Globale Lieferketten

von Yunus Güngördü, IHK
Arbeits- und Schutzkleidung stellt besondere Anforderungen an Qualität und Funktionalität. Bei der Rofa Bekleidungswerk GmbH & Co. KG wird daher - wie auf dem Bild zu sehen- vieles weiterhin in Handarbeit gefertigt. Hierfür benötigt es Mitarbeiter, die nicht zur Liebe zum Detail, sondern auch ein besonders hohes Know-how vorweisen können.
Der Außenhandel war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Wachstumstreiber für die regionale Wirtschaft und ein bedeutender Jobmotor. Doch aktuell ist dieser Wachstumspfad durch die Auswirkungen globaler Krisen bedroht. Politische Konflikte, Probleme bei Lieferketten, die stetige Zunahme von Handelshemmnissen und steigende Energie- und Rohstoffpreise stellen für viele Unternehmen eine nie dagewesene Herausforderung im internationalen Wettbewerb dar.
In einer globalisierten Wirtschaft sind stabile Lieferketten für Unternehmen von entscheidender Bedeutung und ein wichtiger Faktor für unternehmerischen Erfolg. Gleichzeitig sind Lieferketten anfällig für Störungen. Auslöser solcher Störungen sind beispielsweise die Auswirkungen der Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die steigenden Energie- und Rohstoffpreise oder auch der weltweit weiterhin zunehmende Protektionismus. Störungen in der Lieferkette können dabei erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben. Insbesondere, wenn es sich bei den betroffenen Gütern um wichtige Komponenten oder Rohstoffe handelt, die für die Produktion oder den Vertrieb von Produkten oder Dienstleistungen benötigt werden.
In der betrieblichen Praxis spüren viele Unternehmen diese Beeinträchtigungen durch längere Wartezeiten, höhere Kosten für Rohstoffe und Transport sowie, schlussendlich, Ertragseinbußen. Eine aktuelle Umfrage unserer IHK spiegelt die negativen Effekte wider: Fast ein Zehntel der befragten Unternehmen geben darin an, dass sich ihre Finanzlage aufgrund der Störungen in der Lieferkette verschlechtert hat. Und fast jeder fünfte Befragte gab an, er befürchte den Abbruch von Geschäftsbeziehungen.
Unternehmen reagieren dabei auf Störungen in der Lieferkette mit unterschiedlichen Maßnahmen. Die am weitesten verbreitete Maßnahme ist die Weitergabe von Preissteigerungen. In der Analyse unserer IHK wird deutlich, dass dies insbesondere bei Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern der Fall ist. Im Umkehrschluss heißt dies: Kleinere Unternehmen sind häufig nicht in der Lage, Preissteigerungen direkt weiterzugeben. Sie sind in diesem Punkt demnach von den Störungen der Lieferketten in besonderem Maße betroffen.
Mit dem Wissen um die Störungen der Lieferketten haben 35 % der Unternehmen ihre Läger aufgefüllt. Gleichzeitig sind es auch hierbei die kleineren Unternehmen, die aufgrund von fehlenden Kapazitäten weniger in der Lage sind zu reagieren. Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Insgesamt sind mehr als ein Drittel aller Unternehmen (32 %) auf der Suche nach neuen Lieferanten. Dies geschieht insbesondere in Deutschland, in der EU und in China. Bei einer Differenzierung nach Unternehmensgröße wird klar: Diese Maßnahme nutzen insbesondere größere Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern. So sind 46 % der Unternehmen in dieser Gruppe auf der Suche nach neuen Lieferanten, während es nur 24 % der Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern sind. Es ist davon auszugehen, dass dies daran liegt, dass kleineren Unternehmen schlichtweg geringere personelle Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Geografische Unterschiede

Es gibt jedoch geografische Unterschiede in der Betroffenheit durch die Störungen in den globalen Lieferketten. Insbesondere Unternehmen, die auf geografisch weiter entfernten Märkten aktiv sind, sind stärker betroffen. Besonders betroffen sind laut unserer aktuellen IHK-Auswertung Branchen wie das Bau- oder das verarbeitende Gewerbe sowie der Handel. Auch die Textilbranche blieb von Lieferkettenstörungen nicht verschont, weiß Andre Göhlmann, Manager logistics and customs clearance bei Hemmers Itex, Textil Import Export GmbH in Nordhorn, zu berichten. Er sagt: „Lieferanten in Asien hatten Materialengpässe, die Problematik der Leercontainergestellung, lange Laufzeiten der Reederei ex Asien sowie lange Wartezeiten an den europäischen Empfangshäfen sorgten für verlängerte Lieferzeiten.“
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Komplexe Wege: In der Containerschifffahrt waren die Störungen bei globalen Lieferketten besonders deutlich spürbar. © @donvictorio
Auf die Frage, ob weitere Änderungen in den Lieferketten zu erwarten sind, antwortet Göhlmann: „Nach Rücksprache mit unseren Dienstleistern werden kurzfristig keine weiteren Änderungen in den Lieferketten erwartet.“ Trotz dieser eher positiven Prognosen sei es für sein Unternehmen wichtig, auf Veränderungen oder Probleme in der Lieferkette flexibel reagieren zu können. Damit dies gelingt, stehe das Unternehmen in einem stetigen Austausch mit Lieferanten und Dienstleistern. Ziel sei es, alternative Verladeoptionen zu prüfen und logistische Abläufe zu optimieren.
Um Lieferketten resilienter zu gestalten, sind laut Göhlmann moderne digitale Technologien und die Unterstützung von Dienstleistern entscheidend. „Eine intelligente und autonome Lieferkette sowie eine flexiblere und ergonomischere Gestaltung der operativen Prozesse können dabei helfen, Engpässe und Verzögerungen zu minimieren“, erklärt er. Auch die Unterstützung von Dienstleistern bei der Rekrutierung von Fahrern kann helfen, Personalengpässe zu überwinden. Zu den Beschaffungsmärkten, die für sein Unternehmen im Fokus stehen, berichtet er: „Im Fokus stehen die Beschaffungsmärkte in Asien, in der Türkei und in Europa.“ Ein Trend zum Nearshoring, also der Verlagerung von betrieblichen Tätigkeiten ins nahe Ausland, ist für sein Unternehmen jedoch nicht relevant.

Resilienz durch Diversifizierung

Um verlässliche Lieferketten und eine international wettbewerbsfähige Exportwirtschaft in der Region zu ermöglichen, muss politisch weltweit protektionistischen Tendenzen entgegengewirkt werden. Es wäre zudem auch wenig opportun, weitere bedeutende Beschaffungs- und Absatzmärkte in Frage zu stellen, insbesondere nach dem Ausfall Russlands als günstiger Energie- und Rohstofflieferant und Absatzmarkt. China bleibt ein unverzichtbarer Beschaffungsmarkt für die regionale Wirtschaft. Deutschland und die EU sollten auch wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen anderer Staaten entgegenwirken, indem sie die einschlägigen Mechanismen der WTO nutzen.
Um Exportchancen zu nutzen, müssen neue Handelspotenziale erschlossen werden. Dafür ist eine souveräne Handelsagenda der EU mit dem Ziel von freiem und fairem Handel weltweit notwendig. Der Ausbau von Handelsabkommen und die Sicherstellung guter Handelsbeziehungen müssen dabei Priorität haben. Deutschland und die EU sollten sich für bilaterale Freihandelsabkommen mit einzelnen Ländern wie den USA oder mit Wirtschaftsregionen wie dem Mercosur einsetzen. Solche Handelsabkommen können dazu beitragen, Lieferketten zu diversifizieren und die Wirtschaft resilienter gegen Krisen zu machen. Es ist zudem wichtig, dass die Bestrebungen der Wirtschaft zur Diversifizierung der Lieferketten nicht durch zusätzliche bürokratische Maßnahmen wie das Lieferkettengesetz beeinträchtigt werden. – Dass die Erfüllung der Vorgaben, die durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKsG) entstanden sind, jedoch kein Selbstläufer ist, bestätigt Henning
Rost, Prokurist bei der ROFA Bekleidungswerk GmbH & Co. KG in Schüttorf: „Obwohl uns das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aufgrund unserer Mitarbeiterzahl noch nicht direkt betrifft, haben wir uns im Unternehmen schon entsprechend aufgestellt.“
„Unsere großen Kunden“, sagt Rost, „haben uns schnell mit in die Pflicht genommen“. Aber auch unabhängig davon habe man zu seiner Verantwortung für gute Bedingungen in der Lieferkette stehen wollen. „Wir haben daher ein Risikomanagement und ein Beschwerdeverfahren im Unternehmen eingeführt und in einer Grundsatzerklärung festgelegt, die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zu beachten“. Diese Grundsätze würden bei den bestehenden Lieferbeziehungen und der Auswahl neuer Lieferanten konsequent umgesetzt. „Letztendlich gibt das allen Beteiligten, sowohl uns als auch unseren Partnern, die nötige Sicherheit“, erklärt Rost.
Neben den neuen bürokratischen Herausforderungen, die durch das LKsG geschaffen wurden, besteht weiter auch auf EU-Ebene großer Handlungsbedarf. Etwa bei der Entsendung von Mitarbeitern. Die Entsenderichtlinie und umfangreiche Meldevorschriften innerhalb der EU bleiben problematisch und müssten dringend vereinfacht werden. Verbesserungspotenzial besteht auch auf Landesebene. Notwendig sind systematische Standortmarketingmaßnahmen, um Investitionsvorhaben zu unterstützen und Teilregionen zu fördern. Auf lokaler Ebene können Wirtschaftsförderungen und die IHK, Betrieben bei der Erschließung von Auslandsmärkten helfen.
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