Energiebeschaffung in Zeiten der Krise
Enorme Preissteigerungen, gekündigte Verträge und schwankende Märkte: angesichts der aktuellen Energiekrise sehen sich viele Unternehmen gezwungen, ihre Energiebeschaffungsstrategien zu verändern. Von besonderer Bedeutung für Unternehmen ist in diesem Zusammenhang eine sichere und gleichzeitig preiswerte Energieversorgung.
Die verlässliche Belieferung mit Strom ist für nahezu jede wirtschaftliche Aktivität zentral. Ebenso zentral für die Unternehmensplanung sind stabile Strompreise auf einem Niveau, das die Wettbewerbsfähigkeit auf nationaler, europäischer und globaler Ebene nicht konterkariert. In den vergangenen Jahren sind die Strompreise für gewerbliche Abnehmer jedoch gestiegen – in erster Linie wegen des Anwachsens der Umlagen und in jüngster Zeit durch einen Anstieg der Netzentgelte in den meisten Netzgebieten.
Für viele Unternehmen stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie den Mehrkosten in der Strombeschaffung zu begegnen ist. Klar ist: Je größer ein Unternehmen, desto eher hat es auch die personelle und finanzielle Kapazität, Mitarbeiter eigens für diese Aufgabe abzustellen. In kleinen und mittleren Unternehmen hat der verantwortliche Mitarbeiter oft noch weitere Aufgaben, die die ganzheitliche Ausarbeitung einer Strombeschaffungsstrategie erschweren.
Die folgenden Ausführungen soll daher eine Handreichung und Einleitung in das Thema Strombeschaffung und Stromhandel sein und Möglichkeiten zur Individualisierung der Strom- beschaffung aufzeigen.
Modelle der Strombeschaffung
Die einfachste und zeitlich günstigste Option ist der Abschluss eines Vollversorgungsvertrags in Form eines standardisierten Tarifvertrags zu einem vorbestimmten Preis mit einem Stromversorger. Dieser Vertrag deckt die Stromversorgung während der gesamten Vertragslaufzeit vollständig ab. Da ein solcher Vertrag in der Regel über einen längeren Zeitraum läuft, werden den reinen Kosten der Energiebereitstellung zusätzlich nicht unerhebliche Sicherheitsmargen gegen Preissteigerungen durch den Stromlieferanten aufgeschlagen. Ein Risiko trägt der Verbraucher in diesem Fall zwar nicht, aber es bieten sich auch keine Gestaltungsräume zur Flexibilisierung und Kostenreduzierung. Auf der anderen Seite ist er vor Kostensteigerungen geschützt.
Die Grundvoraussetzung zur Flexibilisierung des Strombezugs ist in aller Regel, einen Individual- oder Sondervertrag mit einer Flexibilitätskomponente mit dem Stromversorger abzuschließen. Die Sicherheitsmargen entfallen in diesem Fall, die unbeeinflussbaren Kostenbestandteile wie Netznutzungsentgelte, EEG-Umlage, Stromsteuer etc. werden in jeweils aktueller Höhe an den Kunden weitergegeben. Der Preis der Strombereitstellung an sich ist Gegenstand der Vertragsverhandlung. Im Normalfall werden die Gesamtkosten damit unter denen eines Vollversorgungsvertrags sein. Hinzu kommt die individuelle Beratung durch den Stromanbieter. Darüber hinaus lässt sich die Strombeschaffung passgenau auf das Tätigkeitsprofil und die Anforderungen des Unternehmens einstellen. Mehrere Modelle lassen sich, in erster Linie anhand des Grades an Komplexität, unterscheiden:
Das Modell der Stichtagsbeschaffung ist dabei vergleichsweise einfach:
Der Kunde kauft zu einem bestimmten Zeitpunkt – dem Stichtag – die Stromlieferung für die Dauer der Vertragslaufzeit zu einem Festpreis (oft für ein Jahr). Das Angebot des Stromversorgers wird dabei immer stark vom aktuellen und zu erwartenden Börsenstrompreis abhängen. Ist der Liefervertrag abgeschlossen, ist die weitere Preisentwicklung am Großhandelsmarkt unerheblich. Die Herausforderung besteht in erster Linie folglich darin, den richtigen Zeitpunkt für den Vertragsabschluss zu wählen. Der Aufwand für das Unternehmen beschränkt sich auf den jährlichen Vertragsabschluss bzw. dessen Verlängerung mit dem Stromversorger.
Der Kunde kauft zu einem bestimmten Zeitpunkt – dem Stichtag – die Stromlieferung für die Dauer der Vertragslaufzeit zu einem Festpreis (oft für ein Jahr). Das Angebot des Stromversorgers wird dabei immer stark vom aktuellen und zu erwartenden Börsenstrompreis abhängen. Ist der Liefervertrag abgeschlossen, ist die weitere Preisentwicklung am Großhandelsmarkt unerheblich. Die Herausforderung besteht in erster Linie folglich darin, den richtigen Zeitpunkt für den Vertragsabschluss zu wählen. Der Aufwand für das Unternehmen beschränkt sich auf den jährlichen Vertragsabschluss bzw. dessen Verlängerung mit dem Stromversorger.
Bei der Index- und der Tranchenbeschaffung wird nicht die gesamte Strommenge an einem Stichtag beschafft, sondern in mehreren Teilmengen. Die Ausgestaltung, etwa welcher Rhythmus gewählt wird, hängt von der konkreten Vertragsvereinbarung ab. Ziel dieser Modelle ist es, den Preis des eingekauften Stroms nahe dem Börsenstrompreis zu halten bzw. diesen, im Falle der Tranchenbeschaffung mithilfe verschiedener Instrumente, sogar zu unterbieten. Die Entscheidung für dieses Modell bedarf nicht zwangsläufig ausgeprägter Expertise des Strommarktes im Unternehmen; auch die Beauftragung des Stromlieferanten, die Beschaffung im Sinne des Auftraggebers durchzuführen, ist möglich.
Als viertes Grundmodell existiert die Portfoliobeschaffung: Das Unternehmen übernimmt hier den Großteil der Funktion des Stromversorgers und deckt sich selbstständig mit Standardprodukten am Großhandelsmarkt ein. Die Komplexität erfordert erhebliche Expertise der zuständigen Mitarbeiter sowie die nötigen finanziellen Ressourcen und kommt daher eher für größere Unternehmen in Frage. Darüber hinaus müssen die entstehenden Risiken (Preisrisiko, Kontrahentenausfallrisiko, operationelles Risiko etc.) durch entsprechende geschulte Mitarbeiter abgedeckt werden.
Eine weitere Option ist es, über den Stromversorger am Großhandelsmarkt fehlende Mengen nachzukaufen. Prinzipiell möglich ist auch das unmittelbare Auftreten eines Unternehmens an der Strombörse. Kapitel 3 wird dieses Thema im Detail behandeln. Darüber hinaus hat in jüngster Zeit die sog. Blockchain-Technologie im Energiehandel Einzug gehalten und stellt eine mögliche Alternative zum Börsenhandel dar. Aktuell existieren mehrere technische Blockchain-Lösungen wie etwa die Enerchain, über die Energiehandelsunternehmen Strom- und Gas handeln können. Da ein Vermittler wie etwa eine Börse oder ein Broker zwischen Verkäufer und Käufer bei dieser Lösung fehlt, minimieren sich die Transaktionskosten sehr stark. Auch dieser Handelsweg kann für Unternehmen in Zukunft zunehmend interessant werden, da sich die Gruppe der handelnden Unternehmen monatlich vergrößert und damit auch das Angebot von Strom und Gas breiter wird.
Beschaffungsstrategien für grünen Strom
Mit dem Leitfaden zu Beschaffungsstrategien für grünen Strom gibt die Marktoffensive Erneuerbare Energien (eine Initiative des DIHK und der Deutschen Energieagentur) Unternehmen Unterstützung bei der nachhaltigen Strombeschaffung. Einführend werden die EU-weiten Regelungen wie die EU-Taxonomie, Mechanismen und Begrifflichkeiten bei der Beschaffung von grünem Strom thematisiert, um Investitionsentscheidungen zu erleichtern. Der klassische Grünstrombezug mittels eines Energieversorgers, die Eigenversorgung und schließlich Green Power Purchase Agreements (Green PPAs) werden abschließend im Detail beleuchtet. Mit Hilfe dieses Leitfadens zu Beschaffungsstrategien für grünen Strom sollen Stromabnehmer aus Industrie und Gewerbe in die Lage versetzt werden, fundierte Entscheidungen für den zukünftigen Strombezug zu treffen und die richtige Strombeschaffung für Ihr Unternehmen wählen.
Im November 2022 hat der DIHK eine dreiteilige Webinarreihe angeboten, die die allgemeine Lage und Preisentwicklungen auf den Strom- und Gasmärkten, rechtliche Fragestellungen rund um Energielieferverträge sowie die Energiebeschaffung über den Spotmarkt aufgreift. Die Präsentationen der Webinarreihe finden Sie hier: