Vom Flüchtling zum Azubi: IHK-Berufsbildungsausschuss informiert sich über Erfolgsmodell und fordert Erleichterungen im Zuwanderungsrecht

Mit Herausforderungen und konkreten Erfolgsgeschichten bei der Integration von ausländischen Jugendlichen in Ausbildung beschäftigten sich die Mitglieder des IHK-Berufsbildungsausschuss jetzt in ihrer Sitzung bei der Kesseböhmer Holding KG in Bad Essen. „Die Gewinnung und Integration ausländischer Fachkräfte sind entscheidende Hebel für die Fachkräftesicherung“, warben Wolfgang Paus, Vorsitzender der Arbeitgebervertreter, und Stephan Soldanski, Vorsitzender der Arbeitnehmervertreter des IHK-Berufsbildungsausschusses, für eine Erleichterung gezielter Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt. In den letzten Jahren seien die gesetzlichen Regelungen in Richtung eines modernen Aufenthaltsrechts zwar weiterentwickelt worden, so Paus und Soldanski. Doch die beiden Ausschussvorsitzenden forderten: „Das Zuwanderungsrecht muss deutlich einfacher, transparenter und unbürokratischer gestaltet werden.“
Dass dieser Weg sowohl für Auszubildende als auch für Ausbilder und Kollegen im Betrieb bisher hohe Hürden bedeute, viel Engagement erfordere, am Ende aber zum Erfolg führen könne, stellte Gastredner Frank Giesker, Ausbildungsleiter bei der fdu GmbH & Co. KG in Georgsmarienhütte, in der Sitzung vor: Sein Unternehmen und er ganz persönlich hätten einen afghanischen Auszubildenden unterstützt, der als 14-jähriger unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland gekommen sei und jetzt nach vielen schwierigen Phasen kurz vor dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement stehe. Schwierig sei vor allem die emotional aufwühlende Phase nach der Machtübernahme der Taliban und der Flucht nach Deutschland gewesen. Dadurch begründete Probleme in der Berufsschule hätten zum Abbruch der Ausbildung als Industriekaufmann geführt. Diese Situation habe das Unternehmen gemeinsam mit dem jungen Mann lösen können, indem Gespräche geführt worden seien, die Berufsschule gewechselt und mit der Ausbildung zum Kaufmann für Büromanagement ein Neustart gewagt wurde. „Aufgrund der guten Leistungen konnte die Ausbildung um ein Jahr verkürzt werden, so dass trotz des Wechsels die Ausbildungszeit nach drei Jahren erfolgreich beendet sein wird“, so Giesker.
Tipps und Hilfestellung habe Giesker unter anderem beim Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ gefunden. In diesem bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) angesiedelten Netzwerk haben sich bundesweit Unternehmen verschiedener Branchen zusammengeschlossen, um sich gegenseitig bei der Integration im beruflichen Alltag zu unterstützen. Giesker engagiert sich dort ehrenamtlich als Regionalbotschafter für Niedersachsen. Seine Botschaft: „Kein Auszubildender und kein Unternehmen ist allein. Es gibt Ansprechpartner, die helfen.“ Das sei auch nötig, berichtet Giesker aus eigener Erfahrung: „Selbst das Angebot eines Praktikums zur Berufsorientierung ist mit rechtlichen Voraussetzungen und Hürden verbunden. Hinzu kommen oft viele Versuche bei Behörden, bis der richtige Ansprechpartner erreicht ist.“
Seinen Appell nahmen die Ausschussmitglieder als Botschaft an weitere Unternehmen mit: „Arbeitsmarktintegration muss in den Betrieben gelebt werden. Sie ist oft anstrengend, kann sich allerdings für beide Seiten sehr lohnen.“ Die Politik müsse dieses Engagement dringend erleichtern und Auflagen reduzieren, waren sich die Ausschussvorsitzenden Paus und Soldanski einig.
Der aus Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Lehrervertretern bestehende IHK-Berufsbildungsausschuss trifft sich dreimal jährlich und ist in allen wichtigen Angelegenheiten der beruflichen Bildung zu unterrichten und anzuhören. Er hat im Rahmen seiner Aufgaben auf eine stetige Entwicklung der Qualität der beruflichen Bildung hinzuwirken. Die vom Niedersächsischen Kultusministerium berufenen Gremienmitglieder sind ehrenamtlich tätig.