Wirtschaftsfreundlichkeit in der Region Osnabrück
Im Wettbewerb um Unternehmen einerseits sowie Fach- und Führungskräften andererseits ist die kommunale Ebene mehr denn je gefordert. Die „Wirtschaftsfreundlichkeit“ ist hierbei ein besonders wichtiges Handlungsfeld.
- Unbürokratischere Regelungen schaffen und digital umsetzen
- Dienstleistungsgedanken verankern, Ermessensspielräume nutzen
- Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen zurückfahren
- Gründungen und Start-ups unterstützen, mehr Wertschätzung für das Unternehmertum verankern
- Innovations- und Wissenstransfer optimieren
- Kommunale Aufgaben gemeinsam erfüllen, auch über Länder- und Bundeslandgrenzen hinweg
- Steuer- und Abgabenerhöhungen vermeiden
- Konsolidierung über Ausgabenseite erreichen
Der Bürokratieabbau in den Verwaltungen ist ein zentraler Ansatzpunkt, um die mittelständisch geprägte regionale Wirtschaft zu stärken. Gelebte Wirtschaftsfreundlichkeit und attraktive Rahmenbedingungen verstärken die Bindung zur Region und ermöglichen Gründungen, Erweiterungen und Neuansiedelungen von Unternehmen.
Um in diesem Sinne Wirtschaftsfreundlichkeit weiterhin zu dokumentieren, sind der regionalen Wirtschaft folgende Positionen wichtig:
Unbürokratischere Regelungen schaffen und digital umsetzen
Bürokratie zählt nach Ansicht der Unternehmen zu den zentralen Schwächen des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Der Mittelstand fühlt sich dabei überproportional belastet. Auch für die Unternehmen in der Region Osnabrück bedeutet unnötige Bürokratie, dass Spielräume für ihr eigentliches Geschäft eingeengt werden. Dabei werden vor allem die Fülle an Regelungen und ihre Unübersichtlichkeit als Hemmnis wahrgenommen, beispielsweise mit Blick auf Melde-, Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten sowie langwierige Genehmigungsverfahren.
Insofern besteht Potenzial, die Effizienz der Verwaltungen auch in der Region Osnabrück weiter zu steigern. Klar und verständlich formulierte Vorschriften, die nicht nur sachlich gerechtfertigt, sondern für Unternehmen auch nachvollziehbar sind, sind nicht immer selbstverständlich. Vielfach beschreiten Kommunen durch „Gold-Plating“ Sonderwege, statt Bundes- oder Landesvorgaben nur „eins zu eins“ umzusetzen. Dies erzeugt einen regulativen Flickenteppich, etwa im Bereich der Bauvorschriften. Eine wichtige Rolle für eine bessere Kommunikation mit Verwaltungen spielen zudem E-Government- Lösungen.
Zur Schaffung unbürokratischer Regelungen und ihrer digitalen Umsetzung sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Entbürokratisierung auf allen Ebenen staatlichen Handelns vorantreiben
- Vorschriften klar und verständlich formulieren
- Kommunale Sonderwege oder regulative Flickenteppiche etwa im Bereich der Bauvorschriften vermeiden
- "Gold-Plating", also die Festlegung von Standards, die über die gesetzlichen Vorgaben hinaus gehen, vermeiden, etwa von lokalen Alleingängen bei den Zielen zur Klimaneutralität
- Wirtschaft und Unternehmertum mehr wertschätzen, bspw. durch Prüfung von Ratsvorhaben auf Wirtschaftsfreundlichkeit und Arbeitsmarkteffekte (wie z. B. in der Stadt Osnabrück)
- Melde- und Genehmigungsverfahren verkürzen und digitalisieren
- Chancen der Digitalisierung zum Bürokratieabbau nutzen
- Region zum Vorreiter bei der Einführung von E-Government machen
Dienstleistungsgedanken verankern, Ermessensspielräume nutzen
Ein wichtiger Faktor für die Attraktivität von Kommunen ist eine konsequente Dienstleistungsorientierung der Verwaltungen. In Befragungen wünschen sich Unternehmen insofern eine „Gelingenskultur“ anstelle einer „Verhinderungskultur“ sowie engagierte Ansprechpartner als Lotsen in der Verwaltung.
Bessere Verwaltungsangebote und eine schnellere Verfahrensabwicklung sind ein wirkungsvolles Instrument zur Wirtschaftsförderung vor Ort. Dazu können organisatorische Zielvorgaben oder eine regelmäßige Überprüfung der Abläufe und die Abfrage der Kundenzufriedenheit hilfreich sein. Orientierung hierbei können Zertifizierungen bieten, beispielsweise nach dem RAL-Gütezeichen für eine mittelstandsorientierte Kommunalverwaltung.
Zur Verankerung des Dienstleistungsgedankens sind folgende Maßnahmen wichtig:
- „Gelingenskultur“ statt „Verhinderungskultur“ etablieren
- Zentralen Ansprechpartner innerhalb der Verwaltung einführen bzw. stärken
- „Unternehmerisches“ Denken in den Verwaltungen verankern, Ermessensspielräume im Sinne des Antragstellers nutzen
- Verwaltung befähigen, flexibel und kompetent auf die Belange der Wirtschaft zu reagieren
- Unternehmen bei Antragsstellungen durch vorausgefüllte Genehmigungsanträge, Handlungsleitfäden und Ausfüllhilfen unterstützen
- Qualitätsmanagement mit Blick auf effiziente Abläufe einführen
- An Kriterien von Gütezeichen orientieren bzw. diese erwerben, Leistungsversprechen abgeben
- Kundenzufriedenheit bei Verwaltungsangeboten abfragen
Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen zurückfahren
Die Kommunen in der Region Osnabrück beschränken sich bei ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht immer auf die Kernaufgaben der Daseinsvorsorge. Auf diese Weise entsteht immer häufiger ein direktes Wettbewerbsverhältnis zwischen öffentlicher Hand und privaten Unternehmen. Dieses steht im Widerspruch zur Intention des § 136 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG), der auf eine Begrenzung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen abzielt. Die Unternehmen tragen mit ihren Gewerbesteuern erheblich zur Finanzierung der Kommunen bei. Treten kommunale Gesellschaften in einen (privilegierten) Wettbewerb mit ihnen, reduzieren sie dadurch gleichzeitig die Steuerbasis in der jeweiligen Kommune.
Für die Privatwirtschaft hat die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen mitunter erhebliche Nachteile. Das gilt vor allem dann, wenn für private und kommunale Unternehmen unterschiedliche Wettbewerbs- und Förderbedingungen bestehen. Der Grundsatz der Subsidiarität gebietet, dass private Anbieter den Vorzug erhalten, sofern sie in der Lage sind, die erwünschte Leistung ebenso gut wie der öffentliche Anbieter zu erbringen.
Zur Reduzierung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Wirtschaftliche Betätigung auf die Kernaufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge beschränken
- Kommunale Aufgaben und Ausgaben – auch die der Eigenbetriebe und der kommunalen Unternehmen – kritisch überprüfen
- Faire Wettbewerbsbedingungen zwischen privaten und öffentlichen Anbietern sicherstellen
- Bei der Grundstückserschließung, im Wohnungsbau und in der Immobilienwirtschaft den Wettbewerb nicht zugunsten kommunaler Gesellschaften verzerren
- Interessen von mittelständischen Unternehmen bei öffentlichen Auftragsvergaben berücksichtigen
Gründungen und Start-ups unterstützen, mehr Wertschätzung für das Unternehmertum verankern
Trotz einer in den vergangenen Jahren zurückhaltenden Gründungsintensität hat die Region Osnabrück Erfolge bei Existenzgründungen. Auch aufgrund seiner inzwischen hervorragenden Start-up-Infrastruktur gehört die Region zu den Leuchttürmen auf der bundesweiten Start-up-Landkarte.
Gleichzeitig bemängeln Jungunternehmen in der Region, dass auch hier Gründer durch Regulierungen und Steuern zu stark belastet werden. Aufwendige und kaum digitalisierte Genehmigungsverfahren, zahlreiche unterschiedliche Anlaufstellen sowie neue Berufszugangs- und -ausübungsregeln verzögern und erschweren häufig den Start von Unternehmen.
Um Gründungen zu forcieren, spielen die (digitalen) Angebote und die Start-up-Infrastruktur in den Kommunen für Gründer eine wichtige Rolle. In der Region Osnabrück sind die Hochschule und die Universität sowie die Gründerzentren und Akzeleratoren Osnabrück, z. B. das ICO, das Seedhouse, der Osnabrück Healthcare Accelerator (OHA) und das Smart City House in der Stadt Osnabrück sowie der BIQ und das DIL in Quakenbrück zentrale Player. Auch die Zusammenarbeit mit den zahlreichen mittelständischen „Hidden Champions“ bietet Entwicklungsmöglichkeiten.
Zur Unterstützung von Gründungen sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Dialog zwischen Unternehmern, Schulen, Hochschulen, Politik und Verwaltungen intensivieren und die Themen „Unternehmertum“ und „Wirtschaft“ in den Schulen verankern (Land)
- Bestand der Unternehmen vor Ort pflegen und unbürokratische Angebote für Gründungen und junge Unternehmen machen
- Gründerzentren und Akzeleratoren stärken und verstärkt auch in der Region etablieren
- Region Osnabrück als bundesweiten „KI-Hotspot“ etablieren und Testumgebungen für KI-Anwendungen und 5G-Konzepte aufbauen
- Vernetzungsangebote zwischen Start-ups und kleinen sowie mittleren Unternehmen schaffen und ausbauen
- Veranstaltungen bündeln und Netzwerke schaffen bzw. ausbauen für Themen wie Gesundheitswirtschaft, Nachhaltigkeit und Unternehmensnachfolge
- Unterstützung in der zweiten Wachstumsphase junger Unternehmen
fortsetzen und ausweiten
Innovations- und Wissenstransfer optimieren
Eine flächendeckende Technologieinfrastruktur in der Region Osnabrück fördert die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft. Der Wissenstransfer zwischen der Wirtschaft und der Wissenschaft hat in den zurückliegenden Jahren deutlich an Qualität gewonnen. Die Nutzung der wissenschaftlichen Kompetenz durch die Unternehmen ist aber weiter ausbaufähig. Vor allem das Thema Innovation zahlt dabei auf die Zukunftsfähigkeit der regionalen Wirtschaft ein. Besondere Potenziale bieten KI und Automatisierungslösungen für weite Bereiche der Wirtschaft.
Zur Optimierung von Innovations- und Wissenstransfer sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Kooperationen unter Unternehmen fördern
- Transfer in die Unternehmen durch Reallabore, Anwendungszentren, Stiftungsprofessuren fördern und nutzenstiftende Veranstaltungsformate entwickeln
- Innovationstransfer durch Startup-Akzeleratoren vorantreiben, um Kooperationen zwischen Startups und größeren Unternehmen zu fördern
- Regionale Transferkompetenz verbessern, z. B. durch Gründung von ZIM-Netzwerken
- Patenschaften von Unternehmen für junge Unternehmen initiieren
- Zusammenarbeit zwischen Hochschule/Universität und Unternehmen stärken, z. B. durch Förderinitiative „Innovative Hochschule“ oder durch das Transfer-Projekt GROWTH der Hochschule Osnabrück
- Potenziale des Schwerpunktes „Künstliche Intelligenz“ nutzen
- Durch Kooperation von Hochschulen und Unternehmen Industrie 4.0 vorantreiben
- Durch Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft Smart Areas entwickeln und Voraussetzungen für Smart Farming schaffen
Kommunale Aufgaben gemeinsam erfüllen, auch über Länder- und Bundeslandgrenzen hinweg
Derzeit bieten die meisten Gebietskörperschaften einen weit überwiegenden Teil der Dienstleistungen selbst in möglichst bester Qualität an. Dabei bietet (interkommunale) Kooperation die Chance, ein aufeinander abgestimmtes Angebotsportfolio zu erhalten und zu verbessern. Die Zusammenarbeit von Kommunen und anderen regionalen Einrichtungen bietet zudem die Chance, Kosten zu senken.
Dabei eignen sich viele kommunale Aufgaben für diese Zusammenarbeit. Dies reicht von der Raumentwicklung, dem Flächenmanagement, der Planung und Entwicklung von Wohn-, Gewerbe- und Verkehrsflächen über den ÖPNV, die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur und technischen Einrichtungen bis zur gemeinsamen Beschaffung sowie gemeinsamen Dienststellen mit spezialisiertem Personal. Auch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit der regionalen Wirtschafts- und Arbeitsräume zu verbessern.
Zur gemeinsamen Erfüllung von kommunalen Aufgaben sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Anwendungsgebiete für (interkommunale) Zusammenarbeit identifizieren und Kooperation ausbauen (z. B. Regionalmarketing; Wohn- und Gewerbeflächenentwicklung; Gesundheit; Verkehr; behördliche Dienstleistungen wie Kfz-Zulassung und Aufenthaltsrecht; siehe auch Handlungsfeld Standortattraktivität)
- Regionalen Zusammenhalt auch unter Einbeziehung des nordrhein-westfälischen Einzugsgebietes festigen
- Trassenkorridore für Infrastruktur gemeinsam benennen
- Kleinräumige Sonderregelungen für die bundesuneinheitlichen Feiertage Reformationstag (Niedersachsen) und Allerheiligen (Nordrhein-Westfalen) etablieren, z. B. beim Lkw-Fahrverbot
- Abstimmung der Baulastträger bei grenznahen Baustellen bundesländerübergreifend verbessern
Steuer- und Abgabenerhöhungen vermeiden
Die Höhe der Steuern ist ein wichtiger Standortfaktor für die Wirtschaft. Auf kommunaler Ebene sind v. a. Grund- und Gewerbesteuer zentrale Einnahmequellen: 2023 sorgten diese in Niedersachsen für fast zwei Drittel aller Steuereinnahmen der Kommunen. In der Region Osnabrück sind die Realsteuerhebesätze im landesweiten Vergleich und auch im Vergleich zu den Kommunen in Nordrhein-Westfalen nach wie vor zwar moderat. In den vergangenen Jahren sind sie allerdings kontinuierlich angestiegen und bewegen sich auch auf einem deutlich höheren Niveau als beispielsweise im benachbarten Emsland. Zudem wird aktuell die Einführung neuer Steuern (Bettensteuer) diskutiert.
Dementsprechend zeigt sich auch in der IHK-Standortumfrage ein gemischtes Bild. Die Anteile der mit der Höhe der Gewerbe- und Grundsteuer zufriedenen bzw. unzufriedenen Unternehmen halten sich in der Region Osnabrück die Waage. Im Vergleich zur vorherigen Umfrage ist die Unzufriedenheit der Unternehmen mit der Höhe der Hebesätze allerdings deutlich angestiegen. Insofern sollten die Kommunen darauf achten, ihren bisherigen Standortvorteil nicht zu verspielen und Steuer- und Abgabenerhöhungen zu vermeiden.
Zur Vermeidung von Steuer- und Abgabenerhöhungen sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Gewerbe- und Grundsteuerhebesätze nicht weiter erhöhen
- Steuersenkungspotenziale prüfen
- Reform der Grundsteuer nicht für versteckte Steuererhöhungen nutzen, „aufkommensneutrale“ Hebesätze veröffentlichen
- Auf die Erhebung von Bagatellsteuern und -abgaben verzichten
- Auf die Erhebung von Bettensteuern und Tourismusabgaben verzichten
- Auf neue kommunale Gebühren und Abgaben, die zu Mehrbelastungen für die Wirtschaft führen, verzichten
Konsolidierung über Ausgabenseite erreichen
Bei konkreten Haushaltsdefiziten sind in der Regel nicht die kommunalen Einnahmen zu niedrig, sondern die Ausgaben zu hoch. Insofern ist nicht nur die Einnahmenseite, sondern auch die Ausgabenseite für eine Konsolidierung der Kommunalfinanzen wichtig. Einsparungen bei rein konsumtiven Ausgaben sind dabei hinsichtlich der Zukunftsperspektiven sinnvoller als Kürzungen von Investitionen – etwa in den Bereichen Bildung und Infrastruktur. Eine fundierte Aufgaben- und Ausgabenkritik kann für eine langfristige Haushaltskonsolidierung wichtige Beiträge leisten. Ohne grundsätzliche Aufgabenkritik und Disziplin insbesondere bei den freiwilligen kommunalen Aufgaben können kaum finanzielle Reserven erschlossen werden.
Zur Konsolidierung der Kommunalhaushalte über die Ausgabenseite sind folgende Maßnahmen wichtig:
- Aufgabenkritik durchführen, Kostenbewusstsein steigern, Kostenreduzierungen durchsetzen
- Vergleichbarkeit und Transparenz der kommunalen Haushalte herstellen
- Ermessensspielräume bei allen Pflichtleistungen für Einsparungen nutzen
- Zukunftsinvestitionen in Bildung und Infrastruktur priorisieren
- Chancen für intelligente Privatisierung kommunaler Betriebe prüfen und nutzen
- Optimales Verhältnis im Spannungsfeld „Aufgabenerledigung vor Ort“ vs. „Notwendige Delegation von Aufgaben auf höhere administrative Ebenen“ finden