Recht

Verfahrensordnung der Pfälzischen Schlichtungsstelle für kaufmännische Streitigkeiten

Eine schnelle und kostengünstige Beilegung von kaufmännischen Streitigkeiten in einem geregelten außergerichtlichen Verfahren ist einerseits von erheblichem wirtschaftlichen Interesse für die beteiligten Unternehmen und andererseits entlastet sie die staatlichen Gerichte. Vor diesem Hintergrund haben die Industrie- und Handelskammer (IHK) für die Pfalz und die Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken (RAK) eine gemeinsame Schlichtungsstelle in Form einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts unter dem Namen „Pfälzische Schlichtungsstelle für kaufmännische Streitigkeiten“ errichtet.

§ 1 Zuständigkeit

  1. Die Schlichtungsstelle kann angerufen werden bei Streitigkeiten, die sich aus der gewerblichen Tätigkeit beider Parteien ergeben. Die Schlichtungsstelle ist auch zuständig für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, die eine gewerblich tätige Gesellschaft betreffen.
  2. Wenigstens eine Partei muss einer deutschen Industrie- und Handelskammer angehören oder von einem Rechtsanwalt vertreten sein. Bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten genügt es, wenn die Gesellschaft Mitglied einer deutschen Industrie- und Handelskammer ist.

§ 2 Geschäftsstelle

  1. Die IHK richtet an ihrem Sitz in Ludwigshafen eine Geschäftsstelle ein.
  2. Die Geschäftsstelle berät die Parteien in allen das Schlichtungsverfahren betreffenden Fragen. Insbesondere ist sie auf Wunsch der Parteien bei der Schlichterauswahl behilflich.

§ 3 Beginn des Verfahrens

  1. Die Partei, die eine Schlichtung wünscht, muss dies schriftlich bei der Geschäftsstelle unter Nachweis der Zuständigkeitsvoraussetzungen (§ 1) beantragen. Der Antrag soll in zweifacher Ausfertigung eingereicht werden. Er soll die Parteien, ihr Streitverhältnis, den Gegenstandswert und die geltend gemachten Ansprüche enthalten und mit Kopien aller maßgeblichen Urkunden und Beweismittel versehen sein. Für eine anwaltlich vertretene Partei soll der Antrag außerdem eine kurz gefasste rechtliche Begründung der geltend gemachten Ansprüche enthalten.
  2. Der Antragsteller hat im Antrag anzugeben, ob das Schlichtungsverfahren mit einem Schlichter oder mit drei Schlichtern durchgeführt werden soll.
  3. Die Geschäftsstelle informiert die Gegenseite über den Antrag, verbunden mit der Aufforderung, binnen einer Frist von zwei Wochen mitzuteilen, ob einem Schlichtungsverfahren zugestimmt wird. Geht innerhalb der Frist die Zustimmung nicht bei der Geschäftsstelle ein, kommt kein Schlichtungsverfahren zustande. Der Antragsteller wird darüber informiert, ob die Gegenpartei dem Verfahren zugestimmt hat.
  4. Sollte Einigkeit zwischen den Parteien bestehen, dass ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden soll, werden die Parteien zur Zahlung der Kostenpauschale gemäß § 7 Abs. 1, zur Bestimmung eines Schlichters und zum Abschluss einer Schlichtungsvereinbarung im Sinne des § 6 aufgefordert.

§ 4 Schlichter

  1. Das Schlichtungsverfahren wird mit einem Einzelschlichter durchgeführt. Auf Antrag beider Parteien kann ein Schlichtungsverfahren mit drei Schlichtern durchgeführt werden.
  2. Der Schlichter ist neutral, unabhängig und unparteiisch und zur umfassenden Verschwiegenheit verpflichtet. Er muss die Befähigung zum Richteramt haben. Wird das Verfahren mit drei Schlichtern durchgeführt, genügt es, wenn einer der Schlichter über die Befähigung zum Richteramt verfügt.
  3. Die Parteien können sich auf einen Schlichter einigen, sie können aber auch bei der Geschäftsstelle beantragen, dass ein Schlichter von der Schlichtungsstelle benannt wird. Wird ein Schlichtungsverfahren mit drei Schlichtern beantragt, so benennt jede Partei einen Schlichter. Die beiden Schlichter benennen danach gemeinsam einen Obmann als Vorsitzenden.
  4. Außer auf Antrag durch die Parteien erfolgt eine Benennung durch die Schlichtungsstelle, wenn der Geschäftsstelle nicht binnen einer Frist von zwei Wochen nach Beantragung des Schlichtungsverfahrens ein Schlichter mitgeteilt worden ist, auf den sich die Parteien geeinigt haben und der die Voraussetzungen nach §§ 4 und 5 erfüllt. Bei einer Schlichtung durch drei Schlichter erfolgt eine Benennung durch die Schlichtungsstelle, wenn eine der Parteien nicht innerhalb von zwei Wochen nach
    Aufforderung durch die Geschäftsstelle einen Schlichter benennt. Weiterhin erfolgt eine Benennung durch die Schlichtungsstelle, wenn sich die beiden benannten Schlichter nicht innerhalb von zwei Wochen auf einen Vorsitzenden einigen können.
Die Parteien können jederzeit einvernehmlich den / die Schlichter austauschen.

§ 5 Neutralität des Schlichters

  1. Als Schlichter ist ausgeschlossen, wer eine der Parteien vor Beginn des Verfahrens im Zusammenhang mit dessen Streitgegenstand beraten oder vertreten hat.
  2. Während des Schlichtungsverfahrens darf der Schlichter keine der Parteien, in welcher Streitigkeit auch immer, vertreten oder beraten. Im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand des Schlichtungsverfahrens gilt das Vertretungsverbot auch nach dem Abschluss.
  3. Der Schlichter darf während des Verfahrens mit keiner der Parteien in geschäftlicher Verbindung stehen.
  4. Der Schlichter darf nur mit Zustimmung beider Parteien in der gleichen Sache als Schiedsrichter tätig werden.
  5. Die Parteien verpflichten sich, den Schlichter in einem nachfolgenden Schiedsgerichts- oder Gerichtsverfahren nicht als Zeugen für Tatsachen zu benennen, die ihm während des Schlichtungsverfahrens offenbart wurden.
  6. Der Schlichtere ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und zur Rücksichtnahme auf das Parteiinteresse verpflichtet.

§ 6 Schlichtungsvereinbarung

  1. Über die das Verfahren einleitenden Maßnahmen (§ 3) hinaus wird die Schlichtungsstelle nur tätig, wenn sich die Parteien schriftlich zu dem Versuch verpflichtet haben, ihren Streit nach dieser Schlichtungsordnung schlichten zu lassen (Schlichtungsvereinbarung).
  2. Die Schlichtungsvereinbarung soll die Abrede enthalten, dass die Verjährung der streitbefangenen Ansprüche für die Zeit vom Abschluss der Vereinbarung bis drei Monate nach Ende des Schlichtungsverfahrens gehemmt ist.

§ 7 Kosten

  1. Die Geschäftsstelle erhebt unter Berücksichtigung des Streitwertes und des für sie zu erwartenden Aufwands eine einmalige Kostenpauschale in Höhe von 100 Euro bis 500 Euro. Dieser Betrag erhöht sich um die jeweils geltende Umsatzsteuer, falls die Tätigkeit der Geschäftsstelle umsatzsteuerpflichtig ist. Die Pauschale ist von beiden Parteien je zur Hälfte im Voraus zu zahlen.
  2. Jeder Schlichter erhält ein Zeithonorar je Stunde nach folgender Staffel:
Streitwert Einzelschlichter, Vorsitzender Beisitzer, bei Besetzung mit drei Schlichtern
bis 25.000 Euro 150 Euro 100 Euro
bis 100.000 Euro 175 Euro 125 Euro
über 100.000 Euro 200 Euro 150 Euro
  1. Die Parteien sind ferner zum Ersatz der dem Schlichter und der Schlichtungsstelle entstehenden notwendigen Auslagen verpflichtet. Dazu gehört auch die Umsatzsteuer, sofern Umsatzsteuerpflicht besteht.
  2. Die Parteien haften als Gesamtschuldner gegenüber der Schlichtungsstelle für die Kostenpauschale und deren Auslagen und gegenüber den Schlichtern für das Schlichterhonorar und die Auslagen.
  3. Jede Partei trägt die während des Schlichtungsverfahrens entstehenden eigenen Kosten sowie die Kosten ihrer Vertretung selbst. Ein späterer Kostenausgleich unter den Parteien aufgrund gerichtlicher Entscheidung oder vertraglicher Vereinbarung wird dadurch nicht ausgeschlossen. Es gilt als vereinbart, dass die für eine Partei mit der Durchführung dieses Verfahrens verbundenen Kosten notwendig im Sinne der Prozessvorbereitung nach § 91 ZPO sind, sofern über den Streit nach Scheitern des Schlichtungsverfahrens ein Zivilrechtsstreit anhängig wird.
  4. Eine das Schlichtungsverfahren abschließende Vereinbarung soll die Verteilung der Kosten des Schlichters und der Geschäftsstelle zwischen den Parteien regeln. Fehlt es an einer solchen Regelung, gilt der Schlichter als beauftragt, über die Verteilung als Schiedsgutachter gemäß § 317 BGB verbindlich zu entscheiden.
  5. Scheitert das Verfahren, tragen die Parteien die Kosten des Schlichters je zur Hälfte.

§ 8 Verfahrensgang

  1. Wenn die Gegenpartei dem Schlichtungsverfahren zugestimmt hat und der Antragsteller hierüber informiert worden ist (§ 3), wird das Schlichtungsverfahren nur fortgesetzt, wenn die Schlichtungsvereinbarung nach § 6 unterzeichnet und die Kostenpauschale nach § 7 Abs. 1 eingezahlt ist. Sollte dies nicht binnen zwei Wochen erfolgen, kann die Geschäftsstelle das Schlichtungsverfahren für beendet erklären.
  2. Sind die Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 erfüllt, stellt die Schlichtungsstelle der Gegenpartei das Schlichtungsbegehren zu und fordert sie auf, binnen zwei Wochen nach Zugang schriftlich in zweifacher Ausfertigung zu erwidern. Die Erwiderung soll die eigene Position in tatsächlicher Hinsicht wiedergeben und Kopien schriftlicher Beweisstücke enthalten. Die Erwiderung soll eine kurzgefasste rechtliche Würdigung des Streitgegenstands aus ihrer Sicht enthalten. Aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung kann die Zustellung auch vorher erfolgen.
  3. Der Schlichter bestimmt im Einvernehmen mit den Parteien den Ort des Schlichtungsverfahrens und setzt umgehend einen Verhandlungstermin an, zu dem die Parteien und ggf. ihre Vertreter zu laden sind. In dem Termin sollen die Interessen der Parteien sowie die Streit- und Rechtslage erörtert und eine Einigung angestrebt werden.
  4. Das Verfahren ist nicht öffentlich. Die Vertraulichkeit des Verfahrens ist von allen Verfahrensbeteiligten zu wahren.
  5. Den weiteren Gang des Verfahrens bestimmt der Schlichter nach freiem Ermessen unter Beachtung der Grundsätze der Unparteilichkeit, Billigkeit und Gerechtigkeit. Dabei sollen möglichst die Wünsche der Parteien berücksichtigt werden.
  6. Der Schlichter kann jederzeit eine Partei auffordern, ihm weitere Informationen zukommen zu lassen. Von den Parteien vorgelegte Schriftstücke sind zu berücksichtigen. Der Schlichter kann den Streitgegenstand vor Ort in Augenschein nehmen.
  7. Die Parteien sind verpflichtet, den Verfahrensfortgang jederzeit zu fördern. Keine Partei hat Anspruch auf Einsicht in die Akte des Schlichters.
  8. Der Schlichter wirkt in jedem Stadium des Verfahrens auf eine einvernehmliche Regelung des Streits hin. Anwaltlich nicht vertretene Parteien hat der Schlichter über die rechtlichen Hintergründe und Folgen eines Einigungsvorschlags zu informieren.
  9. Auf ausdrücklichen Wunsch der Parteien kann der Schlichter einen Vergleichsvorschlag unterbreiten, den Parteien die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Prozesses aus seiner Sicht erläutern, einen Schiedsspruch über das gesamte Streitverhältnis oder Teile davon fällen, sofern die Parteien zuvor eine Schiedsgerichtsvereinbarung abgeschlossen haben.

§ 9 Beendigung des Verfahrens

  1. Das Verfahren endet, wenn die den Streit beendete Vereinbarung abgeschlossen ist oder wenn mindestens eine Partei die Schlichtung schriftlich gegenüber dem Schlichter und der anderen Partei für gescheitert erklärt. Im Verhandlungstermin genügt eine mündliche Erklärung des Scheiterns.
  2. Sieht der Schlichter keine Aussicht auf Erfolg des Verfahrens, so kann auch er das Verfahren jederzeit beenden. Einer Begründung bedarf die Entscheidung nicht. Bei einer Besetzung mit drei Schlichtern ist für die Beendigung des Verfahrens Einstimmigkeit erforderlich. Der Schlichter weist die Parteien auf die Möglichkeit des einvernehmlichen Austausches des Schlichters (§ 4 Abs. 5) hin.
  3. Der Schlichter hat das Ergebnis des Verfahrens in einem Protokoll festzuhalten. Er hat der Geschäftsstelle mitzuteilen, wenn das Schlichtungsverfahren beendet ist. Die Mitteilung soll einen Hinweis darauf enthalten, ob zwischen den streitenden Parteien eine Einigung erzielt werden konnte.
  4. Im Falle des Abschlusses einer Vereinbarung gilt das Schlichtungsverfahren mit dem Datum der Unterzeichnung der Vereinbarung als beendet. Sofern die Beendigung des Verfahrens bzw. das Scheitern der Schlichtung gegenüber den anwesenden Beteiligten erklärt wird, gilt dies als Termin für die Beendigung des Verfahrens. Sollte eine der Parteien des Schlichtungsverfahrens nicht anwesend sein, gilt das Schlichtungsverfahren zu dem Zeitpunkt als beendet, zu dem der Schlichter dieser Partei die Verfahrensbeendigung schriftlich mitgeteilt hat.

§ 10 Einleitung eines Schieds- oder Gerichtsverfahrens, einstweiliger Rechtsschutz

Die Parteien verpflichten sich, während des Schlichtungsverfahrens kein Schieds- oder Gerichtsverfahren in Bezug auf eine Streitigkeit, die Gegenstand des Schlichtungsverfahrens ist, einzuleiten; Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bleiben hiervon unberührt. Nach Beendigung des Schlichtungsverfahrens können die Parteien ein Schiedsgerichtsverfahren durchführen.

§ 11 Rechtsform, Haftung

  1. Die Schlichtungsstelle ist eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, deren Haftung auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt ist.
  2. Eine Haftung von IHK, RAK, ihrer Organe und Mitarbeiter für Handlungen oder Unterlassungen des Schlichters ist ausgeschlossen. Der Schlichter kann in der Schlichtungsvereinbarung seine Haftung im gesetzlich zulässigen Umfang begrenzen.
  3. Die Haftung von IHK, RAK, ihrer Organe und Mitarbeiter ist auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.

§ 12 Inkrafttreten

Diese Verfahrensordnung tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.