Transformation zu einer klimaneutralen Industrie: Grüne Leitmärkte und Klimaschutzverträge

Die Bundesregierung plant die massive Förderung klimaneutraler Produktionsprozesse in der Grundstoffindustrie und setzt dabei auf zwei neue Instrumente: Klimaschutzverträge und grüne Leitmärkte. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 8. Februar 2023 ein Gutachten zum Thema „Transformation zu einer klimaneutralen Industrie: Grüne Leitmärkte und Klimaschutzverträge erstellt.
In seinem Gutachten vergleicht der Beirat die Instrumente, deren Funktionsweise und zu erwartende Effizienz. Er kommt zu dem Schluss, dass Klimaschutzverträge sehr teuer werden können und nur in eng begrenztem Umfang für den Einstieg in klimaneutrale Produktion genutzt werden sollten. Grüne Leitmärkte sind das bessere Instrument, weil sie mehr Wettbewerb ermöglichen und mit weit geringeren Informationsanforderungen an den Staat verbunden sind. Sie sind technologieoffen und offen für den Marktzutritt neuer Unternehmen, und sie geben starke Anreize für die Weiterentwicklung klimafreundlicher Technologien.
Die Bundesregierung plant, die Transformation zu einer klimaneutralen Industrie mit staatlicher Unterstützung voranzutreiben und setzt auf zwei neue Instrumente, „Klimaschutzverträge“ und „grüne Leitmärkte“. Viele Investitionen in klimaschonende Technologien in den Grundstoffindustrien (z. B. Stahl, Zement, Ammoniak, etc.) sind betriebswirtschaftlich (noch) nicht rentabel. Eine staatliche Förderung kann sinnvoll sein, insofern positive (externe) Effekte auf weitere Marktteilnehmer zu erwarten sind. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Förderinstrumente dazu eingesetzt werden sollen.
Das BMWK hat im Dezember den Entwurf einer Förderrichtlinie für Klimaschutzverträge vorgelegt, die Anfang 2023 verabschiedet werden soll. Ein Klimaschutzvertrag ist ein Vertrag zwischen dem Staat und einem Unternehmen für die klimafreundliche Produktion eines Gutes. Er garantiert dem Unternehmen für einen Zeitraum von 15 Jahren eine Ausgleichszahlung, die es für die höheren Kosten der klimaneutralen Produktion entschädigt. Gleichzeitig sichert er das Unternehmen gegen Schwankungen des CO2-Preises und andere Risiken ab.
Ein grüner Leitmarkt ist ein staatlich geschaffener oder geförderter Markt für klimaneutral produzierte Grundstoffe, wie z. B. „grünen“ Stahl. Der Staat kann grüne Grundstoffe in seiner eigenen Beschaffung bevorzugt verwenden oder er kann durch regulatorische Maßnahmen vorschreiben, dass die privaten Haushalte und Unternehmen in bestimmten Bereichen nur Produkte verwenden dürfen, die einen bestimmten Anteil grüner Grundstoffe beinhalten. Dadurch entstehen neue Märkte, die eine klimaneutrale Produktion über den Marktmechanismus in Gang setzen.
Der Beirat empfiehlt, dem Instrument der grünen Leitmärkte den klaren Vorrang gegenüber Klimaschutzverträgen zu geben. Die Experten stellen in dem Gutachten fest, dass Klimaschutzverträge zu einer erheblichen Überförderung führen, den Wettbewerb behindern und die Entwicklung neuer Technologien ausbremsen können. Eine teilweise Rückzahlung der Förderung ist zwar theoretisch möglich, praktisch aber kaum zu erwarten. Darum sollten Klimaschutzverträge nur in eng begrenztem Umfang für den Aufbau von Pilotprojekten und den Einstieg in die klimaneutrale Produktion genutzt werden. Die Ausschreibungen sollten in einem wettbewerblichen Verfahren erfolgen.
Grüne Leitmärkte sind nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Beirats das bessere Instrument. Prof. Achim Wambach, Mitglied der Arbeitsgruppe zum Gutachten, dazu: „Grüne Leitmärkte fördern den Wettbewerb, neue Anbieter können in den Markt kommen, und über die Preiswirkung gibt es starke Anreize, klimafreundliche Technologien zu verbessern und kostengünstiger zu machen.“ Grüne Leitmärkte erfordern jedoch eine transparente und international anschlussfähige Definition und Zertifizierung von „grünen“ Grundstoffen. Für „grünen Stahl“ gibt es bereits ein überzeugendes Konzept der Internationalen Energieagentur. Wenn die Zertifikate, mit denen die klimafreundliche Produktion nachgewiesen wird, zusätzlich handelbar gemacht werden, kann das zu erheblichen Effizienzgewinnen führen und einen diskriminierungsfreien Marktzugang ausländischer Unternehmen ermöglichen. Die Schaffung und Regulierung grüner Leitmärkte sollte auf europäischer Ebene erfolgen und idealerweise in Abstimmung mit den wichtigsten Handelspartnern in einem Klimaclub koordiniert werden.