4. IHKN-Handelsdialog
Innenstädte, Sonntagsöffnungen, Digitalisierung und Landesraumordnung auf dem Prüfstand
„Bittere Pille, süße Lösungsmöglichkeiten“, resümiert Christoph von Speßhardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum den am vergangenen Mittwoch von der IHK Niedersachsen (IHKN) durchgeführten 4. IHKN-Handelsdialog mit niedersächsischen Handelsunternehmen, Staatssekretären und weiteren Vertretern aus dem Wirtschafts-, dem Sozial-, dem Landwirtschaftsministerium sowie dem Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung. Mit der „bitteren Pille“ sind die noch immer anhaltenden Herausforderungen für Niedersachsens Handelsunternehmen und Innenstädte in Folge von Corona, Energiekrise, E-Commerce sowie Fachkräfte- oder Nachfolgeproblematik gemeint. „Aber eben auch, dass im gemeinsamen Gespräch Lösungswege gefunden werden können. Das hat unser Dialog gezeigt“, zeigt sich von Speßhardt zuversichtlich.
Staatssekretär Frank Doods aus dem Wirtschaftsministerium hob insbesondere beim Thema Zentrenentwicklung das Stichwort „Gemeinsam“ hervor: „Das Land bietet einen großen Instrumentenkasten an Maßnahmen für attraktive Innenstädte – wichtig ist, daraus vor Ort gemeinschaftlich mit allen Akteuren aus Kommune, Wirtschaft und Stadtmarketing zu schöpfen.“
Dass gemeinschaftliche Kraftanstrengung bei der gewünschten Attraktivitätssteigerung und dem „Neudenken“ von Zentren nötig ist, betonten auch die Staatssekretäre Wunderling-Weilbier (Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung) und Dr. Marahrens (Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz).
Staatssekretär Wunderling-Weilbier sagt dazu: „Wir stehen vor gewaltigen Transformationsprozessen, die wir so bislang nicht kannten. Die Landesregierung hat das erkannt und arbeitet daher ressortübergreifend bei diesem wichtigen Thema Hand in Hand“.
Staatssekretär Dr. Marahrens ergänzt: „Die vielen Dörfer mit ihren Ortskernen sind für das Flächenland Niedersachsen prägend für den ländlichen Raum. Hier spielt die Landwirtschaft mit den vor- und nachgeschalteten Wirtschaftsbeziehungen eine große Rolle, die letztlich auch für die Erhaltung gleichwertiger Lebensverhältnisse in der Stadt und auf dem Land eine große Bedeutung haben. Die Landwirtschaft hält den ländlichen Raum lebendig.“
Eine von vielen Möglichkeiten, Zentren in der Transformation zu unterstützen, sind die vielfältigen Förderkulissen, betonten die drei Staatssekretäre. Die IHKN stimmt dem zu, sieht aber in den zur Verfügung stehenden Instrumenten noch Optimierungsbedarf. „Insbesondere wäre ein Fördertopf wünschenswert, der von unternehmerisch organisierten Standortgemeinschaften, wie Gewerbevereinen, angezapft werden könnte. Bis dato sind alle innerstädtische Förderkulissen ausschließlich an die Kommunen adressiert“, sagt Kathrin Wiellowicz, IHKN-Sprecherin Handel. „Zum anderen sehen wir die Notwendigkeit, dass die Einwohnergrenze bei den bestehenden Förderkulissen auf Kommunen unter 10.000 Einwohnern ausgeweitet wird, um auch den urban angehauchten Gemeinden, die zwischen Stadt und Dorf stehen, mehr Perspektiven zu eröffnen“, so Wiellowicz.
„Gemeinschaftlich zu handeln ist gut, aber nur eine Facette im Kontext von attraktiven Zentren. Individuell zu unterstützen, ist die andere“, befinden die Moderatoren von Speßhardt und Wiellowicz. So plädierten die Händlerinnen und Händler im Handelsdialog für die Fortführung des Ende 2022 ausgelaufenen Beraterprogramms „Digital aufgeLaden“ sowie für die zügige Umsetzung des im Koalitionsvertrag angekündigten „Digitalisierungslotsen“. Nur mit solch niedrigschwelligen Angeboten könne auch der kleinste Handelsbetrieb die immer noch erforderliche Sensibilisierung in Sachen Digitalisierung erfahren, waren sich die teilnehmenden Unternehmen einig.
Unzufrieden zeigten sich die Beteiligten hingegen beim Thema „Verkaufsoffene Sonntage“. Insbesondere der per Gesetz geforderte Anlassbezug und der breite Interpretationsspielraum im Hinblick auf Sachgrund und Ortsbezug wurden scharf kritisiert. Ebenso die häufig unvorhersehbare und sehr kurzfristige Beanstandung seitens der Gewerkschaften, die vielerorts zu Absagen am Freitag vor der eigentlichen Sonntagsöffnung führen würden, so der Tenor aus der Händlerschaft. „Gerade wenn wir über Aufenthalts- und Erlebnisqualität der Zentren sprechen, sind verkaufsoffene Sonntage ein wesentlicher, aber bislang von der Politik augenscheinlich unterschätzter Beitrag“, so von Speßhardt. „Die Verunsicherung und Frustration bei Handelsbetrieben, Standortgemeinschaften und Kommunen, die die Sonntage genehmigen sollen, ist inzwischen immens. Das zeigt uns doch, dass das Gesetz in der Praxis kaum anwendbar ist“, sorgt sich auch Wiellowicz.
Eine Idee, um der Unsicherheit zumindest etwas Abhilfe zu verschaffen, sieht die IHKN in einem „Positivkatalog für Sonntagsöffnungen“. Dieser sollte ähnlich einer „FAQ-Liste“ die Anlässe und Kriterien einer Sonntagsöffnung zusammenstellen, die nicht beklagt oder im Zuge von Gerichtsverfahren als zulässig erklärt wurden.
„Gemeinschaftliche Herausforderungen erfordern gemeinschaftliche Lösungsansätze. Bei unserem Handelsdialog haben wir sicherlich nicht in allen Punkten Konsens zwischen Handel und Politik erzielen können, aber einmal mehr wieder festgestellt, wie wichtig es ist, die Sorgen Auge in Auge miteinander zu teilen und ins Gespräch zu kommen. Diesen Austausch wollen und werden wir fortführen“, so der Stader IHK-Hauptgeschäftsführer von Speßhardt.
Für unsere IHK hat Carla Gundlach, Geschäftsführerin der bi-markt Bürobedarfs GmbH und stv. Vorsitzende des DIHK-Handelsausschusses, am diesjährigen Handelsdialog teilgenommen. Sie betonte, dass es keine Konkurrenzsituation zwischen Innenstadt und Grüner Wiese mehr gäbe, sondern dass sich diese beiden Standorte sinnvoll ergänzen würden.