Schwache Wirtschaft verstärkt Druck auf Chinas Arbeitsmarkt
Eine deutliche wirtschaftliche Erholung nach den Verwerfungen der Coronajahre ist China nicht gelungen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Gesamtjahr 2023 ein Wachstum um 5 Prozent und für 2024 um 4,2 Prozent. Während des Shanghai-Lockdowns sprachen Geschäftsführende häufig von mangelnder Planbarkeit. Jetzt ist in weiten Teilen der Unternehmen und Industriebranchen das Vertrauen in ein stabiles Wirtschaftsumfeld in China gesunken. Dies wirkt sich auf die Personalentwicklung aus und viele Firmen reduzieren ihre Belegschaft. Deutsche Unternehmen sind davon bislang weniger betroffen.
Arbeitslosigkeit nahezu unverändert
Die offiziellen chinesischen Daten zur 1. Jahreshälfte 2022 zeigen mit einer Arbeitslosenquote in den Städten von durchschnittlich 5,3 Prozent und damit um 0,2 Prozentpunkte niedriger als im 1. Quartal eine stabile Situation. Bei den 25- bis 59-Jährigen betrug sie 4,1 Prozent, bei Personen mit Universitätsabschluss 3,2 Prozent. Besondere Aufmerksamkeit gilt jedoch der hohen Arbeitslosenquote der 16- bis 24-Jährigen im Juli von 21,3 Prozent. Seit 15. August 2023 veröffentlicht China keine Daten mehr zur Jugendarbeitslosigkeit, entsprechende Schätzungen gehen aber davon aus, dass die tatsächliche Jugendarbeitslosenrate doppelt so hoch ist. In den Sommermonaten ist diese aufgrund der zahlreichen Hochschulabsolventen stets am höchsten, 2023 wurde mit wohl 11,6 Millionen ein neuer Rekordwert erreicht.
Nach Angaben von in Shanghai ansässigen Personalberatern beschäftigen Chinas Internetunternehmen mit insgesamt über 200 Millionen Beschäftigten 25 Prozent der Arbeitskräfte. Sie reduzieren jedoch ihre Belegschaft, ein wichtiger Indikator für die Gesamtsituation. Generell können Mitarbeitende bei einem Stellenwechsel dieses Jahr nur vereinzelt mit Einkommensverbesserungen rechnen, während zuvor Gehaltssteigerungen von 20 Prozent üblich waren.
Wer ersetzt ausländische Arbeitskräfte?
Im Vergleich zu 2019 hat sich während der Covid-Jahre die Anzahl der ausländischen Beschäftigten, welche überwiegend Führungspersonal in China stellen, nahezu halbiert. Exemplarisch leben in Shanghai jetzt noch geschätzt 4.500 Deutsche, 2019 waren es circa 8.500. Die Nachbesetzung durch Neuentsendungen nimmt erst seit Sommer 2023 wieder Fahrt auf, die gesunkene Strahlkraft Chinas erschwert dies. Vielfach lokalisieren deutsche Unternehmen ihr Chinageschäft, dies beinhaltet sowohl die stärkere Entwicklung und Produktion in China für den einheimischen Markt, als auch die stärkere Rekrutierung von chinesischem Management-Personal.
Nach Angaben von Personalberatern hat lokales Personal jedoch nur ein Drittel der ausländischen Führungskräfte ersetzt, entsprechend bestehen viele Lücken in Entscheidungspositionen. Als weitere Herausforderung kommt hinzu, dass chinesische Führungskräfte über jahrelange Erfahrung in Skalierung verfügen, nicht jedoch im Krisenmanagement.
In ausländischen Wirtschaftskreisen für steigende Verunsicherung sorgt das seit dem 1. Juli 2023 gültige Anti-Spionagegesetz. China veröffentlicht weniger Statistiken, und belastbare ökonomische Daten zur Wirtschaftsplanung sind schwieriger zu generieren. Wer dazu genauer recherchiert, könnte Gefahr laufen, nicht im Einklang mit dem Anti-Spionagegesetz zu handeln.
Regierung unterstützt bei Berufsausbildung
Die Regierung bietet Unternehmen Unterstützungsmaßnahmen an, um Personal zu halten. Deutsche Unternehmen berichten von Zulieferern, denen Entlassungen untersagt wurden und die im Gegenzug von den lokalen Behörden den Mindestlohn als Zuschuss für die Weiterbeschäftigung erhalten. Die Differenz zum Vertragsgehalt ist von dem Unternehmen zu leisten. Insbesondere Staatsunternehmen sind angehalten, Absolventen einzustellen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu begrenzen, dies beinhaltet eine Einmalzahlung von 1.500 Renminbi Yuan (RMB), umgerechnet circa 205 US-Dollar (US$), für jede Einstellung bis zum Jahresende, entsprechend einer Mitteilung der drei Ministerien für Finanzen, Bildung und Soziale Sicherheit.
Die staatliche Entwicklungs- und Reformkommission NDRC (National Development and Reform Commission) veröffentlichte im Juni 2023 einen Leitfaden, wonach Finanzinstitutionen Berufsausbildung im Handwerk mit Fokus auf Maschinenbau in 30 Pilotstädten unterstützen sollen. Berufsschulen erhalten jährliche Zuschüsse von bis zu 80 Millionen RMB (umgerechnet 11 Millionen US$). Nach Angaben des Bildungsministeriums verfügt China über 10.000 Berufsschulen mit 30 Millionen Schülern. Die Integration zwischen Industrie und Bildungseinrichtungen soll durch die Pilotprojekte verbessert werden.
Personalsituation bei deutschen Firmen stabil
Angesichts zunehmender Exportschwierigkeiten geht das Investitionswachstum in der Privatwirtschaft zurück, vornehmlich in Chinas Elektronik- und Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Stärker als zuvor wird hingegen in der Automobilindustrie investiert, wo viele Unternehmen in ihrer Entwicklung hin zu Elektromobilität und autonomem Fahren stärker in Konkurrenz zu deutschen Firmen stehen.
Das macht sich auch bei der Rekrutierung von Fachkräften bemerkbar. Allerdings punkten deutsche Unternehmen in schwierigen Zeiten. Zwar sehen sie sich mit Abwerbungen durch einheimische Unternehmen konfrontiert, die in Einzelfällen bereit sind, deutlich höhere Löhne zu zahlen. Die abgewanderten Mitarbeiter erkennen zunehmend, dass deutsche Unternehmen ein deutlich stabileres Arbeitsumfeld bieten und in Krisenzeiten mehr Verantwortung für ihre Mitarbeitenden zeigen.
Umfangreiche Entlassungen durch deutsche Unternehmen zeichnen sich nicht ab, jedoch spiegelt sich die Wirtschaftslage bei einer geringen Gehaltssteigerung wider. Ausgehend von dem Arbeitsmarktbericht der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in China steigen die Gehälter deutscher Arbeitgeber in China 2023 um 4,76 Prozent, für 2024 ist ein Rückgang des Anstiegs um 0,27 Prozentpunkte auf 4,49 Prozent zu erwarten.
Quelle: GTAI