Richtungswahl!

von Frank Hesse, IHK
Mit der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar steht eine Richtungsentscheidung bevor. Die IHKs sind zu politischer Neutralität verpflichtet. Ureigene Aufgabe aber ist es, die Interessen der regionalen Wirtschaft zu ermitteln, daraus Forderungen abzuleiten und diese in politische Prozesse einzubringen. Genau dies leisten die „Wirtschaftspolitischen Positionen“ der IHK, mit ­denen wir uns im Vorfeld der Wahl an die politisch Verantwortlichen in der Region wenden.

Politische Rahmenbedingungen müssen stimmen

Ungünstige wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind das „Konjunkturrisiko Nummer 1“ für die ­regionalen Unternehmen. Das zeigen die aktuellen IHK-Konjunkturumfragen (s. auch Seite 17). Mittlerweile befindet sich die Konjunktur im Rezessions-Modus. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt lag 2024 weiterhin nur auf dem Niveau von 2019 – das bedeutet: fünf Jahre ohne Wachstum. Andere Länder sind uns in den letzten fünf Jahren weit davongeeilt. Die EU insgesamt wuchs um 4 %, die USA um 12 % und China um knapp 26 %.
Insofern ist die bevorstehende Bundestagswahl am 23. Februar 2025 eine Richtungswahl. Unsere IHK-Organisation bietet dafür mit den im Dezember von unserer Vollversammlung beschlossenen „Wirtschaftspolitischen Positionen“ der DIHK Orientierung und politische Empfehlungen. Diese bilden die Grundlage für die Interessenvertretung der IHKs. Sie bündeln auf rund 170 Seiten die wichtigsten Handlungsfelder

Neun zentrale Handlungsfelder

Zur besseren Übersicht sind die Empfehlungen an die Politik zusammengefasst und in neun zentrale Cluster eingeteilt (www.dihk.de/de/wirtschafts­politische-positionen). So stehen etwa im Cluster ­„Mittelstand und Unternehmensfinanzierung“ die Stärkung des Mittelstands und verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen im Fokus. „Bürokratieabbau und Verfahrensbeschleunigung“ zielen darauf ab, bürokratische Hindernisse zu reduzieren und Genehmigungsprozesse zu vereinfachen.
Das Thema „Steuern und Staatsfinanzen“ konzentriert sich auf ein wettbewerbsfähiges Steuer­system und nachhaltige Staatsfinanzen. „Energie und Nachhaltigkeit“ sind weitere Schwerpunkte, bei denen eine sichere, bezahlbare Energieversorgung sowie die Förderung nachhaltiger Technologien im Vordergrund stehen.
Der Cluster „Bildung und Fachkräfte“ adressiert die Sicherung und Förderung von Fachkräften sowie die Weiterentwicklung des Bildungssystems. „Außenwirtschaft und Europäischer Binnenmarkt“ spielen eine zentrale Rolle, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und den Binnenmarkt auszubauen. Im Bereich „Rechtsstandort und Rechtssicherheit“ werden Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen und eine erhöhte Rechtssicherheit angestrebt. Die „Digitalisierung und regionale Entwicklung“ fokussieren auf die Nutzung der Chancen der digitalen Transformation sowie die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Regionen. Schließlich widmet sich der Cluster „Forschung und Branchenförderung“ der Förderung von Innovationen und der gezielten Unterstützung von Schlüsselbranchen.

„Wir müssen Gesetze reduzieren“

Etwas grundsätzlicher ging der IHK-Präsident Uwe Goebel es in seiner Rede auf dem Neujahrsempfang an (s. Seite 26). Er nannte drei Prinzipien, an denen sich die Politik orientieren sollte. „Zuallererst sollten wir die Maßstäbe politischer Arbeit verändern, ganz konkret: wir müssen Gesetze reduzieren­anstatt aufzusatteln. Ein Moratorium für neue ­Vorschriften, „one in – two out“, das überflüssige deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – ­alles bekannt. Bleibt festzuhalten, dass die Wirtschaft hier bisher nicht durchdringt“, beklagte Goebel. Immerhin habe die Landesregierung Ende letzten Jahres die Kompetenzen der sogenannten Clearingstelle erweitert, meinte er mit Blick auf ­Ministerpräsident Weil. Sie nehme nun nicht mehr „nur“ neue ­Gesetze, sondern auch bestehende Gesetze unter die Lupe. Dies sei immerhin ein Lichtblick.

Goebel: Politik muss ermöglichen statt regulieren

Zweitens plädierte er dafür, dass Politik mehr ermöglichen müsse anstatt zu regulieren oder zu verbieten. Mehr Vertrauen in die Unternehmerinnen und Unternehmer sei notwendig. Ein Beispiel sei die NIS-2-Richtlinie der Europäischen Union. NIS steht dabei für „Network and Information Security“. Mit dieser Richtlinie möchte die EU Unternehmen besser vor möglichen ­Cyberangriffen schützen. Die Vorgabe verpflichtet bundesweit rund 30 000 Unternehmen, darunter einige hundert in unserer Wirtschaftsregion, zu besonderen IT-Sicherheitsmaßnahmen. Bei Nichteinhaltung drohen – ähnlich wie schon beim Datenschutz – empfindlich hohe Geldstrafen von bis zu 20 Mio. Euro oder 4 % Prozent des globalen Umsatzes. „Ich halte das für maximal übergriffig“, so Goebel. Unternehmen müssten nicht vom Staat zu ihrem Glück ­gezwungen werden, schon gar nicht strafbewehrt. Vielmehr brauche es mehr Vertrauen in die Eigen­verantwortung der Unternehmerinnen und Unternehmer.

“Denken und Handeln auf die Zukunft ausrichten”

„Drittens müssen wir unser Denken und Handeln auf die Zukunft ausrichten“, so der IHK-Präsident. Dass wir in Deutschland einen Investitionsstau haben, sei offenkundig. An allen Ecken und Enden wurde in der Vergangenheit zu wenig in die Zukunft investiert. Problem sei, dass Politik unter Investitionen etwas grundlegend anderes versteht als wir hier im Raum. Das politische Versprechen, nach der möglichen Lockerung der Schuldenbremse würde mehr investiert, hält Goebel nur „für die halbe Wahrheit“. Der Sozialstaat werde mit Sicherheit weiterwachsen. Um genau das zu begrenzen, sei die Schuldenbremse seinerzeit eingeführt worden. Zudem hießen mehr Schulden auch mehr Ausgaben für Zinsen und höhere Inflation. Der Handlungsspielraum der künftigen Generationen werde massiv eingeengt.

Podiumsdiskussionen in den Wahlkreisen

Neben den Positionen sucht unsere IHK auch das Gespräch mit den Kandidatinnen und Kandidaten der Bundestagswahl 2025. Die ­Erwartungen der Unternehmer an die Politik waren Ende Januar Thema bei der ersten Podiumsdiskussion, zu der die IHK gemeinsam mit den Wirtschaftsjunioren (WJ) Osnabrück die Bundestagskandidaten des Wahlkreises Stadt Osnabrück eingeladen hatte. Den Fragen der Unternehmer stellten sich der Bundestagsabgeordnete Dr. Mathias Middelberg (CDU), Thomas Vaupel (SPD), Luca Wirkus (Grüne), Daniel Jutzi (FDP) und die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek (Die Linke). AfD-Kandidat Florian Meyer hatte seine Teilnahme abgesagt.
„Auf die neue Bundesregierung warten in der Wirtschaftspolitik große Aufgaben“, machte IHK-Präsident Uwe Goebel deutlich: „Durch falsche Weichenstellungen der Vergangenheit sind wir als Wirtschaftsstandort nicht auf die großen ­Herausforderungen der Zukunft vorbereitet. Deutschland fällt im internationalen Wettbewerb erkennbar zurück. Das spüren wir auch in unserer Region. Es macht mir Sorgen, wenn der größte Arbeitgeber im IHK-Bezirk, eine Krankenhausgruppe, der größte industrielle Arbeitgeber in Osnabrück, ein bekannter Automobilkonzern, und das führende Un­ternehmen für grünen Stahl in Deutschland alle zeitgleich in schwieriges Fahrwasser geraten.“
In der Diskussion stellten sich den Kandidaten Fragen zu den drei Themenschwerpunkten Wirtschaftsfreundlichkeit, Infrastruktur sowie Bildung und Fachkräfte. Auf diesen Feldern drücke der Schuh die regionalen ­Unternehmen besonders, so Goebel.
Zum Abschluss der Veranstaltung dankte ­Jonas Imwalle vom WJ-Vorstand den Kandidaten und Unternehmern für die engagierte Diskussion. Er verband seinen Dank mit ­einem Aufruf, am 23. Februar vom Wahlrecht Gebrauch zu machen, um die richtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen für die Zukunft zu stellen.

Weitere drei IHK-Podiumstalks

Die Osnabrücker Podiumsdiskussion war der Auftakt von insgesamt vier wirtschaftspolitischen IHK-Podiumsdiskussionen in der Region. Auch in Sögel, Hilter und Schüttorf haben sich die Bundestagskandidaten der Wahlkreise Unterems, Osnabrück-Land sowie Mittelems Anfang Februar (nach Redaktionsschluss) der ­Diskussion gestellt. Die zentralen Ergebnisse der drei Podien sind online abrufbar.

Das fordern die Wahlkandidaten im Wahlkreis Stadt Osnabrück

In der Osnabrücker Podiumsdiskussion machten die Kandida­tinnen und Kandidaten in der Diskussion deutlich, welches ­wirtschaftspolitische Ziel sie direkt nach ihrer Wahl angehen würden:

Das fordert CDU-Bundestagsabgeordneter Dr. Mathias Middelberg:

„Deutschland erlebt eine massive strukturelle Wirtschaftskrise, keinen vorübergehenden nur krisenbedingten Einbruch, wie Olaf Scholz lange glauben machen wollte. Subventionen oder Kosmetik auf Schuldenbasis helfen da nicht. Es braucht echte strukturelle ­Reformen – also einen wirk­lichen Politikwechsel.“

Das fordert Thomas Vaupel, Direktkandidat der SPD:

­„Unser Land braucht einen ­Modernisierungs- und Wachstumsschub in den nächsten Jahren. Dazu sind stärkere öffentliche und private Investitionen, gezielte Entlastungen für Betriebe und Beschäftigte, wettbewerbsfähige Energiepreise, beschleunigte Verfahren und Bürokratie­abbau dringend nötig.“

Das fordert Luca Wirkus, Direktkandidatin von Bündnis 90 / Die Grünen:

„Wirtschaft ist auf gute Rahmenbedingungen angewiesen. Für Investitionen in marode In­frastruktur braucht es die Reform der Schuldenbremse. Energiepreise müssen runter und die Netze weiter ausgebaut werden. Mit weniger Bürokratie und einem Deutschlandfonds kurbeln wir private Investitionen an. Einwanderung wollen wir erleichtern und damit dem Arbeits­kräftemangel begegnen.“

Das fordert Daniel Jutzi, Direktkandidat der FDP:

„Die Wirtschaft muss entfesselt werden, um zu wachsen. Also: 1. Steuern und Abgaben runter. 2. Radikale Regulierungsbremse, Berichtspflichten suspendieren. 3. Attrak­tive Bedingungen für alle statt Subventionitis und Förderdschungel. 4. Der Staat besinnt sich auf seine Kern­aufgaben, dann reicht das Geld auch.“

Das fordert die Co-Vorsitzende der Gruppe der Linken im ­Deutschen Bundestag, Heidi Reichinnek:

„Die Linke steht für massive Investitionen in eine zukunftsfähige Wirtschaft, die auf erneuerbare Energien und faire Arbeitsbedingungen baut. Dazu braucht es Planbarkeit: Mit einer so sprunghaften Politik wie in den letzten Jahren schafft man Unsicherheit und ­keine ­Investitionsfreudigkeit bei Unter­nehmen.“