Position

Existenzgründungen stärken – Unternehmergeist fördern

Existenzgründer sind die Unternehmer von morgen und bilden die wirtschaftliche Zukunft des Landes. Dennoch sinkt seit Jahren die Quote der Neugründungen in Deutschland stetig. Auch in Brandenburg gingen die Gründungszahlen zurück, von 2011 bis 2020 allein um etwa ein Fünftel. Sollte sich dieser negative Trend fortsetzen, fehlen Arbeitsplätze, Innovationen und Produkte der Zukunft.
Die Auswirkungen der Pandemie sind noch nicht zu beziffern, es bleibt aber zu befürchten, dass sie auch Auswirkungen auf das Gründungsgeschehen haben wird.
Es ist Zeit zu handeln, es braucht Brandenburger Gründerinnen und Gründer, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein.
Wir als IHK Potsdam fordern deshalb:
  • Finanzielle Unterstützung für Gründungswillige in der Vorgründungsphase
  • Verbesserung des Unternehmerbildes in Politik und Öffentlichkeit
  • Sensibilisierung von Schülern und jungen Menschen für „Selbstständigkeit“

Finanzielle Unterstützung in der Vorgründung

Jeder Existenzgründer durchläuft idealerweise die 4 Phasen des Gründungsprozesses, bis das eigene Unternehmen am Markt etabliert ist. Insbesondere in der Vorgründungsphase müssen gewisse Voraussetzungen vorliegen, damit es nicht nur bei einer bloßen Idee bleibt, sondern es im nächsten Schritt auch zu einer Gründung kommt. Hierfür müssen sich Gründer voll auf ihr Projekt fokussieren können und viel Durchhaltevermögen an den Tag legen. Dies setzt wiederum voraus, dass sie finanziell abgesichert sind. Ein Startgeld durch das Land Brandenburg würde diese Sicherheit schaffen.
Zwar stehen finanzielle Hilfen aus Bundesmitteln für Gründungswillige aus der Erwerbslosigkeit und für Akademiker zur Verfügung, nicht aber für Erwerbstätige in der Vorgründungsphase, den sogenannten Chancengründungen, die fast drei Viertel der Gründungen in Deutschland ausmachen. Daher fordern wir ein Startgeld für sie in dieser Phase.
Stimulierend für Neustarter mit guten Ideen kann außerdem ein Wettbewerb um allgemeine Gründerstipendien sein, wie er schon in NRW existiert. Die IHK Potsdam könnte unter anderem die Arbeit der Jury unterstützen.
Etablierte Beratungsnetzwerke und zielgruppenspezifische Qualifizierungs- und Coachingangebote sind ein zentrales Element für die nachhaltige Unterstützung von Gründungswilligen.

Positives Unternehmerbild in der Öffentlichkeit

Unternehmer sind Triebkräfte und Stützen der gesellschaftlichen Entwicklung, schaffen Werte, sorgen öffentlich wie privat für Einkommen und sichern Ausbildung und Beschäftigung. In Brandenburg sind es gerade kleine und mittlere Betriebe, die für den überwiegenden Teil aller Arbeitsplätze und einen wesentlichen Teil der Bruttowertschöpfung im Land verantwortlich sind. Die Selbständigen machen 10% aller Erwerbstätigen in Brandenburg aus. Sie übernehmen Verantwortung in ihrer Region, Kommune, für Kultur und Vereine sowie im Ehrenamt. Trotz dieser unbestritten hohen sozialen Leistungen ist die Wahrnehmung von Unternehmern in der Gesellschaft vielfach ambivalent. Das Bild des Unternehmers in der Öffentlichkeit entspricht häufig nicht seinem gesellschaftlichen Beitrag. Auch in der Verwaltung sehen sich Unternehmer häufig mit Zurückhaltung, Vorurteilen und Misstrauen konfrontiert. Das Verwaltungshandeln wirkt auf zu viele Unternehmer entmutigend.
In den Verwaltungen des Landes muss ein Perspektivwechsel eintreten. Die Behörden sollten vor allem Lösungen aufzeigen, sich offen, hilfreich und konstruktiv gegenüber der Wirtschaft zeigen. Unternehmer müssen sich willkommen fühlen. Misserfolge dürfen nicht zur Stigmatisierung führen. Die öffentliche Würdigung unternehmerischer Leistungen muss verstärkt und das Image des Landes als ein Unternehmer-/Gründerland geschärft werden.

Sensibilisierung junger Menschen

Das Bild und die Attraktivität des Unternehmertums werden nicht zuletzt geprägt durch die schulische und weiterführende Bildung. Zu wenige Schulabgänger und Hochschulabsolventen sehen für sich eine Perspektive in der Selbstständigkeit. Das wirkt sich auf das Gründungs- und Nachfolgegeschehen in Brandenburg aus.
Zwar hat das Thema Wirtschaft durch das Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik in die Sekundarstufen der Schulen und durch das Fach Wirtschaftswissenschaften an den beruflichen Gymnasien/Oberstufenzentren teilweise Einzug in den Rahmenlehrplan gefunden. Jedoch wird das spezielle Themenfeld Gründung, Selbstständigkeit und Unternehmertum weiterhin zu selten integriert, und die aktive Wirtschaftsausrichtung des Unterrichts bleibt eine Seltenheit. Allgemein hängt es stark von den einzelnen Lehrkräften der Schulen ab, ob und wie sehr außerplanmäßige Themen, wie z.B. Wirtschaft und Unternehmertum, in den Unterricht integriert werden.

Die geringe Sensibilisierung und Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler für den Bereich Gründung und Selbstständigkeit hat zur Folge, dass eine Selbstständigkeit als Unternehmer selten als Alternative zur abhängigen Beschäftigung erwogen wird. Daher darf die Thematik nicht dem individuellen Engagement, den Möglichkeiten und Zeitkapazitäten der Lehrer überlassen sein, sondern gehört in die Lehrpläne. Weiterhin wünschen wir uns mehr Offenheit in den Schulen für Projekte mit der Wirtschaft. Kooperationen von Schulen und Betrieben einer Region sollten ebenso wie Schülerfirmen stärker gefördert werden. Schließlich braucht es kein überholtes Unternehmerbild, sondern ein realistisches, modernes, in dem digitale Arbeit und Work-Life-Balance genauso wie Entscheidungsfreude, Freiheit und Verantwortung vorkommen!

Hinweis:

Dieses Positionspapier wurde durch den Ausschuss für Existenzgründung und Unternehmensnachfolge sowie das Präsidium der Industrie- und Handelskammer Potsdam erarbeitet. Die IHK Potsdam agiert als gesetzlich verankerte Selbstverwaltungsorganisation der gewerblichen Wirtschaft. Sie tritt für das Interesse von etwa 82.000 Mitgliedsunternehmen gegenüber Politik und Öffentlichkeit ein.