„Europa gehört denen, die wählen“

von Christian Weßling und Dr. Beate Bößl, IHK
Das  Transport- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG mit Sitz in Osnabrück beschäftigt weltweit fast 14 000 Menschen und zählt gut 240  in 54 Ländern. Es ist damit das Unternehmen im IHK-Bezirk, das mit Abstand die meisten Niederlassungen in Ländern der Europäischen Union unterhält. Insofern liegt es nahe, dass sich gerade dieses Familienunternehmen mit den Vorzügen und Herausforderungen der EU beschäftigt. Wir sprachen mit dem Gesellschafter Klaus Hellmann ­darüber, was er persönlich mit der EU verbindet.
ihkmagazin 0524 Cover
„Europa gehört denen, die wählen.“ Das sagt Klaus Hellmann, Gesellschafter, Hellmann Worldwide Logistics SE & Co. KG, Osnabrück. © IHK
Herr Hellmann, was sind für Sie die Koordinaten der Europäischen Idee?
Die Europäische Idee lebt durch ihre demokratischen Werte und bietet uns einen Lebensraum von weltweit unvergleichbarer Sicherheit und Freiheit. Unser geeinter Binnenmarkt ist für Deutschland als führende Exportnation und auch für den Wirtschaftsstandort Osnabrück von unschätzbarem Wert. Als Unternehmer weiß ich das Privileg des freien Handels besonders zu schätzen. Gleichzeitig hat uns das vergangene Jahrzehnt eindrücklich gezeigt, dass die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit keinen Halt vor Grenzen machen – sie lassen sich nur gemeinsam angehen. Der ­demokratische Appell gilt daher mehr denn je: Zeigt Eure Stimme und lasst uns zusammen stark werden für die ­Zukunft Europas. Europa gehört denen, die wählen.
Die Europawahl ist in Deutschland am 9. Juni 2024. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, das Wahlrecht zu nutzen?
Wer wählt, gestaltet die Zukunft. Wer seine Stimme nicht abgibt, akzeptiert ein unbekanntes Wahlergebnis. Europa ist durch seine demokratischen Werte geeint. Und ein sicherer Raum für die Bürger Europas in einer Welt, die durch Konflikte geprägt ist. Das sollten wir zu schätzen wissen und durch unsere Partizipation stärken. Gerade in einer Welt, die immer vernetzter und komplexer wird, kann vieles nur noch in Zusammenarbeit angegangen werden. Die Pandemie hat uns das gezeigt. Zum Beispiel die Digitalisierung oder der Klimawandel fordern jetzt ein gemeinsames Handeln.
Einmal abseits von den Details, die oft in der Kritik stehen: Wie bewerten Sie das grundsätz­liche Potenzial der Europäischen Union?
Sicherheit, Migration, Umweltschutz oder Verbraucherschutz: Die EU verabschiedet Gesetze von grenz­überschreitender Tragweite. Das heißt zugleich, dass sie unser aller Lebensbedingungen gestaltet. Daher sollten wir die EU-Politik durch unsere Teilnahme an den Wahlen aktiv lenken. Dies trägt auch dazu bei, die demokratischen Prozesse in Europa zu stärken sowie die europäische Integration und den Wirtschaftsstandort Europa zu fördern. Das wiederum stellt sicher, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in der EU angemessen vertreten werden. EU steht für Sicherheit und wirtschaftliche Stärke. Um das beizubehalten, müssen wir sie stärken, ­indem wir uns beteiligen.
Die EU, und hier insbesondere der Binnenmarkt, hat der deutschen Wirtschaft und den Verbrauchern zahlreiche Vorteile gebracht. Gleichzeitig gibt es oftmals auch EU-Skepsis…
Freier Handel kurbelt aus meiner Sicht die Wirtschaft an und fördert damit den Wohlstand. Der EU-Binnenmarkt ist dabei einer der mächtigsten Handelsblöcke der Welt und freier Warenfluss in Europa ist ein Privileg. In der Logistik können wir Güter ohne Zollschranken transportieren, was Kosten reduziert und so die Wettbewerbsfähigkeit steigert. Davon profitiert die EU als Wirtschaftsstandort insgesamt. Davon profitieren aber auch die Verbraucher. Dennoch läuft in der EU längst nicht alles rund. In vielen Fällen klagen Betriebe über zu viel Bürokratie. Hier würde ich mir sehr oft viel schlankere Prozesse wünschen. Denken wir beispielsweise nur einmal an den enormen Bürokratieaufwand bei der Entsendung von Arbeitskräften in ein anderes europäisches Land. 
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Herausforderungen der EU?
Eine der Herausforderungen zeigt sich beim Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz. Für viele Bürger ist die EU „weit weg“ und sie ist als politische „Institution“ sehr komplex. Was auf Landesebene bereits kompliziert ist, wird auf internationaler Ebene noch schwieriger. Die Entscheidungsfindung innerhalb der EU-Organe ist kompliziert und für Bürgerinnen und Bürger nicht ausreichend transparent, was für Skepsis sorgt. Deshalb ist es wichtig, die EU sichtbar zu machen, ihre Bedeutung klar zu kommunizieren und zu verdeutlichen: Insgesamt hat die EU einen Lebensraum geschaffen, der geprägt ist von Sicherheit, Stabilität, Frieden und Wohlstand. Das ist ein Privileg, das wir schützen und stärken sollten.
Welche Rolle hat die europäische Integration in den vergangenen Jahrzehnten bei der Erweiterung Ihrer internationalen Geschäftstätigkeiten gespielt?
Die EU ist für Hellmann als Unternehmen wichtig. Genauso wie für die Logistikbranche und die Wirtschaft insgesamt. Die Bedeutung des Binnenmarktes und Freihandels hatte ich bereits genannt. Die EU ist aber zum Beispiel auch mit Blick auf die Infrastrukturinvestitionen wichtig: Sie investiert ­beträchtliche Mittel in die Entwicklung von Verkehrsinfrastrukturprojekten. Diese Investitionen tragen dazu bei, Engpässe zu beseitigen, die Effizienz der Logistikketten zu verbessern und den Warentransport in der EU zu erleichtern. Dennoch brauchen wir noch mehr Harmonisierung, grenzüberschreitende Infrastrukturinvestitionen und -planungen.
Und was die Förderung von Innovation und Technologie betrifft: Die EU unterstützt die Logistikbranche bei deren Einführung, um die Effizienz zu steigern und Umweltauswirkungen zu reduzieren. Dies umfasst u. a. Initiativen zur Förderung von ­digitalen Technologien, intelligenten Verkehrssystemen, sauberer Energie und umweltfreundlichen Transportmitteln.
Themen, die gerade für Ihre Branche von hoher Relevanz sind …
Richtig, denn unsere zentrale Frage ist: „Wie können wir die Logistik nachhaltiger aufstellen und CO2-Emissionen reduzieren?“ Diese großen Themen können wir nur gemeinsam grenzüberschreitend angehen.
Können Sie uns Beispiele für erfolgreiche Initia­tiven der EU nennen, die sich positiv auf Ihr Unternehmen ausgewirkt haben?
Neben dem EU-Binnenmarkt ist die Freizügigkeit der Arbeitskräfte für uns als Logistikdienstleister enorm wichtig. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Bei Hellmann in Deutschland und hier am Standort in Osnabrück arbeiten viele Kollegen aus EU-Mitgliedsstaaten. Wir stehen für Diversität und Toleranz – Werte, die auch die EU fördert. Ein weiteres Beispiel positiver Effekte sind die Transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN-T). Das TEN-T-­Programm der EU fördert die Entwicklung von Verkehrsinfrastrukturprojekten in Europa, darunter Straßen, Schienen, Wasserstraßen und Flughäfen. Durch die Unterstützung von Infrastrukturprojekten können deutsche Logistikunternehmen von besserer Konnektivität und Effizienz in der Transport- und Logistikbranche profitieren.
Zum Abschluss: Fühlen Sie sich eher als Deutscher oder als Europäer?
Ich fühle mich als deutscher Europäer. Deutschland ist ein wichtiger Teil von Europa. Wenn ich im Ausland reise, spreche ich eher von Europa als von Deutschland.        
Christian Weßling
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiter Wirtschaftspolitik und -statistik
Dr.Beate Bößl
Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftspolitik, International
Projektleiterin Öffentlichkeitsarbeit