Klimaschutz und CO2-Preise

Der Ausstoß von CO2 verteuert sich. Verantwortlich dafür ist die kontinuierliche Verknappung der Zertifikate im europäischen CO2-Handel und die zusätzliche nationale CO2-Bepreisung seit 2021. Hinzu kommen Pläne aus Europa, Importe aus Drittstaaten mit einer CO2-Grenzsteuer zu belasten. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien durch steigende CO2-Kosten.

Regulatorik und politischer Rahmen

Zentrales Instrument für mehr Klimaschutz in Europa ist der europäische Emissionshandel kurz EU-ETS. Mit diesem weltweit größten Handelssystem für CO2-Zertifikate sind etwa 43 Prozent aller CO2-Emissionen in der EU abgedeckt. Bisher erfasst der CO2-Handel in Europa die Energiewirtschaft sowie Anlagen des Industriesektors und die Luftfahrt. Zukünftig soll auch die Schifffahrt einbezogen werden. Aber auch die Integration des Gebäude- und Verkehrssektors wird aktuell stark favorisiert. Der Handel mit CO2-Zertifikaten wurde seit mehreren Jahren zum zentralen Instrument für eine wirksame Reduktion des CO2-Ausstoßes. Nach aktuellem Stand der europäischen Klimaziele wird der Mechanismus des europäischen Emissionshandels den CO2-Ausstoß planmäßig bis 2030 um 43 Prozent reduzieren. Mit dem Ziel der „Treibhausgasneutralität“ bis 2050 wird das bestehende Klimaschutz-Zielniveau in Europa massiv gesteigert. Statt der bislang angestrebten Reduktion um 40 Prozent, sollen mit dem Klimaschutzgesetz der EU, zukünftig 55 Prozent des CO2-Ausstoßes bis 2030 gegenüber 1990 reduziert werden. Diese Zielanhebung hat für die Wirtschaft weitreichende Auswirkungen. Einerseits ist zu erwarten, dass die Kosten für die Energiebeschaffung ansteigen werden. Andererseits steigen die Herstellungskosten für CO2-intensive Produktionsverfahren, wie beispielsweise bei der Bereitstellung von Grundstoffen. Kosten, die in der Lieferkette weitergegeben werden und branchenübergreifende Preisanstiege zur Folge haben.
Kurz erklärt: Wie funktioniert der CO2 Handel in Europa?
Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) funktioniert nach dem Prinzip des sogenannten „Cap & Trade“. Die Obergrenze (Cap) legt fest, wie viele Emissionen insgesamt ausgestoßen werden dürfen. Die Emissionsberechtigungen in Form von Zertifikaten können dann auf dem Markt frei gehandelt werden (Trade). Hierdurch bildet sich ein Preis für den Ausstoß von CO2. Dieser Preis setzt den Anreiz, Treibhausgase in Europa zu reduzieren, um weniger CO2-Zertifikate am Markt erwerben zu müssen.
Damit reizt das marktwirtschaftliche Instrument des Emissionshandels die Entwicklung und Einführung neuer Technologien an und verändert das Verbrauchsverhalten der Unternehmen nachhaltig.
Um der Wirtschaft Planungssicherheit auf dem Weg zur Klimaneutralität zu geben und zu verhindern, dass Unternehmen in Staaten mit geringeren Klimaschutzstandards abwandern, müssen bisher nicht alle CO2-Zertifikate von Unternehmen am Markt gekauft werden. Vielmehr erfolgt in Abhängigkeit der Emissionsintensität einer Branche eine anteilige freie Zuteilung benötigter CO2-Zertifikate durch die Mitgliedsstaaten der EU. Im Ergebnis können so CO2-intensive Wirtschaftszweige ihre Produktion nach und nach in Richtung Klimaschutz umstellen, ohne im internationalen Wettbewerb stark benachteiligt zu werden.
Dieses austarierte System für mehr Klimaschutz in Europa könnte jedoch bald der Vergangenheit angehören. Unter dem Schlagwort „CO2-Grenzausgleichssystem“ plant die Europäische Kommission, im Rahmen des Green Deals für ausgewählte Sektoren eine Art CO2-Importzoll sowie eine Art CO2-Exportsubventionen für spezifische Unternehmen und Waren. Unklar ist bisher, wie ein solches CO2-Grenzausgleichssystem in der Praxis ausgestaltet werden soll. Auch widerspricht ein solch protektionistischer Ansatz den Grundwerten eines liberalen Welthandels und steht im Konflikt mit den internationalen Vereinbarungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO).

Chancen und Wachstumstrends

Ein Anstieg der CO2-Preise eröffnet insbesondere Chancen für den Dienstleistungs- und Beratungssektor mit Blick auf Klimaschutzmaßnahmen. Aber auch Umwelt- und Energieeffizienztechnologien profitieren von steigenden CO2-Preisen. Das Beratungsunternehmen Roland Berger geht in einer Studie davon aus, dass sich das Geschäftsvolumen der europaweiten Nachfrage nach Energieeffizienz-Dienstleistungen bis zum Jahr 2025 auf 50 Mrd. Euro verdoppeln wird. Größter Teilmarkt sei das Engineering für Energieeffizienz-Technologien mit rund 40 Prozent. Die Bundesstelle für Energieeffizienz beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BfEE) analysiert insbesondere den Markt für Energieeffizienz-Dienstleistungen. Für das Jahr 2019 benennt die BfEE ein realisiertes Marktvolumen für Energiedienstleistungen, Energieaudits und andere Energieeffizienzmaßnahmen wie vorzugsweise das Thema Contracting von rund 9 Mrd. Euro in Deutschland.
Eine bisher in Deutschland wenig beachtete Chance sind Technologien zur Speicherung von CO2-Emissionen. Sogenannte CCU (Carbon Capture and Utilization) und CCS-Technologien (Carbon Capture and Storage) deuten beispielsweise in Norwegen aber auch in England einen Wachstumstrend an. Sie haben ein großes Potenzial für die Grundstoffindustrie und Abfallentsorgung sowie eine erhebliche Hebelwirkung auf den Ausbau einer CO2-neutralen Wasserstoffinfrastruktur.

Gefahren und Herausforderungen

Die Industrie und der produzierende Sektor stehen bei kurzfristig stark ansteigenden CO2-Preisen vor der Herausforderung, erhebliche finanzielle Mittel in die Umrüstung etablierter Produktionsverfahren investieren zu müssen. Die Gefahr dabei ist, dass bestehende Anlagen vor Ende der geplanten Abschreibungsphase ersetzt werden müssen. Noch bedrohlicher wird die Situation, wenn keine technologischen Alternativen zur Verfügung stehen oder diese nur zu extrem unwirtschaftlichen Konditionen in den Produktionsprozess integriert werden können. Insgesamt entstehen erhebliche Mehrinvestitionen, die in einer Studie von Boston Consulting Group (BCG) und Prognos auf durchschnittlich 45 bis 70 Mrd. Euro pro Jahr in Deutschland geschätzt werden. Für den Industriesektor prognostiziert die Studie Mehrinvestitionen im Umfang von insgesamt 230 Mrd. Euro bis 2050, um eine Reduzierung der Treibhausgase um 95% zu realisieren.
Im bestehenden europäischen CO2-Handel werden die Planbarkeit und Wettbewerbsfähigkeit durch eine teilweise freie Zuteilung sichergestellt, die schrittweise reduziert wird. Würde dieses System durch einen unkoordinierten CO2-Grenzausgleich wegfallen, ergäbe sich eine Mehrbelastung für den deutschen Industriestandort von 3,6 Mrd. Euro bei einem moderaten CO2-Preis in der EU von 25 Euro.
Quelle: DIHK