„Startups können einTurbo für Innovationen sein“

von Robert Alferink, IHK
Andreas Bernaczek gründete 2019 Cornexion und leitet heute gemeinsam mit Bastian Papen die GmbH mit Sitz in Lingen (Ems). Gemeinsam ermöglichen sie mittel­ständischen Unternehmen aus dem ländlichen Raum den Zugang zu Innovationen. Hierzu nutzen sie ihr Wissen der überregionalen Startup-Szene. – Wir fragten nach.
Herr Bernaczek, was macht die Cornexion GmbH genau?
Wir wollten Cornexion ursprünglich zu einem klassischen „Business Angel Club“ für Mittelständler machen. Die Mitglieder sollten sich finanziell an Startups beteiligen und ihr Know-how und ihre Kontakte einbringen. Wir haben dann aber gelernt, wie wertvoll es für beide Seiten ist, wenn wir mit Kooperationen und strategischen Partnerschaften starten, um erst einmal gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Das Investment kommt dann schon fast automatisch. Hierfür holen wir Startups aus ganz Deutschland in die Region. Dabei geht es um Win-Win-Situationen. Denn die Unternehmen im ländlichen Raum wissen oft gar nicht, wie interessant sie durch ihre Erfahrung und Möglichkeiten für Startups z. B. aus Berlin oder München sind. So wollen wir unseren Beitrag zum Innovationstransfer in den ländlichen Raum leisten.
War der Standort Lingen dabei eine bewusste Entscheidung?
Bastian und ich kommen beide aus der Region, er aus dem Emsland, ich aus Ostfriesland. Zudem wohne ich in Lingen. Somit war die Standortwahl  relativ einfach. Lingen ist zudem eine dynamisch wachsende Stadt und ein Hotspot im Emsland.
Cornexion ist mittlerweile an drei Standorten mit Innovations-Hubs vertreten. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Im Rahmen der jeweiligen regionalen Netzwerke treffen sich unsere Mitglieder und Partner auf Geschäftsführerebene zu Veranstaltungen. Wir haben mit dem Conventure Club in der Region Emsland und Grafschaft angefangen. Inzwischen sind der Sealevel Conventure Club und maakwi connect hinzugekommen. Die drei Netzwerke, die wir auch „Hubs“ nennen, sind jeweils auf bestimmte Regionen abgestimmt und veranstalten eigene Events. Der Sealevel Conventure Club ist beispielsweise unser Hub für Friesland, Ostfriesland und Wilhelmshafen. Der Conventure Club hingegen betreut das Emsland und die Grafschaft und maakwi das nördliche NRW rund um Heek. An jedem Standort werden wir von regionalen Partnern unterstützt.
Und wie funktioniert so ein Hub?
Unser Ziel ist die Innovationsförderung unserer regionalen mittelständischen Wirtschaft. Wir laden daher regelmäßig mehrere Startups mit innovativen Ideen aus ganz Deutschland in die Hubs ein. Die Startups pitchen bei uns in kurzen 10-Minuten-Sequenzen in der Regel physisch vor Ort. Die Startups haben immer Bezug zu den Herausforderungen der mittelständischen Unternehmen im Hub. Das sind klassischerweise nicht die Studenten mit einer Powerpoint-Präsentation, sondern bereits am Markt befindliche Unternehmen. Es geht immer um konkrete Ansätze und Business, um Win-Win-Situationen für beide Seiten zu schaffen. Dafür haben wir uns inzwischen auch bei den Startups einen Namen gemacht. Sie kommen sehr gerne aus ganz Deutschland zu unseren Events in den ländlichen Raum.
Wonach werden die Startups ausgewählt?
Es muss ein Mehrwert für unsere Mitglieder da sein. Daher recherchieren wir genau, wen wir einladen und wen nicht. Je nach Mitgliederstruktur der einzelnen Hubs fokussieren wir uns auf einzelne Branchen wie etwa produzierendes Gewerbe, insbesondere Metall- und Maschinenbau und Kunststofftechnik, Logistik oder Tourismus. An Bewerbungen von Startups mangelt es uns nicht.
Welche Aufgaben gibt es noch?
Wir scouten auch ganz gezielt für Unternehmen nach Innovationstreibern. Gibt es etwa eine besondere Herausforderung in einem Unternehmen, dann helfen wir durch gesondertes Scouting nach Startups mit Ideen für dieses Problem. Es ist nämlich nicht immer sinnvoll selbst nach Inhouse-­Lösungen zu suchen. Oft ist es günstiger und schneller, die Lösung für eine Herausforderung einzukaufen. Da werden wir also teils als Ersatz, teils als Ergänzung zur eigenen Innovationsabteilung im Unternehmen tätig. 
Ihr Unternehmen scoutet Startups und begleitet dann den weiteren Kontakt...
Ja, wir scouten und erstellen dann ein Profil der passenden Startups mit weiteren Informationen, die wir dem Unternehmen zur Verfügung stellen. Das Unternehmen entscheidet dann anhand des Profils, ob es Kontakt herstellen möchte. Die Idee ist, dass wir ein 360 Grad-Innovationsnetzwerk sind. Unser Kunde ist nicht das Startup, sondern das mittelständische Unternehmen. Wir wollen den aktuellsten Stand an Innovation am Markt für unsere Mitglieder und Mandanten sichtbar und damit verfügbar machen. Dann machen wir einen ersten Teams-Call. Später sind wir unterstützend vom Spielfeldrand aus tätig. Unsere Rolle ist die des Netzwerkers. Vielleicht auch des Übersetzers zwischen zwei Welten.
Nicht jedes Unternehmen würde so offen mit ­einem bestehenden Innovationsbedarf umgehen…
Es geht tatsächlich sehr um gegenseitiges Vertrauen sowohl auf Seiten der Mitglieder als auch bei den Startups. Über die Zeit – allein im vergangenen Jahr haben wir 40 Veranstaltungen durchgeführt – entsteht aber eine enge Verbindung zu unseren Mitgliedsunternehmen. Die Unternehmen lassen uns in ihren Maschinenraum schauen und wir unterstützen dann quasi als eine Art „Innovationsflatrate“. So können unsere Mitglieder dranbleiben am Stand der Innovation. Innovation ist eines der wichtigsten Themen für die Relevanz des ländlichen Raums in der Zukunft.
Was für Unternehmen nutzen Ihr Angebot? Gibt es da Branchenschwerpunkte?
Unsere Mitglieder reichen vom kleinen Tischler­betrieb, den großen Playern der Region bis zum VfL Wolfsburg als Bundesligist. Wir verstehen uns als offenes Netzwerk. Unsere Mitglieder nutzen uns auch unterschiedlich intensiv. Bewusst sehen wir uns aber als C-Level-Netzwerk. Wir sprechen also konkret die Unternehmenslenkerinnen und -lenker an, wollen schnell und verbindlich zu Lösungen für unsere Mitglieder kommen.
Dazu gehört auch eine gewisse regionale Verankerung.
Ganz genau. Wir bündeln hier die Kräfte der Region, arbeiten stark mit Wirtschaftsförderung und Wirtschaftsverbänden zusammen, mit den Landkreisen, Bürgermeistern oder der IHK und nutzen unser großes Netzwerk. Ziel ist es, die Region zu stärken. Wir sagen deshalb auch immer: „Aus der Region, für die Region.“ Es geht um den Mehrwert für den Mittelstand. Wir haben im ländlichen Raum keine sich selbst tragende aktive Startup-Szene, aber wunderbare Unternehmen, die für die Startups deutschlandweit interessant sind. Die Startups kommen tatsächlich aus ganz Deutschland hierher, um für 10 Minuten zu pitchen, weil sie wissen, dass hier die Kunden und Geschäftspartner sind, die für die Startups interessant sind.
Was sind die Zukunftspläne?
Wir sind offen für eine Expansion mit neuen Hubs in weitere Regionen. Aktuell sind wir von der Küste bis ins Münsterland aktiv und damit gut ausgelastet. Unser Seminarangebot werden wir auf jeden Fall ausbauen. Und wir sind aktuell dabei, einen eigenen Venture Capital Fonds auf den Weg zu bringen, um auch größere Investments von mittelständischen Unternehmen in Startups zu ermög­lichen und zu unterstützen. Wir stellen zudem ­aktuell weiter ein, um uns personell breiter aufzustellen. Das geht natürlich nur in einem tollen Team und das haben wir hier. Sonst würde es auch nicht jeden Tag so viel Spaß machen.
Und wie sehen Sie die Zukunft des ländlichen Raums beim Thema Innovation?
Der technologische Fortschritt, den wir derzeit in vielen Bereichen sehen, wird von vielen als solcher noch gar nicht erkannt. Wir reden hier über radikale und disruptive Innovationen. Hierauf muss sich der Mittelstand einstellen. Und aus unserer Sicht war es noch nie so einfach, sich im Wettbewerb zu differenzieren und durch die Einbindung der Ideen neuer Startups voranzukommen. Das gilt insbesondere im ländlichen Raum. Startups können ein Innovationsturbo sein. Sie sind das Schnellboot für den Tanker Mittelstand.