Immer mehr Züge und LKWs statt Seecontainer aus China
„Bei Seefrachten und Überseecontainern erleben wir gerade enorme Preissteigerungen. Auch die Verfügbarkeit hat abgenommen. Dadurch ist die Logistikbranche noch stärker gefordert als bisher, stabile Lieferketten zu gewährleisten. Die aktuellen Frachtpreise gefährden dabei so manches Geschäftsmodell“, beschrieb Ulrich Boll, Vorsitzender des IHK-Verkehrsausschusses, die aktuelle Marktsituation bei Importen aus China und Asien anlässlich der jüngsten Sitzung des Gremiums.
Binnen Jahresfrist haben sich die Frachtraten zwischen China und Europa etwa verachtfacht. Für einen 20-Fuß-Container wird aktuell eine Frachtrate von rund 4.000 US-Dollar aufgerufen. Durch pandemiebedingte Einfuhrbeschränkungen stauen sich Containerschiffe an der amerikanischen Westküste und müssen teilweise mehr als zwei Wochen auf die Entladung warten. Dies stört auch die Schiffsumläufe nach Europa, weil in China die Container für eine neue Verladung fehlen.
Wegen der hohen Frachtpreise werden gerade geringwertige Güter in erheblichem Umfang in Asien eingelagert und man wartet offenbar auf eine Entspannung der Marktsituation. Dies gefährdet zunehmend auch Wertschöpfungsketten in Europa, weil viele Kleinteile nicht mehr aus Asien bezogen werden können oder erst mit großer Verspätung hier eintreffen. Denn trotz der hohen Preise passiert es regelmäßig, dass Container nicht auf das gebuchte Schiff verladen werden, sondern einen späteren Umlauf abwarten müssen. Unter den Mitgliedern des IHK-Verkehrsausschusses bestand Einigkeit, dass eine Entspannung der Lage in der ersten Jahreshälfte kaum zu erwarten ist.
Wie groß der Druck auf die Logistiker ist, zeige sich auch daran, dass inzwischen vermehrt andere Verkehrsträger gewählt würden: So haben Containerbuchungen für den Schienentransport auf der sogenannten „neuen Seidenstraße“ einen Reservierungsvorlauf von bis zu drei Monaten. Selbst der Lkw wird trotz Transportkosten von deutlich mehr als 10.000 Euro zunehmend für die Strecke zwischen China und Europa genutzt. Während es auf dieser Strecke über viele Jahre zu keinen Straßentransporten gekommen sei, gab es nach Auskunft des Bundesverkehrsministeriums zwischen Januar und Oktober 2020 ein Transportvolumen von rund 35.500 Lkw-Ladungen.
„Mit Blick auf die Stabilität der Lieferketten beobachten wir diese Entwicklungen seit mehreren Monaten mit Sorge. Kurzfristig können wir allerdings nicht mit Kapazitätserweiterungen und damit einhergehend geringeren Frachtpreisen rechnen“, resümierte Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung.
Der aus ehrenamtlich tätigen Unternehmerinnen und Unternehmern bestehende IHK-Verkehrsausschuss trifft sich dreimal jährlich. Seine Mitglieder tauschen sich regelmäßig mit Experten aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft aus und erarbeiten Positionen für die IHK-Vollversammlung. Die jüngste Sitzung fand aufgrund der Höhe der Corona-Infektionszahlen in der Region als Videokonferenz statt.