Energiezukunft in der Region

von Dr. Johannes Lis, IHK
Die Energiewende nimmt in der Region spürbar Fahrt auf. Mehrere tausend Hektar Fläche weisen der Landkreis Emsland und der Landkreis Osnabrück für Windenergie aus. Der Zubau an Photovoltaik hat 2023 einen Höchststand erreicht. Aber wie profitieren die Unternehmen? Welche Chancen ergeben sich für die Industrie aus der Energiewende? Und wie schreitet der Ausbau der Erneuerbaren voran?
„Auf die Dauer hilft nur Power!“ lautet ein Slogan der Kortmann Beton GmbH & Co. KG aus Schüttorf. Geschäftsführer Julian Krümpel bezieht diesen Satz nicht nur auf die Unternehmensphilosophie, sondern auch auf das Thema Energie. Letzteres war wegweisend, als sich die Grafschafter vor einigen Jahren bewusst für eine Neuausrichtung entschieden. Sie wollten anknüpfen, wo die Energie- und Mobilitätswende den Markt verändert und neue Bedarfe bringt. Heute spiegeln sich die Veränderungen im Produktportfolio wider, das Ladesäulen-Fundamente, Trafo-Stationen oder auch Fundamente für Wärmepumpen umfasst.
Julian Krümpel beschreibt die Entwicklung so: „Wir sind seit Jahrzehnten im Bereich von flüssigkeitsdichten Wannensystemen an Tankstellen oder Chemiewerken tätig. Heute aber ist die Frage: Wer baut noch eine Tankstelle, wenn es nur Elektrofahrzeuge gibt?“ Genau aus diesem Gedanken heraus habe man im Jahr 2019 ein komplettes System für E-Ladesäulen, bestehend aus Fertigteilfundamenten mit Kabeldurchführungen sowie Anfahrschutzpollern, um die Ladesäulen vor Kollisionen zu schützen, entwickelt. Statt auf Massenprodukte setzen Krümpel und der geschäftsführende Gesellschafter Henning Kortmann dabei auf Spezialisierung. Als Beispiel nennen sie die Ladesäulen-Fundamente, die es in über 70 Varianten gibt und die das Unternehmen in 22 Länder liefert – für ein Betonwerk ein außergewöhnlicher Radius.
Innerhalb weniger Jahre, so ist zu hören, sei Kortmann Beton in diesem Segment zum Marktführer für E-Mobilität in Europa geworden. 16 Mio. Euro wurden dafür u. a. in eine neue Misch- und Dosieranlage investiert. Aktuell ist das Unternehmen am Projekt „Deutschlandnetz“ beteiligt, einem öffentlich geförderten Verbund von bundesweiten Schnellladestationen. Acht der zehn Betreiber der Ladeparks für das Deutschlandnetz – darunter ARAL, E.ON, Shell oder Siemens – beziehen die Betonfertigteile aus Schüttorf.

Windenergie

Mit dem Thema Windenergie befasst sich Johannes Busmann, Geschäftsführer der Prowind GmbH aus Osnabrück. Den Schwung neuer Energien nutzt er bereits, seit er vor über 30 Jahren sein erstes Windrad in der Grafschaft Bentheim in Angriff nahm. Stand heute hat die Prowind GmbH Projekte von über 800 MW geplant. „Viele weitere sollen dazu kommen“, sagt Busmann. Grundlage dafür sind die Planungen der Landkreise. Diese wurden von Bund und Land mit gesetzlichen Regelungen dazu aufgefordert, Flächen für Windenergie zur Verfügung zu stellen.
Während dabei in der Grafschaft Bentheim auf Regelungen auf Ebene der Gemeinden und Samtgemeinden gesetzt wird, wollen die Landkreise Emsland und Osnabrück die verbindlichen Vorgaben für die Windenergieflächen mit Regionalen Raumordnungsprogrammen (RROP) umsetzen. In Osnabrück wird das gesamte RROP neu aufgesetzt. Weil immer neuer Anpassungsbedarf besteht, geht man dort mittlerweile bereits in die dritte Auslegungsrunde. Entsprechend groß ist die Ernüchterung bei vielen Projektierern. Für den Januar 2025 ist die nächste Auslegung angesetzt. Nach Landesvorgaben muss der Kreis 1,51 % seiner Fläche für Windenergie zur Verfügung stellen, ausgewiesen hat er im derzeitigen Entwurf 2,2 %.
Das Resümee von Johannes Busmann: „Wir haben die Notwendigkeit des Klimaschutzes und den Wert regionaler erneuerbarer Energien verstanden.“ Mit dem Zeitverzug zeigt er sich aber unzufrieden: „Für uns ist es ärgerlich, dass dieses Verfahren durch eine dritte Auslegungsrunde noch ein halbes Jahr verzögert wird, da wir viele Ressourcen auf den angekündigten Zeitplan gesetzt haben.“ Aus diesem Grund fordert er, der Landkreis müsse mehr Ressourcen für diese wichtige Planung bereitstellen: „In anderen Landkreisen ist man deutlich weiter.“ Dass der Ausbau der Windenergie Vorteile für Unternehmen hat, trug er kürzlich in einer IHK-Veranstaltung zu Direktstromlieferverträgen vor. Sein Argument: „Unternehmen können sich so langfristig mit grünem Strom versorgen.“
Im Landkreis Emsland hat man sich mehr Tempo vorgenommen, will nur das Teilprogramm Windenergie neu fassen. Dort hat eine erste Auslegung stattgefunden und wurde als Zeitpunkt der Jahresanfang 2025 zum Ziel gesetzt. Lena Gertken ist Geschäftsführerin der Raiffeisenwindpark Ems-Vechte Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH aus dem emsländischen Klein Berßen. Im Emsland und in der Grafschaft hat das Unternehmen zahlreiche Windparks realisiert. „Das zügige Verfahren schafft Klarheit und Planungssicherheit“, lobt sie. Insgesamt sollen über 9 000 Hektar als Windvorranggebiet ausgewiesen werden. „Wir nehmen eine positive Grundstimmung wahr, von den Anlagen profitiert die gesamte Region“, sagt Lena Gertken. Busmann sieht das ähnlich, spricht von „guter lokaler Akzeptanz.“
Den Ausbau der erneuerbaren Energien fordert auch die IHK-Organisation und wirbt bundesweit für das Konzept der Strompartnerschaft. Dabei fordert sie einen 25 %-igen Investitionszuschuss für Anlagenbetreiber und die Senkung der Netzentgelte um 2 Cent pro Kilowattstunde, wenn Unternehmen langfristig Strom direkt aus PV- und Windanlagen verwenden. Die IHK unterstützt damit das Modell der sogenannten Power Purchase Agreements (PPA), also von Verträgen zur Lieferung von Grünstrom an Unternehmen, die sich längerfristig für eine Abnahme verpflichten.

Batteriespeicher

Sichtbar ist der Standortfaktor erneuerbare Energien jetzt auch bei der Neuansiedlung eines Batteriespeichers in Meppen-Hüntel, der ab 2028 einsatzbereit sein soll. Am ehemaligen Gaskraftwerksstandort in direkter Nähe zum Umspannwerk entsteht ein 300 MW-Speicher der Harmony Energy GmbH aus München. Bisher war das Unternehmen nur in Großbritannien und Frankreich aktiv, jetzt folgen Projekte in Deutschland.
„In Meppen wurden die Planungsgrundlagen geschaffen. Das Projekt hat für uns höchste Priorität“, sagt Geschäftsführer Tobias Kriete. Kreis- und Stadtverwaltung hätten die ersten Schritte mit Engagement begleitet. „Das zeichnet die Region aus“, sagt Kriete und nennt die gute Kooperation als Standortfaktor. Zudem ist für ihn die Nähe zum Umspannwerk entscheidend. So könne Harmony Energy Strom an der Börse handeln und gleichzeitig wichtige Netzdienstleistungen für den Netzbetreiber Amprion erbringen. Dazu gehöre auch eine „Schwarzstartfähigkeit“. Das heißt: Der Batteriespeicher bietet Energie zum Start nach einem Zusammenbruch des Netzes und erhöht so die Versorgungssicherheit in der Region. Neben der Versorgungssicherheit gäbe es weitere Effekte für die regionale Wirtschaft. U. a., weil für Bauarbeiten oder Wartungen im späteren Betrieb auf regionale Anbieter zurückgegriffen werden soll.

Biogasanlagen

Einen ähnlichen Schub wie bei Wind und Photovoltaik wünscht sich die Biogasbranche. Mehr als 1 500 Biogasanlagen gibt es in Niedersachsen laut dem Landesverband für erneuerbare Energien, etwa 300 in unserer Wirtschaftsregion. Die niedersächsischen Anlagen haben zusammen eine Leistung von über 1 000 Megawatt. Viele der Anlagen fallen zeitnah aus der 20-jährigen staatlichen EEG-Förderung heraus. Und weil ein Konzept für die weitere Nutzung fehlt, stehen viele der Anlagen vor dem Aus. Unverständnis hatte sich in der gesamten Branche breit gemacht, weil die Anlagen in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung keine Rolle spielen.
Das sieht auch Bernard Storm so. Der geschäftsführende Gesellschafter des Speller Unternehmens August Storm GmbH & Co. KG beklagt die mangelnde Technologieoffenheit. „Viel zu lange hat die Ampel-Regierung nur auf Elektrifizierung gesetzt. Dabei bietet Strom- und Wärmeerzeugung aus Biogasanlagen enormes Potenzial.“ Tatsächlich hat Bundesminister Habeck nun vor wenigen Wochen ein Biomassepaket angekündigt. Sowohl auf der Ebene der Unternehmen als auch auf Ebene des Gesamtnetzes könnten bestehende Biogasanlagen eine wichtige Rolle spielen, beispielsweise um Einspeiseschwankungen der Wind- und Solarenergie auszugleichen, meint auch die IHK-Organisation in einem Positionspapier. Unternehmer Storm sieht zudem eine wichtige Funktion für die Dampferzeugung in der Industrie. Hier können Biogas-Blockheizkraftwerke Erdgas ersetzen. „Heimisches Biogas und Biomethan müssen ein fester Bestandteil eines zukunftsfähigen Energiesystems sein.“ Eines ist Storm noch wichtig: Deutschland sei international führend in der Biogastechnologie – „und dieser Vorteil darf nicht durch falsche politische Entscheidungen aufs Spiel gesetzt werden!“
Weitere Infos: IHK, Dr. Johannes Lis, Tel. 0541 353-255 und lis@osnabrueck.ihk.de
Dr.Johannes Lis
Standortentwicklung, Innovation und Energie
Projektleiter Industrie und Energie