IHK-Mittagsgespräch: „Brexit kennt nur Verlierer“

(30.10.2018) „Fünf Monate vor dem Austritt ist die künftige Gestaltung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union nach wie vor unbestimmt“, sagte IHK-Vizepräsident Mark Rauschen in seiner Begrüßung zum IHK-Mittagsgespräch mit Dr. Markus Pieper, Mitglied des Europäischen Parlaments (MdEP). Ein Scheitern des Austrittabkommens wäre aber alles andere als im Interesse der regionalen Wirtschaft. Laut einer aktuellen IHK-Umfrage wünschen sich zwei Drittel der in Großbritannien aktiven Unternehmen im IHK-Bezirk ein umfassendes Abkommen mit Vereinbarungen zu freiem Waren-, Kapital- und Zahlungsverkehr, zu Dienstleistungsfreiheit und Personenfreizügigkeit. 

Uneinigkeit vor allem bei der Irland-Problematik

Zwar seien immerhin schon 90 - 95 % der offenen Fragen in dem bisher ausgehandelten Austrittsvertrag zwischen der EU und Großbritannien geregelt, erläuterte Pieper. Uneinigkeit gebe es jedoch noch vor allem bei der Irland-Problematik. Nach dem Brexit wäre die 500 Kilometer lange Grenze zwischen Irland und Nordirland eine EU-Außengrenze. Um neue Grenzkontrollen zu Nordirland zu vermeiden, schlägt die EU vor, dass Nordirland in der Zollunion und damit im Binnenmarkt verbleibt. Großbritannien lehnt diese Lösung ab, weil dann Zollkontrollen zwischen Nordirland und dem übrigen Königreich die Folge wären. Den Vorschlag der britischen Regierung, dass das gesamte Vereinigte Königreich zeitlich befristet in der Zollunion verbleibt, lehnt wiederum Brüssel ab. Dazu sagt Pieper: „Es darf seitens der Briten kein Rosinenpicken geben. Großbritannien kann nicht nur die Vorteile der EU beanspruchen, die Verpflichtungen aber abgeben.“ 

Scheitern des Abkommens sei "Katastrophe"

Ein Scheitern des Abkommens sei eine „Katastrophe“, insbesondere für die Wirtschaft in Großbritannien. Bereits jetzt erschwerten die Wechselkursschwankungen den Handel und große Unternehmen wie Ford und Mini zögen sich aus dem britischen Markt zurück. Allerdings sei der Austritt Großbritanniens für die EU und insbesondere für Deutschland ohnehin schon ein Verlust. Die Briten seien immer Befürworter des freien Handels und des Subsidiaritätsprinzips gewesen. „Diese ordnungspolitische Stimme wird uns fehlen“, so Pieper. Umso wichtiger sei, dass die traditionell engen Verbindungen aufrecht erhalten bleiben. Dies sei auch deshalb wichtig, weil „Europe together“ einen wichtigen Gegenpol zu „America first“ bilden könne. Immerhin stellen EU-Bürger zwar nur 8 % der Weltbevölkerung dar, erwirtschaften aber 24 % der Weltwirtschaftsleitung. 

Sorge vor Rückgang der Geschäfte

Auch Rauschen sieht im laufenden Streit zwischen Großbritannien und der EU nur zwei Verlierer. Denn immerhin gehöre das Vereinigte Königreich zu den Top 10-Außenhandelspartnern der regionalen Wirtschaft. Fast 400 Betriebe aus dem Bezirk engagieren sich auf der Insel. Durch den Brexit befürchten viele einen Rückgang ihrer Geschäfte. Bundesweit sind die Ausfuhren nach Großbritannien in den letzten beiden Jahren sogar bereits so weit gesunken, dass das Land auf der Liste der wichtigsten Handelspartner Deutschlands zuletzt von Platz drei auf Platz fünf abgerutscht ist.