Bürokratie und Energiekosten wiegen schwer

Über die Hälfte (53 %) der Unternehmen aus der Region ­berichten in der IHK-Energie-Umfrage, dass die Energiepreise ihrer ­Wettbewerbsfähigkeit schaden. Wir haben bei Unternehmen ­nachgefragt, wie sie die Energieversorgung bewerten.
Als die Bundesregierung 2022 die Zeitenwende ver­kündete und von übergeordnetem öffentlichen Interesse an einer zü­gigen Energiewende sprach, war das für Dr. Dirk Deppe eine ­Ermutigung: Der Grafschafter führt in 5. Generation die Deppe Backstein-Keramik GmbH in Uelsen. Den jährlichen Gasverbrauch beziffert er auf 40 Mio. kWh, den Stromverbrauch auf 3,6 Mio. kWh. Der Handlungsdruck ist also ohnehin groß, aber die politische Agenda verspricht ihm beschleunigte Genehmigungsverfahren. Zur Stromversorgung der Ziegelei plant Deppe eine Windkraftanlage. Die Realität holt den Unternehmer jedoch schnell ein: Monatelange Voruntersuchungen in Sachen Natur- und Artenschutz lassen das Vorhaben lange im Schwebezustand. Dann die ernüchternde Nachricht: Ein Fledermausgutachten fordert die Nachtabschaltung der Anlage von März bis November. Und so mischen sich in die Pläne immer mehr Frust und Enttäuschung.
Was Dr. Dirk Deppe beschreibt, zeigt auch die IHK-Umfrage zur Energieversorgung: 97 % der Unternehmen fordern, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Es ist damit die wichtigste Forderung der Unternehmen an die Politik. Zudem zeigt die Umfrage, dass wegen der hoher Energiepreise eine Verlagerung für immer mehr Unternehmen eine Rolle spielt. „Ein Drittel der In­dustriebetriebe verlagert Teile der Produktion bereits ins Ausland oder plant es. Das ist mehr als besorgniserregend“, so Anke Schweda, IHK-Geschäftsbereichsleiterin Standortentwicklung, Innova­tion und Energie. Für Deppe kommt eine Verlagerung nicht infrage: „Eine Ziegelei kann nicht mal eben umziehen. Wir sind auf die Nähe zum lokalen Rohstoff Ton angewiesen. Wenn die Politik energie­intensive Produktion in Deutschland halten will, dann braucht es andere Rahmenbedingungen.“
Nils Meyer-Pries, CEO bei der Fuchs Gruppe in Dissen, bewertet die wirtschaftliche Situation insgesamt als herausfordernd. Auch die Bürokratie führe zu steigenden Kosten. So entstünden in vielen Bereichen neue Anforderungen – inhaltlicher und formaler Art sowie Berichtspflichten. Steigende Energiekosten sieht er branchenübergreifend als eine Belastung. Daher habe das Unternehmen schon vor der Energiepreisentwicklung stark in die Verringerung des Energiebedarfs ­investiert: „Auch vor dem Hintergrund unserer Nachhaltigkeits­initiativen.“ Und auch wenn er nachvollziehen könne, dass sich Investitionen im Ausland aufgrund der Gesamtlage für viele Unternehmen wirtschaftlich attraktiv(er) darstellen, setzt er weiterhin auf den Standort Deutschland. „Unser internationales Geschäft ist und bleibt eine tragende Säule unseres Geschäfts. Doch der nationale Markt mit unseren nationalen Standorten ist und bleibt Treiber unserer Aktivitäten.“
Vor einigen Wochen hat der ostwestfälische Konzern Miele seine Produktionsverlagerung nach Polen öffentlich gemacht. Nicholas Delkeskamp wird diese Verlagerung konkret spüren: Er führt die Delkeskamp Verpackungswerke GmbH in Nortrup. Über 260 Tonnen Eck- und Bodenpolster aus Schaumstoff liefert er jährlich nach Gütersloh. „Wenn dort die Waschmaschinenproduktion zurückgefahren wird oder ganz wegfällt, dann fehlen die Aufträge hier“, sagt Delkeskamp. Am Ende könnte dem Unternehmer jede fünfte Tonne aus seinem Auftragsbuch fehlen. Überraschend kommt die Verlagerung für ihn nicht: „Die energie- und wirtschaftspolitische Situation in Deutschland ist nicht gut. Solche Verlagerungen sind dann konsequent. Die Politik sollte handeln, um den Industriestandort zu retten.“
Delkeskamp Verpackungswerke GmbH,
Delkeskamp Verpackungswerke GmbH, © (C)2023 Rolf Kamper
Die drei Beispiele zeigen Handlungsbedarf auf: „Einerseits müssen die Netzentgelte deutlich gesenkt werden, die stark belasten. Andererseits braucht es eine Straffung der Genehmigungsverfahren. Hier ist die Politik deutlich gefordert, wenn sie den Industriestandort erhalten will – insbesondere die vielen kleinen und mittleren Betriebe. Die Energiewende gelingt nicht, wenn Planungen für Windräder mehr als fünf Jahre dauern. Noch mehr Unternehmen werden ihre Produktion verlagern, wenn die Strompreise nicht wettbewerbsfähig sind und wenn Bürokratie nicht spürbar und schnell abgebaut wird“, fordert Anke Schweda.
Dr.Johannes Lis
Standortentwicklung, Innovation und Energie
Projektleiter Industrie und Energie