Nachhaltige Lieferkette

Lieferkettengesetz in Deutschland und in der EU

Unternehmen tragen mit ihrem wirtschaftlichen Engagement gesellschaftliche Verantwortung sowohl in sozialer als auch in ökologischer Hinsicht. Sie orientieren sich an der Haltung des „Ehrbaren Kaufmanns“, so fasst der DIHK das gemeinsame Grundverständnis des modernen verantwortungsbewussten Unternehmers zusammen. Im regionalen Kontext wird die gesellschaftliche Verantwortung meist intuitiv und auf Grund von Regulierungen wahrgenommen. Im internationalen Kontext sind die Auswirkungen des unternehmerischen Engagements meist diffuser und weniger klar zu verordnen. Insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern treffen Unternehmen auf begrenzte staatliche Regulierung und damit auf Unsicherheiten, wie die Wertschöpfung gestaltet wird.
Als Ansprechpartnerinnen stehen Dr. Bianca Untied, Business Scout for Development Bremen & Niedersachsen (Tel. 0421 3637252) und Beate Wilke, Referentin Geschäfte weltweit der Oldenburgischen IHK (Tel. 0441 2220 314) zur Verfügung.
Das deutsche Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten ist zum 1.1.2023 in Kraft getreten. Am 1.1.2024 wurde es auf Unternehmen ab 1000 Mitarbeiter ausgeweitet. Die Sorgfaltspflichten gelten auch für deutsche Niederlassungen ausländischer Unternehmen. Ab 2026 soll der erreichte Schutz der Menschenrechte in Lieferketten evaluiert werden, um die Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
Da Lieferketten selten linear und kurz sind, sondern sich häufig in Netzstrukturen darstellen, sind diese KMUs schon jetzt vom deutschen Gesetz mittelbar betroffen.

Welche Aufgaben hat das Bundesamt für Ausfuhr (BAFA)? Fristen beachten!

Die Unternehmensberichte zum Erfüllungsstand der gesetzlichen Vorgaben müssen zwingend elektronisch bei der Kontrollbehörde Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle BAFA eingereicht werden.
NEU: Die allerletzte Abgabefrist für den ersten Bericht ist der 31.12.2025 (nicht mehr der 31.12.2024).
Darüber hinaus müssen die Berichte durch das Unternehmen für einen Zeitraum von sieben Jahren kostenfrei jedermann öffentlich (über die Homepage) zugänglich gemacht werden. Das BAFA wird die Erfüllung der Sorgfaltspflichten gem. §§ 4 bis 10 Absatz 1 LkSG ab 1.1.2026 kontrollieren.
Das BAFA hat weitere Fakten, z.B. Informationen zur Berichtspflicht sowie ein Merkblatt zum Fragenkatalog veröffentlicht. Alle Informationen einschließlich aktueller FAQs werden auf den Internetseiten des BAFA zur Verfügung gestellt.
Zweck des dt. Gesetzes
Unternehmen werden in Zukunft verstärkt in die Pflicht genommen, die Menschenrechte, die Umwelt und eine gute Unternehmens­führung in ihren internationalen Aktivitäten zu respektieren. Die Verantwortung der Unternehmen soll sich entsprechend dem neuen Gesetz auf die gesamte Lieferkette erstrecken – abgestuft nach Einflussmöglichkeiten. Die Pflichten müssen durch die Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie gegenüber ihren unmittelbaren Zulieferern umgesetzt werden. Mittelbare Zulieferer werden einbezogen, sobald das Unternehmen von Menschenrechtsverletzungen auf dieser Ebene substantiierte Kenntnis erhält. Das Gesetz konkretisiert, in welcher Form die Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht erfüllen. Dies beinhaltet, dass sie menschenrechtliche Risiken analysieren, Präventions- und Abhilfemaßnahmen ergreifen, Beschwerdemöglichkeiten einrichten und über ihre Aktivitäten berichten müssen. Auch der Umweltschutz ist im Gesetz erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Zudem sollen umweltbezogene Pflichten etabliert werden, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben.

Klagerecht

Außerdem bekommen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit, bei Menschenrechtsverletzungen und Schäden durch Umweltverschmutzung durch ausländische Zulieferer vor deutschen Gerichten zu klagen – wenn die Betroffenen zustimmen. Das ist neu: Bisher konnten nur Geschädigte selbst klagen, was aber in der Praxis oftmals an den Lebensumständen scheiterte.

Was deutsche Unternehmen wissen sollten

Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen erstreckt sich auf den eigenen Betrieb und die unmittelbaren und direkten Zulieferer. Dennoch ist das Gesetz ebenso für Unternehmen von Bedeutung, die nicht in den direkten Anwendungsbereich fallen. Denn diese können mittelbar betroffen sein, etwa als Zulieferer eines in der gesetzlichen Verantwortung stehenden Unternehmens. Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereiches sind jedoch nicht direkte Adressaten von Bußgeldern oder gesetzlichen Verpflichtungen.
  • Die (Groß-)Unternehmen sind verpflichtet, einen Verantwortlichen innerhalb ihres Betriebes festzulegen, der die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überwacht. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig über die Arbeit der zuständigen Person/en zu informieren.
  • Gemäß dem neuen Sorgfaltspflichtengesetz müssen Unternehmen ein angemessenes Risikomanagement entlang der gesamten Lieferkette einführen, das menschenrechtliche Risiken in allen maßgeblichen unternehmensinternen Geschäftsabläufenanalysiert. Als relevante Risikofelder benennt das Gesetz dabei insbesondere Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen und Umweltschädigungen.
  • Sie müssen insbesondere eine Risikoanalyse durchführen, d.h., dass sie zunächst die Teile ihrer Produktions- und Lieferkette identifizieren müssen, die besonders hohe menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken bergen. Dazu zählen auch die Geschäftsbereiche der Zulieferer.
  • Anschließend müssen geeignete Abhilfe- oder präventive Maßnahmen getroffen werden, um Verstößen vorzubeugen. Das kann zum Beispiel die Vereinbarung entsprechender vertraglicher Menschenrechtsklauseln mit dem Zulieferer sein. Ebenso müssen angemessene Maßnahmen zur Beendigung oder Minimierung einer bereits eingetretenen Verletzung (Abhilfemaßnahmen) getroffen werden. Auch Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert, beachtet und angegangen werden, wenn Unternehmen darüber Kenntnis erlangen und tatsächliche Anhaltspunkte haben – etwa aufgrund von Hinweisen durch Behörden, aufgrund von Berichten über eine schlechte Menschenrechtslage in der Produktionsregion oder aufgrund der Zugehörigkeit eines mittelbaren Zulieferers zu einer Branche mit besonderen menschenrechtlichen Risiken.
  • Zudem müssen Unternehmen ein Beschwerdeverfahren einrichten, das direkt Betroffenen ebenso wie denjenigen, die Kenntnis von möglichen Verletzungen haben, ermöglicht, auf menschenrechtliche Risiken und Verletzungen hinzuweisen.
  • Über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen jährlich einen Bericht bei der zuständigen Behörde einreichen.

Grad der Betroffenheit als Lieferant

Der Grad der Betroffenheit für Lieferanten von Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten wird unterschiedlich sein. Beim unmittelbaren Zulieferer muss das Unternehmen einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung erstellen, wenn es die Verletzung nicht in absehbarer Zeit beenden kann. Bei mittelbaren Zulieferern gilt die Sorgfaltspflicht nur anlassbezogen und nur, wenn das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß erlangt.
In dem Fall hat das Unternehmen unverzüglich:
  • Eine Risikoanalyse durchzuführen.
  • Ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung umsetzen.
  • Angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern. Die Umsetzung von Brancheninitiativen ist hierbei eine Möglichkeit.

Vertragliche Vereinbarungen

Im Vorfeld könnten beispielsweise Lieferantenvereinbarungen geschlossen werden, die auf einen verbindlichen Verhaltenskodex verweisen oder es könnten Lieferantenverpflichtungen festgelegt werden, die dafür sorgen, dass Compliance-Standards entlang der Lieferkette eingehalten werden. Als Folge ist die vertragliche Fixierung von Sanktionen wie Kündigungsrechten und Schadensersatzansprüchen ebenso denkbar wie der Nachweis von Schulungen. Neben der Wirksamkeit muss das Risikomanagement angemessen sein, wobei unklar ist, was die Angemessenheit im Einzelfall bedeutet. Jedenfalls richten sich die in der Lieferkette zu ergreifenden Maßnahmen nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, dem Einflussvermögen des Unternehmens auf Verletzende, der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung und der Schwere eines möglichen Schadens.

Was geschieht bei Verstößen?

Bei Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht kann das BAFA Bußgelder verhängen, um die Einhaltung des Gesetzes durchzusetzen. Kommen Unternehmen ihren Pflichten zur Risikoanalyse, zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens, Präventionsmaßnahmen und dem wirksamen Abstellen von bekannten Menschenrechtsverstößen nicht nach, drohen schmerzhafte Bußgelder von bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2% des Jahresumsatzes. Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Ebenso können Unternehmen, die gegen das Gesetz verstoßen, ab einem verhängten Bußgeld von einer bestimmten Mindesthöhe (Schwellenstufe je nach Schwere des Verstoßes: 175.000 EUR bzw. 1.500.000, 2.000.000, 0,35 % des Jahresumsatzes) bis zu drei Jahre von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.

Was bedeutet das Gesetz für kleine und mittlere Unternehmen?

Es ist zu erwarten, dass nicht nur Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe direkt betroffen sind, die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes auf ihre unternehmerischen Abläufe spüren werden. Die Tendenz, dass größere Unternehmen Nachweise auch von ihren kleineren Vertragspartnern einfordern, was deren menschenrechtlich und umweltbezogenes verantwortungsbewusstes Handeln betrifft, gibt es seit Längerem. Diese Tendenz wurde durch das Gesetz bestärkt . Viele Unternehmen setzten sich schon seit geraumer Zeit gezielt damit auseinander, wie sie dem Prinzip unternehmerischer Sorgfalt nachkommen können und wie sie entsprechende Nachweise - auch wenn diese rechtlich nicht verpflichtend sind - ihren größeren Geschäftspartnern bei Bedarf vorlegen können. Nicht selten ist das gerade für kleinere Unternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden.
Da der Regelungsansatz des Sorgfaltspflichtengesetzes in der jetzigen Form durchaus anspruchsvoll ist, bleibt zu hoffen, dass kleine und mittelständische Betriebe durch ihre übersichtlichen Strukturen Vorteile ziehen können und dadurch in die Lage versetzt werden, auf ihr Geschäft bezogene Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Diese - wie die gesamte gewerbliche Wirtschaft - sind sich ihrer Verantwortung des Ehrbaren Kaufmanns durchaus bewusst. Es gibt unzählige Beispiele für Unternehmen, die schon jetzt und ohne rechtliche Verpflichtung, die Wahrung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten zu einem zentralen unternehmerischen Prinzip erklärt haben. Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung des Gesetzes von entsprechenden Tools, Hilfestellungen und zielgerichteten Informationen flankiert wird, sodass Unternehmen in dieser Haltung gestärkt werden können.

Wie starte ich am besten? Und wie geht es dann weiter?

Werden Sie aktiv! Beginnen Sie mit der Organisation eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements. Nutzen Sie dafür z.B. den KMU Kompass:

Der „Sorgfalts-Kompass“ ist Teil des KMU Kompass. Er führt Sie Schritt für Schritt hin zu mehr Nachhaltigkeit und robusten Lieferketten. Das Informationsportal richtet sich speziell an KMU. IHKn, Verbände und Unternehmen waren in die Entwicklung eingebunden.
Durch folgende Schritte führt Sie der KMU Kompass:
  1. Strategie entwickeln – und die Richtung vorgeben
  2. Risiken analysieren – und Prioritäten setzen
  3. Maßnahmen ergreifen – und Verantwortung übernehmen
  4. Messen und berichten – und das Gespräch suchen
  5. Beschwerden managen – und Prozesse verbessern
Inhaltlich basiert der KMU Kompass auf dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Der integrierte CSR Risiko-Check hilft, länderspezifische, branchen- oder länderbezogene Risiken zu identifizieren.
  • Das Portal Siegelklarheit ist eine Initiative der Bundesregierung. Das Portal dient Verbrauchern, Regierungen und Unternehmen, Umwelt- und Sozialsiegel besser zu verstehen. Durch den Vergleich der Siegel haben die standardsetzenden Organisationen außerdem einen Anreiz, stetig an der Verbesserung ihrer Systeme zu arbeiten.
  • Die Standards Map des International Trade Centre ist ein Onlineportal zur Recherche von Standards und Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit – mit dem Schwerpunkt auf Lieferketten. Das neutrale Instrument unterstützt bei der Identifizierung und beim Vergleich der inhaltlichen Anforderungen verschiedener Standards. Die Standards Map vereint über 210 Standards, Code of Conducts und Audit-Protokolle.

Instrumente zur Risikoanalyse

Kompass Nachhaltigkeit nachhaltige Beschaffung
TheIntegrityApp Selbstevaluierung des unternehmerischen Compliance-Systems
Klima-Check klimatische Risiken checken
Climate Expert Klimarisikenbewertung von Niederlassungen und Produktionsstandorten in Entwicklungs- und Schwellenländer mit Selbstanalyse

Leitfäden für Nachhaltigkeitsberichterstattung

Bereit für den Nachhaltigkeitsbericht? Nachhaltigkeitsberichte für KMU Die Broschüre der Global Reporting Initiative (GRI) bietet eine einfache Einführung in die Nachhaltigkeitsberichterstattung unter Verwendung der GRI G4-Leitlinien.
Leitfaden zum Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) Ein praxisorientierter Leitfaden für mittelständische Unternehmen in Anlehnung an die G4-Leitlinien der Global Reporting Initiative.
Nachhaltigkeit in der Lieferkette – Ein praktischer Leitfaden zur kontinuierlichen Verbesserung Basierend auf den Grundsätzen des Global Compact, mit Tipps und Praxisbeispielen skizziert der Leitfaden konkrete Schritte zur nachhaltigeren Gestaltung von Lieferketten.

Aktueller Stand EU-Lieferkettengesetz


Die Richtlinie wurde am 05. Juli 2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und ist am 25. Juli 2024 (20 Tage nach ihrer Veröffentlichung) in Kraft getreten. Nach Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in ihr nationales Recht zu überführen. Danach treten die nationalen Umsetzungsgesetze gestaffelt nach Unternehmensgröße in Kraft, bis dann fünf Jahre nach Verabschiedung schließlich der o.g. Anwendungsbereich gilt. Das deutsche Lieferkettengesetz muss an die Richtlinie angepasst werden, darf aber in einzelnen Punkten auch über diese hinausgehen.

Die schrittweise Umsetzung der Richtlinie ist wie folgt vorgesehen:

  • 2027 (drei Jahre nach Inkrafttreten) ist die Richtlinie anzuwenden für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz;
  • 2028 (vier Jahre nach Inkrafttreten) verringern sich die Schwellenwerte auf 3.000 Mitarbeiter und mehr als 900 Millionen Euro Umsatz;
  • 2029 (fünf Jahre nach Inkrafttreten) werden dann im letzten Schritt Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz erfasst.