Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,
die gute Nachricht lautet, dass über 60 % der deutschen Stromversorgung im ersten Halbjahr 2024 aus erneuerbaren Energiequellen stammte. Auch in unserer Region gibt es einen starken Zubau an Windkraft- und PV-Anlagen, der – gerade in Kombination mit industriellen Gewerbeflächen und hochqualifizierten Fachkräften – zum Standortvorteil des Nordwestens werden kann.
Dies ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn, und dies ist die schlechte Nachricht, für die Wirtschaft insgesamt ist die Energiewende gerade beim Strom mit enorm hohen Kosten verbunden. Ein „grünes Wirtschaftswunder“ zeichnet sich, anders als von Politkern versprochen, noch nicht annähernd ab. Im Gegenteil: Mehr als die Hälfte der Unternehmen berichten uns, dass die Energiewende negative Auswirkungen auf sie habe, nur 10 % sehen sie positiv. Energieintensive Betriebe, von Chemie bis Metall, ächzen seit Monaten unter den dramatisch gestiegenen Netzentgelten, wohl wissend, dass dies erst der Anfang ist: Denn: Für den Ausbau des Gesamtnetzes aus Leitungstrassen, Konvertern und der Verstärkung des Verteilnetzes kalkuliert der Bundesrechnungshof inzwischen Kosten von bis zu 460 Mrd. Euro. Aber die Frage, wer dies denn bezahlt, ist bis heute politisch unbeantwortet.
Über diese Ambivalenz der deutschen Energiewende spricht in unserem Titelinterview auch der CEO der Georgsmarienhütte Gruppe, Dr. Alexander Becker: Auf der einen Seite hat sich die GMH Gruppe mit ihrem Elektrostahlwerk in Georgsmarienhütte nämlich ambitionierte ökologische Ziele gesetzt: Sie will bis 2039 klimaneutral werden und dann grünen Stahl mit grünem Strom erzeugen. Auf der anderen Seite konterkarieren ausgerechnet die steigenden Netzentgelte beim Strom diese Bemühungen.
Darüber hinaus berichten wir im Schwerpunkt dieses Heftes von kleineren und großen Vorhaben aus der Region, die Chancen der Energiewende zu nutzen: etwa von einem großen Batteriespeicher in Meppen, von der Herstellung von Betonfundamenten für Ladesäulen und Wärmepumpen in Schüttorf oder von den Chancen, die sich durch die Windplanungen der Landkreise auftun. Allerdings zeigt sich auch an diesen Beispielen, wie Bürokratie oder mangelnder politischer Wille Entwicklungen blockieren, beispielsweise beim Thema Biogas. Hier sind also bessere Lösungen gefragt.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich eine informative Lektüre.
Marco Graf
IHK-Hauptgeschäftsführer
Dr.Johannes Lis
Standortentwicklung, Innovation und Energie
Projektleiter Industrie und Energie