Im Titelinterview: FMO-Geschäftsführer Prof. Dr. Rainer Schwarz

von Anke Schweda, IHK
Im September fand das 4. IHK-Luftverkehrsforum auf dem Flughafen Münster/Osnabrück (FMO) statt (S.20). Für uns ein Anlass, bei FMO-Geschäftsführer Prof. Dr. Rainer Schwarz nachzufragen. Berufliche Stationen führten den 67-Jährigen seit 1988 an die Flughäfen Rostock, Berlin Brandenburg, Düsseldorf, Nürnberg und München – und 2017 an den FMO. Einer der jüngsten Erfolge hier: Mit rund 1 Mio. Fluggästen erreichte der FMO bereits 2023 das Vor-Corona-Niveau. Dieses Jahr wird mit einem weiteren Wachstum von 25 % gerechnet.
_ Die Fluggastzahlen haben sich in den vergangenen zwei Jahren sehr gut entwickelt. Woran liegt das im Einzelnen?
In der Zeit nach Corona hat der FMO rechtzeitig auf Wachstum generierenden Verkehr gesetzt. Hier ist vor allem das touristische Segment mit einer hochfrequenten Bedienung besonders volumenstarker Märkte hervorzuheben. So werden z. B. die beiden wichtigsten Urlaubsregionen Mallorca und Antalya jeweils bis zu sechsmal täglich vom FMO angeflogen. Die so entstandene Flexibilität bindet mehr Fluggäste an den FMO, die früher aus den unterschiedlichsten Gründen andere Abflughäfen gewählt haben. Außerdem ist es uns gelungen, auch neue Fluggesellschaften wie die Condor an den FMO zu holen.
_ Sie erwähnen geändertes Konsumentenverhalten und neue Destinationen – wie geht es in den nächsten Jahren weiter?
Der Luftverkehr ist ein volatiles Geschäft. Von daher ist es wichtig, als Standort rechtzeitig Marktentwicklungen zu erkennen und sich darauf einzustellen. Das ist uns in der Nach-Corona-Zeit sicherlich vorzeigbar gelungen. Für die Zukunft wollen wir weiter einen gesunden Mix aus neuen Zielen und Volumensteigerungen bei bestehenden Destinationen erreichen.
_ Unsere Unternehmen sind auf gute Flugverbindungen angewiesen. Dass die Lufthansa ab November die Verbindung FMO – Frankfurt nicht mehr anbietet, ist daher keine gute Nachricht. Die Verbindung FMO – München wird zwar ausgebaut, aber London, Wien und Paris fehlen. Dürfen wir in Zukunft ein Angebot erwarten?
Die gute Nachricht ist, dass Lufthansa die Kapazitäten zum Flughafen München künftig mit ausschließlicher Bedienung mit Fluggeräten der A319/A320-Familie massiv aufstocken wird und den gesamten Umsteigeverkehr über München bündeln will. 58 der 60 wichtigsten FMO-Umsteigeziele, die bislang über Frankfurt genutzt wurden, können auch bequem über München erreicht werden. Aber natürlich bedauern wir auch die Einstellung der Frankfurt-Verbindung. Neben einer deutlich höheren Nachfrage der München-Verbindung, einer geringen Flottenverfügbarkeit am Standort Frankfurt sowie einem stärkeren Schieneneinsatz bei besonders kurzen Flugverbindungen in Deutschland ist aber festzustellen, dass das Niveau der Geschäftsreisen noch deutlich unter der Vor-Corona-Zeit liegt.
_ Das ist kein Phänomen nur in der Region …
… es ist ein deutschlandweites Phänomen, unter dem Airports mit besonders hohem Geschäftsreiseanteil wie Stuttgart, Düsseldorf oder Hannover extrem leiden. In fast allen anderen europäischen Ländern hat der Geschäftsreiseverkehr die Zahlen der Vor-Corona-Zeit längst wieder erreicht. Neben dem schwächelnden Geschäftsreisesegment sorgen auch sehr hohe Standortkosten, u.a. durch die Luftverkehrssteuer oder Luftsicherheitsgebühren, dafür, dass ausländische Fluggesellschaften Deutschland aktuell eher meiden.
_ Der FMO arbeitet engagiert daran, ein nachhaltiger Regionalflughafen zu sein. Was haben Sie bereits umgesetzt?
Der FMO hat sich zum Ziel gesetzt, als einer der ersten Flughäfen in Deutschland seinen Betrieb CO2-neutral durchführen zu können. Für dieses engagierte Ziel sind wir bereits gut vorangeschritten und konnten unsere CO2-Emissionen seit dem Jahr 2008 um über 90 % reduzieren. Erreicht haben wir dies u.a. durch den Bezug von Strom aus rein ­regenerativen Energien, die konsequente Umstellung auf stromsparende LED-Technik, z. B. bei der Befeuerung der Start- und Landebahn, oder den Einsatz moderner elektrisch betriebener Flughafenfahrzeuge, wie Fluggasttreppen oder Passagierbusse.
_ Und wie geht es weiter? Was sind die wichtigsten Projekte? Sie planen ja auch eine Photovoltaikanlage?
Bereits vor zwei Jahren haben wir auf dem Dach des Parkhauses A eine PV-Anlage mit 2 000 Modulen in Betrieb genommen. Aber wir planen noch deutlich Größeres: Der FMO verfügt über ein Gebiet von einer Größe von rund 70 Hektar, das früher einmal für eine Verlängerung der Start- und Landebahn vorgesehen war. Auf dieser Fläche wollen wir eine der größten PV-Anlagen in NRW entwickeln. Die Gemeinde Greven hat dazu nun einen positiven Aufstellungsbeschluss beschieden. Wir hoffen, dass die weiteren Genehmigungsverfahren bis Ende 2026 durchgeführt werden und dann ab Anfang 2027 mit der Errichtung der Anlage begonnen werden kann.
_ Welche Rahmenbedingungen würden dem FMO im internationalen Wettbewerb insbesondere mit Blick in die Niederlande guttun?
Wir freuen uns, dass im vergangenen Jahr über 100 000 Fluggäste aus den Niederlanden den FMO genutzt haben. Daran wird deutlich, dass Luftverkehr keine nationale Angelegenheit ist. Umso bedenklicher ist es, wenn dann gerade ausländische Fluggesellschaften betonen, dass der Standort Deutschland nicht im Fokus einer positiven Wachstumsstrategie liegt. Kaum eine Branche ist in den letzten Jahren so stark von Steuern und Gebühren belegt worden wie der Luftverkehr in Deutschland.
_ Der FMO ist ein wichtiger Standortfaktor, wenn es um direkte und indirekte Arbeitsplätze sowie regionale Effekte geht. Können Sie uns einige Werte nennen?
Vom FMO gehen in der Tat bedeutende Impulse für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft der Region aus. Der Flughafen sorgt für rund 2 900 direkte und indirekte Arbeitsplätze. Der FMO ist darüber hinaus mit einer jährlichen Wertschöpfung von etwa 184 Mio. Euro ein wichtiger Treiber der Leistungsfähigkeit der Region. Und nicht zuletzt generiert er ein jährliches Steueraufkommen von über 30 Mio. Euro in die öffentlichen Haushalte.
_ In Bremen landete im September das erste ­E-Flugzeug. Ein Blick in die Zukunft: Sie erwähnten vor zwei Jahren, dass Sie ab 2026 mit CO2-neutralen Maschinen starten werden, die vollelektrisch und Wasserstoff-hybrid betrieben werden. Wie ist der Stand?
Der FMO verfolgt mit großem Interesse die Entwicklung beim emissionsfreien Luftverkehr. Wir sind mit einigen Unternehmen, die die Technologie in Zukunft einsetzen wollen, in einem interessanten Austausch. Realistischerweise muss man aber festhalten, dass der technische Fortschritt bis zu einem serienreifen Einsatz durchaus herausfordernd und auch langwierig ist. Das in Bremen gelandete Flugzeug verfügt gerade einmal über zwei Sitzplätze. Trotzdem ist die Entwicklung spannend, und für den FMO wären elektrisch betriebene Flugzeuge mit rund zehn Sitzplätzen eine gute Möglichkeit, wieder regionalen Luftverkehr emissionsfrei durchzuführen.
Anke Schweda
Standortentwicklung, Innovation und Energie
Geschäftsbereichsleiterin, Mitglied der Geschäftsführung