Seidenstraße 2023: China investiert in seine Nachbarländer

Für die neue Seidenstraße war 2023 ein wichtiges Jahr: Vor zehn Jahren hatte Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Kasachstan die Belt and Road Initiative (BRI) verkündet. Damals betonte Xi, wie wichtig "gute Nachbarschaft" für das Gelingen des Gesamtprojekts sei.
Seitdem reißt die internationale Kritik jedoch nicht ab: Grund dafür waren umweltschädigende Großprojekte, die in Sri Lanka, Laos und vielen afrikanischen Ländern zu hoher Verschuldung führten. Oft genug entsprachen sie nicht dem Bedarf. Die EU will mittlerweile Entwicklungsländern mit ihrer Global-Gateway-Initiative ein nachhaltiges Gegenangebot zur BRI machen. Zehn Jahre nach Beginn steuert Peking sichtbar um: Nicht mehr Afrika oder Lateinamerika, sondern die Nachbarregionen Zentral- und Südostasien (ASEAN) zeigen den stärksten Anstieg an BRI-Projekten. Durch viele kleinere Projekte und Investitionen in das verarbeitende Gewerbe wird die BRI zunehmend zum Synonym für Chinas Außenwirtschaft.
Zentral- und Südostasien zeigen stärksten Zuwachs
In Zentralasien stieg die Zahl der BRI-Projekte um das 2,6-fache gegenüber dem Vorjahr. Im Mittelpunkt steht die neue Vorreiterstellung Usbekistans bei erneuerbaren Energien: Solarkraftwerke und ein Vertrag zur Produktion von grünem Wasserstoff gehören zu den neuen BRI-Vertragsabschlüssen des Jahres 2023. Erstmals schlossen sich in Usbekistan mit ACWA Power, der State Power Investment Corporation (SPIC) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (ERBD) drei Investoren aus China, Saudi-Arabien und der EU für ein großes Wasserstoffprojekt zusammen.
In drei Absichtserklärungen mit Kasachstan zeigte China zudem Interesse am Mittleren Korridor. In Kasachstan sollen Eisenbahnverbindungen ausgebaut sowie ein Containerhub in Aktau am Kaspischen Meer eingerichtet werden. China will sich damit Alternativen zum Transport über Russland offen halten. So spielen resiliente Lieferketten auch für die BRI eine Rolle.
Südostasien konnte 2023 fast 300 BRI-Projekte verbuchen, eine Steigerung um knapp ein Viertel gegenüber dem Vorjahr. Darunter sind zahlreiche Kleinprojekte unter 10 Millionen US-Dollar (US$) Investitionsvolumen und der Ausbau der Automobil- und Elektronikfertigung in Thailands Eastern Economic Corridor (EEC) mit Einzelinvestitionen von bis zu 2,7 Milliarden US$ in verschiedene Produktionsanlagen. Schlagzeilen machte die Inbetriebnahme der umstrittenen Jakarta-Bandung-Eisenbahn im Oktober 2023 nach acht Jahren Bauzeit. Auch hier zeigt sich ein Problem der BRI-Prestigeprojekte: Die Investitionen in das zweite große Eisenbahnprojekt in ASEAN nach der Laos-China-Eisenbahn (LCR) sollen sich erst nach 40 Jahren amortisieren. Zudem erleidet Jakarta aktuell einen Bedeutungsverlust, da es seinen Hauptstadtstatus an die neue Metropole Nusantara auf der Insel Kalimantan verlieren wird.
Ein wichtiges BRI-Leuchtturmprojekt ist der Funan-Techo-Kanal in Kambodscha mit Baubeginn 2024. Künftig soll diese Wasserstraße den Mekong und die Hauptstadtregion Phnom Penh direkt mit der Küste bei Sihanoukville verbinden. Neben Laos ist Kambodscha das südostasiatische Land mit der stärksten chinesischen Präsenz.
Großprojekte festigen strategische Partnerschaft mit Ägypten und Russland
Unter den 366 registrierten Projekten in Afrika stechen drei Absichtserklärungen für Ägypten hervor: Sie enthalten ein Vorhaben zu grüner Wasserstoff- und Ammoniakproduktion, ein Wasserkraftwerk und eine Großfabrik zur Düngerproduktion. Die geplanten Gesamtinvestitionen liegen bei 17,4 Milliarden US$. Die Wasserstoff- und Düngeproduktion soll in Ägyptens neuer Sonderwirtschaftszone am Suezkanal (SCZONE) starten. Die Bedeutung des Suezkanals für eine auf Produktion, Transport und Energieerzeugung ausgelegte neue Seidenstraße nimmt zu.
Im Rahmen des Pekinger BRI-Gipfels im Oktober 2023 schloss China mit Serbien einen Vertrag über den ersten Abschnitt des Autobahnprojekts Vojvodina Smile. Mit 3,5 Milliarden US$ Gesamtinvestitionen wurde hier das teuerste europäische BRI-Projekt des Jahres außerhalb Russlands beschlossen. In Russland gingen im Jahr 2023 zwei Ausschreibungen im Gesamtwert von über 10 Milliarden US$ für den Bau von Methanolfabriken an chinesische Staatsbetriebe.
Die einzige Weltregion, in der die Zahl der Projekte im Jahr 2023 deutlich zurückging, ist Lateinamerika: In der Trendregion der Vorjahre sank sie um rund 12 Prozent, von 114 auf 100 Vorhaben. Bemerkenswert ist hingegen, dass in Brasilien, das offiziell kein BRI-Mitglied ist, zwei Großprojekte im Automobilbau und im Ausbau des Stromleitungsnetzes mit einem Gesamtvolumen von über 8 Milliarden US$ starten sollen.
Branchenvielfalt prägt die neue BRI
Mit 1.214 neuen Projektverträgen, -fortschreibungen, -ergänzungen und Absichtserklärungen übertraf das Jahr 2023 den bisherigen Rekord des Vorjahres von 1.001 BRI-Aktivitäten nochmals um rund 21 Prozent, den des Jahres 2021 sogar um ein Drittel.
Mit 442 gelisteten Projekten und einem Plus von rund 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr bleibt Energie mit Kraftwerksbau, -ausbau, und -wartung auch 2023 unverändert Spitzenreiter. Es folgen Transport und Verkehr mit 251 Vorhaben und einem Anstieg von 19 Prozent sowie Industrie und Bergbau mit 235 Vorhaben und einem Zuwachs von rund 53 Prozent. Industrieprojekte aus mehr als einem Dutzend Branchen trugen zum stärksten Zuwachs dieses Sektors bei. Immer mehr Vorhaben des verarbeitenden Gewerbes im Ausland werden unter der Marke Belt and Road Initiative registriert: Die führenden Branchen sind die Elektroauto- und Batterieherstellung in Thailand, Brasilien, Mexiko oder Indonesien mit Einzelprojekten deutlich über 1 Milliarde US$ Investitionsvolumen, die Herstellung elektronischer Produkte und die Chemiebranche.
Nach einem chinesischen Regierungsbericht vom November 2023 soll sich die BRI in den kommenden zehn Jahren auf kleinere und nachhaltigere Projekte verschiedener Branchen konzentrieren und sich verstärkt an internationalen Standards orientieren.
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Quelle: GTAI