Arbeitszeiterfassungspflicht für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber
Seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21 steht fest, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeiterfassung ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen. Für viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stellt sich die Frage, inwiefern sie diese Anforderungen zu erfüllen haben. Mit der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe am 03.12.2022 sind nun einige, wenn auch nicht alle Fragen beantwortet.
- Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit
- In welcher Form hat die Arbeitszeiterfassung zu erfolgen?
- Welche Beteiligungsrechte stehen dem Betriebsrat zu?
- Für welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss die Arbeitszeit erfasst werden?
- Ist bei Verstößen gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht mit Geldbußen zu rechnen?
Der Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sieht künftig grundsätzlich eine Pflicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur elektronischen Erfassung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung vor. Weitere Informationen zum Referentenentwurf können Sie hier auf unserer Website abrufen.
Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit
Nach unionsrechtlicher Auslegung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sind Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich zu erfassen und nicht nur die Möglichkeit einer solchen Erfassung bereitzustellen.
Demnach sei die unspezifische und allgemeine Formulierung „für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen“ dahin zu verstehen, dass auch solche Organisationsmaßnahmen umfasst sind, die im Allgemeinen zur Durchführung des Arbeitsschutzes geeignet sind. So sei sicherzustellen, dass die Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 14.5.2019 – C-55/18 bereits klargestellt, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Einrichtung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems“ für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten verpflichtet sind, was dieser damals aus dem Unionsrecht (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie, Arbeitszeitrichtlinie) ableitete.
Nach dem BAG bezieht sich die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber darauf, ein „System“ einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden.
Demnach sei die unspezifische und allgemeine Formulierung „für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen“ dahin zu verstehen, dass auch solche Organisationsmaßnahmen umfasst sind, die im Allgemeinen zur Durchführung des Arbeitsschutzes geeignet sind. So sei sicherzustellen, dass die Regelungen über die Höchstarbeitszeit und die Ruhezeiten eingehalten werden.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 14.5.2019 – C-55/18 bereits klargestellt, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Einrichtung eines „objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems“ für die Erfassung sämtlicher Arbeitszeiten verpflichtet sind, was dieser damals aus dem Unionsrecht (Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie, Arbeitszeitrichtlinie) ableitete.
Nach dem BAG bezieht sich die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber darauf, ein „System“ einzuführen und zu verwenden, mit dem Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Überstunden erfasst werden.
In welcher Form hat die Arbeitszeiterfassung zu erfolgen?
Weder die Entscheidung des BAG, noch das Arbeitsschutzgesetz selbst sehen eine spezifische Form für die Arbeitszeiterfassung vor. Das bedeutet, dass sowohl elektronisch geführte als auch schriftliche Arbeitszeiterfassungssysteme möglich sind.
Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Erfassung den arbeitsschutzrechtlichen Anforderung genügen muss. Das bedeutet, dass es nicht genügt, die Stundenanzahl und den Umstand, dass eine Pause von 30 Minuten gemacht wurde, zu notieren. Vielmehr ist es notwendig Arbeitsbeginn und -ende sowie die Pausenzeiten festzuhalten, z.B.:
- Kalendertag: 1.2.2023; Arbeitsbeginn: 08:00 Uhr; Arbeitsende: 16:30 Uhr; Pause: 30 Min. (12-12.30 Uhr); Dauer: 8 Std.; Bemerkungen:
- Kalendertag: 2.2.2023; Arbeitsbeginn: 08:15 Uhr; Arbeitsende: 17:00 Uhr; Pause: 45 Min. (12-12.30 Uhr; 15-15:30 Uhr); Dauer: 8 Std.; Bemerkungen:
- Kalendertag: 3.2.2023; Arbeitsbeginn: – ; Arbeitsende: – ; Pause: – ; Dauer: 8 Std.; Bemerkungen: Urlaub
- Kalendertag: 4.2.2023; Arbeitsbeginn: – ; Arbeitsende: – ; Pause: – ; Dauer: 8 Std.; Bemerkungen: krank
Auch ist es möglich, die Erfassung der Arbeitszeiten an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu delegieren. Wichtig ist nur, dass die Arbeitszeiten überprüfbar sind und auf Verlangen der zuständigen Aufsichtsbehörde nachgewiesen werden können.
Welche Beteiligungsrechte stehen dem Betriebsrat zu?
Aufgrund der Arbeitszeiterfassungspflicht steht dem Betriebsrat kein Initiativrecht hinsichtlich der Einführung eines Arbeitszeiterfassungssystems zu.
Allerdings kann dieser ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben. Solange und soweit diesbezüglich weder gesetzliche noch tarifliche Regelungen bestehen, solange können die Betriebsparteien Maßnahmen bezüglich der Art und Weise der Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassungssysteme treffen.
Für welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss die Arbeitszeit erfasst werden?
Nach der Entscheidung des BAG betrifft die Pflicht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeiten alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Absatz 1 BetrVG. Für sogenannte “leitende Angestellte” bestehen jedoch in § 5 Absatz 3 BetrVG speziellere Regelungen. Das BAG konkretisiert die Arbeitszeiterfassungspflicht dahingehend, dass sie nur die diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffe, für die der nationale Gesetzgeber nicht auf Grundlage der Arbeitszeitrichtlinie abgewichen ist. Eine solche Abweichung für leitende Angestellte besteht jedoch nur im Arbeitszeitgesetz (ArbZG), nicht jedoch im Arbeitsschutzgesetz, aus welchem das BAG gerade die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ableitet.
Gegen eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bei leitenden Angestellten sprach bereits eine unionsrechtkonforme Auslegung der Vorgaben der Arbeitszeit- und Arbeitsschutzrichtlinien. Nach dem Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes wird die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung künftig im Arbeitszeitgesetz geregelt sein, wobei eine Änderung hinsichtlich der Bereichsausnahmen des § 18 ArbZG nicht vorgesehen ist. Im Ergebnis dürfte die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung sich somit nicht auf leitende Angestellte erstrecken.
Ist bei Verstößen gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht mit Geldbußen zu rechnen?
Ein Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht ist (derzeit) nicht unmittelbar mit einer Geldbuße bewährt. Allerdings kann die zuständige Behörde im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und die verantwortlichen Personen oder die Beschäftigten zur Erfüllung der Pflichten zu treffen haben, die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz und den auf Grund des Arbeitsschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergeben. Sofern einer Anordnung zur Erfassung der Arbeitszeiten in einem solchen Fall durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dann nicht nachgekommen wird, so kann dies mit einem Bußgeld von bis zu EUR 30.000,00 geahndet werden.
Das BMAS hat einen Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes vorgelegt, der sich allerdings noch immer im Gesetzgebungsverfahren befindet. Dieser sieht u.a. vor, dass die Arbeitgeber verpflichtetet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung "elektronisch" aufzuzeichnen. Eine bestimmte Art der elektronischen Aufzeichnung wird nicht vorgeschrieben. Aus der Begründung des Entwurfs ergibt sich, dass neben den bereits gebräuchlichen Zeiterfassungsgeräten auch andere Formen der elektronischen Aufzeichnung, z.B. durch Apps auf einem Mobiltelefon oder durch die Nutzung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme, in Betracht kommen.