„Auch wir wollen Klimaneutralität bis 2050“
Dr. Anne-Marie Großmann ist seit Januar 2021 in der Geschäftsführung der Georgsmarienhütte Holding GmbH und verantwortet die Beteiligungen sowie den Real Estate Bereich der GMH Gruppe. Diese bündelt Unternehmen von der Schrottverwertung über die Stahlerzeugung und -verarbeitung bis hin zu Schmiedetechnik und Guss. Zuvor war die 32-jährige Volkswirtin sieben Jahre im Aufsichtsrat als Vertreterin der Gesellschafterfamilie.
Dr. Anne-Marie Großmann
© info@lewandowski-foto.de
Sie sind jetzt seit vier Monaten in der Geschäftsführung. Wie fühlt sich die neue Verantwortung an?
Es macht große Freude, ich verspüre aber gleichzeitig hohen Respekt vor dieser Verantwortung. Für unsere Mitarbeiter und die Entwicklung der Gruppe, im Speziellen natürlich für meinen Verantwortungsbereich. Es ist eine ganz besondere Chance, als Vertreterin der nächsten Generation unsere GMH Gruppe in die Zukunft zu begleiten.
Sie waren zuvor schon für die Unternehmen Windhoff und Kranbau Köthen tätig, die jetzt zur GMH Gruppe gehören. Was waren da für Sie wesentliche Erfahrungen?
Ganz sicher, dass Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist, denn der Kunde zahlt Löhne und Gehälter. Es ist dabei wichtig eine motivierte und fokussierte Mannschaft mit an Bord zu haben, die Spaß daran hat besser zu werden und Produkte und Prozesse weiterzuentwickeln. Die haben wir bei Windhoff und im Kranbau Köthen. Wir ziehen an einem Strang und machen die Unternehmen zukunftsfest, bei Windhoff z. B. mit dem MPV VentuS, einer Art Baukastensystem für „gelbe Schienenfahrzeuge“, die in der Netzinstandhaltung eingesetzt werden.
Es macht große Freude, ich verspüre aber gleichzeitig hohen Respekt vor dieser Verantwortung. Für unsere Mitarbeiter und die Entwicklung der Gruppe, im Speziellen natürlich für meinen Verantwortungsbereich. Es ist eine ganz besondere Chance, als Vertreterin der nächsten Generation unsere GMH Gruppe in die Zukunft zu begleiten.
Sie waren zuvor schon für die Unternehmen Windhoff und Kranbau Köthen tätig, die jetzt zur GMH Gruppe gehören. Was waren da für Sie wesentliche Erfahrungen?
Ganz sicher, dass Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist, denn der Kunde zahlt Löhne und Gehälter. Es ist dabei wichtig eine motivierte und fokussierte Mannschaft mit an Bord zu haben, die Spaß daran hat besser zu werden und Produkte und Prozesse weiterzuentwickeln. Die haben wir bei Windhoff und im Kranbau Köthen. Wir ziehen an einem Strang und machen die Unternehmen zukunftsfest, bei Windhoff z. B. mit dem MPV VentuS, einer Art Baukastensystem für „gelbe Schienenfahrzeuge“, die in der Netzinstandhaltung eingesetzt werden.
Sie haben unter anderem auch in China studiert. Hat das Ihren Blick auf Deutschland und auf Nachhaltigkeit verändert?
Ja, gerade mit Blick auf die Umsetzungsgeschwindigkeit. Der Wettbewerb schläft nicht, auch global. In China hat mich vor allem die Geschwindigkeit beeindruckt: Wolkenkratzer haben pro Woche eine neue Etage bekommen, ganze Viertel können innerhalb eines Jahres hochgezogen werden. Wenn dort Ziele gesetzt werden, werden diese umgesetzt – komme, was wolle. Das ging in der Vergangenheit sicherlich auch zu Lasten der Umwelt, gerade wenn Sie an die Stahlindustrie in China denken. Aber die Dinge ändern sich.
Nachhaltigkeit heißt für mich vernünftig wirtschaften, die Regenerationsfähigkeit unserer Ressourcen im Auge behalten und für kommende Generationen zu sichern. Das
werden die Chinesen mit dem Aufstiegsdrang in der Bevölkerung in Einklang bringen, da bin ich mir sicher. Damit müssen wir uns Wettbewerbern stellen, die umsetzungs-stärker als wir Europäer sind. Bei Nachhaltigkeitsfragen werden wir schon bald keinen Vorsprung mehr haben.
Die GMH Gruppe ist einer der großen mittelständischen Stahlproduzenten in Deutschland. Erklärtes Ziel ist eine nachhaltige Produktion. Was heißt das konkret?
Die Stahlindustrie gehört mit jährlich rund 60 Mio. Tonnen zu den großen CO2-Emittenten in Deutschland. Das ist knapp ein Drittel der gesamten Industrie, unsere Industrie muss somit einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Unser Werkstoff ist jedoch immer wieder recycelbar und Beispiel für eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft. Schauen Sie auf unsere Standorte in Georgsmarienhütte und Osnabrück: wertvoller Schrott wird in unserem Recyclingbetrieb im Hafen gesammelt und im Elektroofen eingeschmolzen. Dabei entsteht erheblich weniger CO2 als in traditionellen integrierten Hütten auf der Basis von Eisenerz und Koks.
Wie ist das genau mit dem Elektrostahl?
Er steht für 30 % der Rohstahlproduktion in Deutschland, trägt aber nur mit 3 % zu den Emissionen der Eisen- und Stahlindustrie insgesamt bei. Daher spielt die GMH
Gruppe bereits heute eine maßgebliche Rolle in der Dekarbonisierung der Stahlindustrie, die Potentiale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Sobald wir unsere Betriebe mit
grünem Strom fahren können, werden die Emissionen noch einmal um zwei Drittel zurückgehen. Für die verbleibenden Emissionsmengen gibt es technologische Lösungen,
an denen wir arbeiten. So kommen wir unserem Ziel immer näher.
Ziele für Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen international auf fast allen politischen Agenden. Welchen Einfluss hat das auf den Stahlstandort Georgsmarienhütte?
Das Klimaziel von Paris gilt für alle. Auch wir wollen Klimaneutralität bis 2050 und wissen, wie wir es erreichen. Unser Vorteil ist, dass wir dank der Weitsicht meines
Vaters bereits heute mit unseren Elektroöfen über die richtige Technologie verfügen und keinen disruptiven Bruch wie die integrierten Hütten vor uns haben. Für grünen Stahl braucht die GMH Gruppe vor allem grünen Strom in ausreichender Menge, mit verlässlicher Versorgung und zu bezahlbaren Preisen. Darüber hinaus nutzen wir bei Wärmeprozessen Erdgas als Brückentechnologie und gehen bei ausreichender Verfügbarkeit zu grünem Wasserstoff über. Wir werden allerdings nur nachhaltig wirtschaften können, wenn in den 30 Jahren bis zur Jahrhundertmitte auch die Marktpreise für Energie diesen Klimavorteil reflektieren und unser System, bestehend aus Subventionen und Außenhandelspolitik, diese Ziele unterstützt. Da ist auch die Politik gefragt.
Das heißt?
Wir sind auf unserem Weg in die Klimaneutralität den Risiken der Energieversorgung ausgesetzt. Wir brauchen eine freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten und wettbewerbs-fähige Strompreise. In Brüssel und Berlin werden die Bedingungen für unsere Zukunft formuliert. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist Grundvoraussetzung, der EU-Markt reicht für unseren Exportüberschuss nicht. Das gilt auch für die GMH Gruppe. Wir wollen ein „level playing field“, mit dem wir beispielsweise auch in Ländern wie China erfolgreich sein können. Dafür machen wir gern unsere Hausaufgaben, um immer besser zu werden – aber wir müssen alle mit gleichen Spielregeln spielen.
Stahl ist der Start vieler wichtiger Wertschöpfungsketten in unserer Region. Was wünschen Sie sich, damit das so bleibt?
Ganz zentral sind passende Rahmenbedingungen in der Region. Die Ressource Energie wird in Zukunft immer wichtiger. Unabdingbar sind für uns beispielsweise weitere Stromanbindungen, da die bestehenden Leitungskapazitäten nicht für den Mehrbedarf reichen. Grüner Wasserstoff ist ein weiterer wichtiger Baustein für uns. Mit dem
Fernleitungsnetzbetreiber Nowega treiben wir den Ausbau eines entsprechenden Netzes in der Region voran. Die Fortentwicklung von Infrastruktur wird ganz entscheidend
in den nächsten Jahrzehnten. Dafür brauchen wir die Unterstützung der politischen Entscheider auf allen Ebenen, gerade bei Wasserstoff und Strom.
Bietet das Osnabrücker Land gute Voraussetzungen dafür?
Auf jeden Fall. Gerade wenn ich an unsere Mitarbeiter denke. Die Region ist extrem lebenswert, Arbeit und Freizeit lassen sich gut verbinden. Unsere Mitarbeiter sind oft seit vielen Familiengenerationen „auf der Hütte“ – das wollen wir in der Zukunft erhalten.
Ja, gerade mit Blick auf die Umsetzungsgeschwindigkeit. Der Wettbewerb schläft nicht, auch global. In China hat mich vor allem die Geschwindigkeit beeindruckt: Wolkenkratzer haben pro Woche eine neue Etage bekommen, ganze Viertel können innerhalb eines Jahres hochgezogen werden. Wenn dort Ziele gesetzt werden, werden diese umgesetzt – komme, was wolle. Das ging in der Vergangenheit sicherlich auch zu Lasten der Umwelt, gerade wenn Sie an die Stahlindustrie in China denken. Aber die Dinge ändern sich.
Nachhaltigkeit heißt für mich vernünftig wirtschaften, die Regenerationsfähigkeit unserer Ressourcen im Auge behalten und für kommende Generationen zu sichern. Das
werden die Chinesen mit dem Aufstiegsdrang in der Bevölkerung in Einklang bringen, da bin ich mir sicher. Damit müssen wir uns Wettbewerbern stellen, die umsetzungs-stärker als wir Europäer sind. Bei Nachhaltigkeitsfragen werden wir schon bald keinen Vorsprung mehr haben.
Die GMH Gruppe ist einer der großen mittelständischen Stahlproduzenten in Deutschland. Erklärtes Ziel ist eine nachhaltige Produktion. Was heißt das konkret?
Die Stahlindustrie gehört mit jährlich rund 60 Mio. Tonnen zu den großen CO2-Emittenten in Deutschland. Das ist knapp ein Drittel der gesamten Industrie, unsere Industrie muss somit einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung liefern. Unser Werkstoff ist jedoch immer wieder recycelbar und Beispiel für eine gut funktionierende Kreislaufwirtschaft. Schauen Sie auf unsere Standorte in Georgsmarienhütte und Osnabrück: wertvoller Schrott wird in unserem Recyclingbetrieb im Hafen gesammelt und im Elektroofen eingeschmolzen. Dabei entsteht erheblich weniger CO2 als in traditionellen integrierten Hütten auf der Basis von Eisenerz und Koks.
Wie ist das genau mit dem Elektrostahl?
Er steht für 30 % der Rohstahlproduktion in Deutschland, trägt aber nur mit 3 % zu den Emissionen der Eisen- und Stahlindustrie insgesamt bei. Daher spielt die GMH
Gruppe bereits heute eine maßgebliche Rolle in der Dekarbonisierung der Stahlindustrie, die Potentiale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Sobald wir unsere Betriebe mit
grünem Strom fahren können, werden die Emissionen noch einmal um zwei Drittel zurückgehen. Für die verbleibenden Emissionsmengen gibt es technologische Lösungen,
an denen wir arbeiten. So kommen wir unserem Ziel immer näher.
Ziele für Nachhaltigkeit und Klimaschutz stehen international auf fast allen politischen Agenden. Welchen Einfluss hat das auf den Stahlstandort Georgsmarienhütte?
Das Klimaziel von Paris gilt für alle. Auch wir wollen Klimaneutralität bis 2050 und wissen, wie wir es erreichen. Unser Vorteil ist, dass wir dank der Weitsicht meines
Vaters bereits heute mit unseren Elektroöfen über die richtige Technologie verfügen und keinen disruptiven Bruch wie die integrierten Hütten vor uns haben. Für grünen Stahl braucht die GMH Gruppe vor allem grünen Strom in ausreichender Menge, mit verlässlicher Versorgung und zu bezahlbaren Preisen. Darüber hinaus nutzen wir bei Wärmeprozessen Erdgas als Brückentechnologie und gehen bei ausreichender Verfügbarkeit zu grünem Wasserstoff über. Wir werden allerdings nur nachhaltig wirtschaften können, wenn in den 30 Jahren bis zur Jahrhundertmitte auch die Marktpreise für Energie diesen Klimavorteil reflektieren und unser System, bestehend aus Subventionen und Außenhandelspolitik, diese Ziele unterstützt. Da ist auch die Politik gefragt.
Das heißt?
Wir sind auf unserem Weg in die Klimaneutralität den Risiken der Energieversorgung ausgesetzt. Wir brauchen eine freie Zuteilung von CO2-Zertifikaten und wettbewerbs-fähige Strompreise. In Brüssel und Berlin werden die Bedingungen für unsere Zukunft formuliert. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit ist Grundvoraussetzung, der EU-Markt reicht für unseren Exportüberschuss nicht. Das gilt auch für die GMH Gruppe. Wir wollen ein „level playing field“, mit dem wir beispielsweise auch in Ländern wie China erfolgreich sein können. Dafür machen wir gern unsere Hausaufgaben, um immer besser zu werden – aber wir müssen alle mit gleichen Spielregeln spielen.
Stahl ist der Start vieler wichtiger Wertschöpfungsketten in unserer Region. Was wünschen Sie sich, damit das so bleibt?
Ganz zentral sind passende Rahmenbedingungen in der Region. Die Ressource Energie wird in Zukunft immer wichtiger. Unabdingbar sind für uns beispielsweise weitere Stromanbindungen, da die bestehenden Leitungskapazitäten nicht für den Mehrbedarf reichen. Grüner Wasserstoff ist ein weiterer wichtiger Baustein für uns. Mit dem
Fernleitungsnetzbetreiber Nowega treiben wir den Ausbau eines entsprechenden Netzes in der Region voran. Die Fortentwicklung von Infrastruktur wird ganz entscheidend
in den nächsten Jahrzehnten. Dafür brauchen wir die Unterstützung der politischen Entscheider auf allen Ebenen, gerade bei Wasserstoff und Strom.
Bietet das Osnabrücker Land gute Voraussetzungen dafür?
Auf jeden Fall. Gerade wenn ich an unsere Mitarbeiter denke. Die Region ist extrem lebenswert, Arbeit und Freizeit lassen sich gut verbinden. Unsere Mitarbeiter sind oft seit vielen Familiengenerationen „auf der Hütte“ – das wollen wir in der Zukunft erhalten.
(Quelle: ihkmagazin, Mai 2021)