussetzungen der Mediatorenordnung erfüllen. Für das Tätigwerden des Mediators darf kein Ausschlussgrund nach § 17 SchG bestehen.
3. Wenn die Parteien es wünschen, schlägt die Mediationsstelle geeignete Mediatoren aus dem Mediatorenpool zur Auswahl vor.
4. Wenn die Parteien eine direkte Benennung wünschen oder sich innerhalb von 3 Wochen ab Beginn des Verfahrens (§ 2 Nr. 4) nicht einigen können, erfolgt die Benennung des Mediators durch die Mediationsstelle, wobei die Vorstellungen der Parteien berücksichtigt werden.
5. Die Parteien können einen Mediator jederzeit einvernehmlich entlassen und/oder einen anderen Mediator benennen.
6. Ein Mediator hat gegenüber der Mediationsstelle schriftlich zu erklären, dass er diese Verfahrensordnung anerkennt.
7. Der Mediator hat den Parteien alle Umstände offen zu legen, die seine Unabhängigkeit und Neutralität beeinträchtigen können. Er darf bei Vorliegen solcher Umstände nur als Mediator tätig werden, wenn die Parteien dem ausdrücklich zustimmen. Für ihn gelten die weitergehenden Regelungen nach § 3 Abs. 2 - 5 des MediationsG. Ein Mediator ist verpflichtet zu prüfen, ob derartige Umstände vorliegen. Bei bloßen Zweifeln hat er die Mediationsstelle unverzüglich von sich aus zu informieren.
§ 4 Verfahrensablauf
1. Das Mediationsverfahren ist nicht öffentlich.
2. Der Mediator ist für den Ablauf der Mediation verantwortlich. Er fördert die Beilegung des Konflikts in jeder zweckmäßigen Art und Weise. Alle Parteien achten auf eine beschleunigte Durchführung des Verfahrens.
3. Der Mediator lädt zu einem oder mehreren Verhandlungsterminen, an dem die Parteien persönlich oder ihre Vertreter mit umfassender Bevollmächtigung teilnehmen. Zeit und Ort der Verhandlung werden vom Mediator nach Rücksprache mit den Parteien festgesetzt.
4. Dritte können nur mit Zustimmung aller Parteien in die Mediation einbezogen werden.
5. Der Mediator vergewissert sich, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Mediationsverfahrens verstanden haben und freiwillig an der Mediation teilnehmen.
6. Grundsätzlich findet das gesamte Mediationsverfahren in Gegenwart aller beteiligten Parteien statt. Soweit alle Parteien einverstanden sind, kann der Mediator (vertrauliche Gespräche) mit nur jeweils einer Partei führen (Einzelgespräche). Eine Information, die der Mediator dabei erhält, darf er einer anderen Partei nur mit ausdrücklicher Zustimmung der informationsgebenden Partei mitteilen.
7. In dem Mediationsverfahren muss den Parteien die Gelegenheit gegeben werden, selbst oder durch von ihnen beauftragte Personen Tatsachen und Rechtsansichten vorzubringen und sich zu dem Vortrag der jeweils anderen Partei zu äußern.
8. Auf Antrag aller Parteien kann die Mediationsstelle in ein anderes außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren überleiten.
9. Der Mediator ist nicht verpflichtet, ein Protokoll zu führen.
§ 5 Beendigung des Verfahrens
1. Das Verfahren endet
a. durch die schriftliche Erklärung einer Partei oder des Mediators gegenüber der Mediationsstelle, mit sofortiger Wirkung die Mediation beenden zu wollen.
b. wenn die Parteien eine den Konflikt beendende Vereinbarung abgeschlossen haben.
c. wenn die Parteien eine den Konflikt teilweise beendende Vereinbarung abgeschlossen haben und das Verfahren mit Blick auf den übrigen Teil nicht fortsetzen wollen.
2. Die Mediationsstelle stellt die Verfahrensbeendigung schriftlich gegenüber allen Parteien und dem Mediator fest. Kommt eine Einigung nicht zustande, stellt die Mediationsstelle auf Antrag ein Zeugnis über den Mediationsversuch aus.
§ 6 Abschlussvereinbarung
1. Der Mediator wirkt im Falle einer Einigung darauf hin, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen und ihren Inhalt verstehen. Er hat die Parteien, die ohne fachliche Beratung an der Mediation teilnehmen, auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung bei Bedarf durch externe Berater überprüfen zu lassen. Mit Zustimmung der Parteien kann die erzielte Einigung in einer Abschlussvereinbarung dokumentiert werden.
2. Soweit von den Parteien eine Abschlussvereinbarung abgeschlossen wird, soll diese schriftlich niedergelegt werden. Das Original der Abschlussvereinbarung wird bei der Mediationsstelle aufbewahrt; die am Verfahren beteiligten Parteien erhalten je eine beglaubigte Kopie.
3. Die Mediationsstelle erteilt auf Antrag einer der Parteien eine vollstreckbare Urkunde über die in der Abschlussvereinbarung enthaltene Einigung, soweit sie anerkannte Gütestelle im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist und die rechtlichen Voraussetzungen hierzu gegeben sind. Die antragstellende Partei trägt die Kosten für die Vollstreckbarerklärung.
§ 7 Verschwiegenheitspflicht und Vertraulichkeit
1. Der Mediator und die in die Durchführung des Mediationsverfahrens eingebundenen Personen sind nach Maßgabe des § 4 MediationsG zur Verschwiegenheit verpflichtet.
2. Die Parteien und der Mediator können vertraglich weitergehenden Vertraulichkeits- bzw. Geheimhaltungspflichten festlegen.
§ 8 Verjährungshemmung und andere Verfahren
1. Die Verjährung der von der Mediation umfassten Ansprüche ist gem. § 203 BGB gehemmt, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Ist die Mediationsstelle anerkannte Gütestelle im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 6 ZPO gilt für die Hemmung der Verjährung § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB.
2. Die Parteien sorgen dafür, dass laufende Gerichts- oder Schiedsgerichtsverfahren, denen derselbe Sachverhalt wie dem Mediationsverfahren zugrunde liegt, für die Dauer des Mediationsverfahrens ruhen und auch nicht neu eingeleitet werden.
Das gilt nicht für gerichtliche Eilverfahren / Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
§ 9 Haftung
1. Die Mediationsstelle haftet nicht für die Tätigkeit des Mediators, außer dieser ist Angestellter der Mediationsstelle.
2. Die Haftung des Mediators richtet sich nach der mit dem Mediator getroffenen Mediationsvereinbarung.
§ 10 Kosten
1. Zu den Kosten des jeweiligen Verfahrens gehören
a. die von der Mediationsstelle erhobene einmalige Verfahrenspauschale zuzüglich Auslagen (Schreibkosten, Porto, Raummiete, Getränke usw.),
b. das Honorar eines Mediators zuzüglich dessen Auslagen.
2. Die Mediationsstelle erhebt eine einmalige Verfahrenspauschale gemäß dem in der Anlage niedergelegten Kostenverzeichnis. Diese wird bei Antragstellung fällig. Sie kann bei einer vorzeitigen Beendigung des jeweiligen Verfahrens vor Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Parteien ganz oder teilweise erstattet werden.
3. Ein Mediator erhält ein Zeithonorar, das sich nach dem Kostenverzeichnis (Anlage) richtet, und Ersatz seiner Auslagen. Soweit ein Angestellter der Mediationsstelle tätig wird, steht dessen Honorar der Mediationsstelle zu.
4. Die Parteien tragen ihre eigenen Kosten selbst und die Verfahrenskosten zu gleichen Teilen, es sei denn, die Parteien vereinbaren eine hiervon abweichende Kostenverteilung. § 91 Abs. 3 ZPO bleibt unberührt.
5. Die am jeweiligen Verfahren beteiligten Parteien haften für die Kosten gegenüber der Mediationsstelle und dem Mediator als Gesamtschuldner.
§ 11 Inkrafttreten
Diese Verfahrensordnung tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.
Potsdam, 20.06.2018
gez. gez.
Peter Heydenbluth Prof. Dr. Dr. Mario Tobias
Präsident Hauptgeschäftsführer