Aus- und Weiterbildung

Industriekaufmann/-frau neue Ordnung (ab 01.08.2024)

Der Ausbildungsberuf der Industriekaufleute ist neu geordnet worden, da die letzte grundlegende Neuordnung für diesen Ausbildungsberuf im Kalenderjahr 2002 vorgenommen worden ist. In den letzten 22 Jahren haben sich viele arbeitsorganisatorische, technologische sowie wirtschaftliche Entwicklungen ergeben, die auch eine zunehmende Auswirkung auf das Berufsbild haben. Um diesen Änderungen gerecht zu werden, hat sich der Ausbildungsberuf der Industriekaufleute einer Neuordnung unterzogen.
Die Prüfungsbedingungen ändern sich nicht für Ausbildungsverhältnisse zum 31.07.2024

Novellierung Industriekaufleute: Update für das Flaggschiff der industriellen Ausbildung

Die inhaltliche Modernisierung des Ausbildungsberufes „Industriekaufmann/-frau“ ist abgeschlossen: Der novellierte Beruf tritt zum 1. August 2024 in Kraft. Einer der vertragsstärksten und wichtigsten kaufmännischen Berufe der Industrie erfährt damit sein ‚Update‘, um die künftigen Kompetenzanforderungen der Wirtschaft und die aktuellen Standards der beruflichen Erstausbildung abzubilden. Zugleich wird Bewährtes fortgeführt – nicht zuletzt die Berufsbezeichnung.

Industriekaufleute: Generalisten der Vielfalt

Die Grundausrichtung der Ausbildung wird mit der Neuordnung fortgeführt. Generalistisch formulierte Lernziele entlang der industriellen Wertschöpfungskette prägen daher auch künftig den Beruf. Die breit aufgestellten Kernkompetenzen werden über 30 Monate hinweg u. a. in folgenden Berufsbildpositionen erworben:
  • Leistungserstellung planen und koordinieren,
  • Logistik und Lagerprozesse planen und steuern,
  • Beschaffung planen und steuern,
  • Marketingmaßnahmen planen und umsetzen,
  • Vertriebsprozesse umsetzen,
  • Personalprozesse umsetzen,
  • kaufmännische Steuerung und Kontrolle
Um unter dem breiten Dach des Berufes die verschiedensten Branchen- und Unternehmensrealitäten abstrahieren und abbilden zu können, wurden die Lernziele technikoffen und generalistisch formuliert. Zu kleinschrittige Lernzielformulierungen und langatmige Schachtelsätze konnten weitestgehend vermieden werden, was auch die Verständlichkeit des Ausbildungsrahmenplans in der betrieblichen Praxis erhöht.

Einsatzgebiete: Spezialisierung in der abschließenden Ausbildungsphase

Die ersten Ausbildungsjahre dienen der Orientierung und dem fundierten Kompetenzerwerb in den verschiedenen betrieblichen Teilbereichen und Abteilungen. Auf diese Kernkompetenzen (siehe oben) aufsetzend erfolgt die bewährte Spezialisierung in einem Einsatzgebiet.
Die Dauer des Einsatzgebietes ist idealtypisch mit einem zeitlichen Umfang von ca. 6 Monaten vorgesehen. Nicht selten trägt die Wahl des Einsatzgebietes den während der „Grundausbildung“ festgestellten individuellen Begabungen und Vorlieben der Auszubildenden Rechnung und kann perspektivisch auf eine Verantwortungsübernahme nach Ende der Ausbildung vorbereiten. Zugleich kann das Einsatzgebiet auch ein erster Fingerzeig in Richtung der beruflichen Weiterbildung nach Ende der Erstausbildung sein.
Die Neuordnung strafft die zur Auswahl stehenden Einsatzgebiete wie folgt:
  1. Vertrieb,
  2. Marketing,
  3. Beschaffung,
  4. Logistik,
  5. Personalwirtschaft,
  6. Leistungserstellung,
  7. kaufmännische Steuerung und Kontrolle
  8. […]
Wichtig: Von der Auflistung abweichende Einsatzgebiete können nach wie vor festgelegt werden, wenn in ihnen die notwendigen Kompetenzen gleichwertig vermittelt werden können. Mit Blick auf die derzeit übliche betriebliche Praxis decken die in der Verordnung genannten Einsatzgebiete den benötigten Bedarf bereits gut ab.

Neue Standardberufsbildpositionen

Wie alle modernisierten Ausbildungsordnungen werden auch die Industriekaufleute um neue, verbindliche Mindestanforderungen ergänzt. Diese sind wie nachfolgend aufgeführt während der gesamten Ausbildungszeit integrativ zu vermitteln:
  1. Organisation des Ausbildungsbetriebes Berufsbildung sowie Arbeits- und Tarifrecht
  2. Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit
  3. Umweltschutz und Nachhaltigkeit
  4. Digitalisierte Arbeitswelt
Über die bereits gesetzten Standardberufsbildpositionen hinaus formuliert der Beruf spezifische Inhalte zu den Themen
  1. digitale Geschäftsprozesse,
  2. Kommunikation und Zusammenarbeit,
  3. projektorientiertes Arbeiten sowie
  4. internationale Handlungskompetenz.

Incoterms 2020 in den AP1 und AP2

Die von der Internationalen Handelskammer (ICC) herausgegebenen Vertrags- und Lieferbedingungen sind im internationalen Handel ein wesentlicher Bestandteil vieler Kaufverträge und regeln bedeutsame Käufer- und Verkäuferpflichten.
Nach der diesjährigen Revision der Incoterms 2010 hat die ICC inzwischen reformierte „Incoterms 2020“ veröffentlicht. Diese aktuelle Fassung der Incoterms tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.
Um Sicherheit und Klarheit für die Prüfungsteilnehmer zu schaffen, weist die AkA in Abstimmung mit den zuständigen Aufgabenerstellungsausschüssen darauf hin, dass – falls Aufgaben zu diesem Gebiet gestellt werden sollten – in den von der AkA bereitgestellten Zwischen- und Abschlussprüfungen der o. g. Ausbildungsberufe die Incoterms 2010 letztmalig der Zwischenprüfung Herbst 2020 bzw. der Abschlussprüfung Winter 2020/21 zugrunde liegen.
Ab der Zwischenprüfung Frühjahr 2021 sowie ab der Abschlussprüfung Sommer 2021 finden in entsprechenden schriftlichen Aufgabenstellungen die Incoterms 2020 Anwendung.

Ausbildungsdauer

Die Ausbildungszeit beträgt drei Jahre.

Prüfungen

Die Prüfungsform für Industriekaufleute hat sich geändert. Industriekaufleute unterziehen sich jetzt der gestreckten Abschlussprüfung (Abschlussprüfung Teil 1 und 2).

Abschlussprüfung Teil 1

Die Abschlussprüfung Teil 1 soll im vierten Ausbildungshalbjahr stattfinden und bezieht sich auf die zu vermittelnden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten der ersten 15 Monate aus der Ausbildungsverordnung sowie dem entsprechenden zu vermittelnden Lehrstoff aus dem Berufsschulunterricht.
Teil 1 findet im Prüfungsbereich „Leistungserstellung, Logistik, Beschaffung und Buchhaltung“ statt. Es handelt sich um eine schriftliche Prüfung und die Prüfungszeit beträgt maximal 90 Minuten.

Abschlussprüfung Teil 2

Die Abschlussprüfung Teil 2 findet am Ende der Berufsausbildung statt und bezieht sich auf die zu vermittelnden Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Ausbildungsverordnung sowie den Lehrstoff aus dem Berufsschulunterricht.
Die Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten, die bereits Bestandteil von der Abschlussprüfung Teil 1 gewesen sind, werden nur insoweit berücksichtigt, wie diese für die Feststellung der beruflichen Handlungsfähigkeit notwendig sind.
Teil 2 finden in den folgenden Prüfungsbereichen statt:
  • „Marketing, Vertrieb, Personalwesen und kaufmännische Steuerung und Kontrolle“
    (schriftliche Prüfung, Prüfungszeit: 150 Minuten)
  • „Wirtschafts- und Sozialkunde“
    (schriftliche Prüfung, Prüfungszeit: 60 Minuten)
  • „Fachaufgabe um Einsatzgebiet“
    (Erstellung einer Dokumentation und Präsentation sowie ein Fachgespräch, Prüfungszeit: insgesamt 24 Stunden und 30 Minuten)

Prüfungsbereich: „Fachaufgabe im Einsatzgebiet“

Der Auszubildende hat im festgelegten Einsatzgebiet eine Fachaufgabe eigenständig im Ausbildungsbetrieb durchzuführen. Die eigenständige Durchführung ist vom Ausbildenden zu bestätigen.
Vor der Durchführung hat der Auszubildende einen Antrag zur Genehmigung der Fachaufgabe im entsprechenden Einsatzgebiet dem Prüfungsausschuss vorzulegen. Die Dokumentation soll einen Umfang von drei bis fünf Seiten haben. Die Dokumentation sowie die Bestätigung über die eigenständige Durchführung im Ausbildungsbetrieb muss spätestens am ersten Tag der Abschlussprüfung Teil 2 der Oldenburgischen IHK vorliegen.
Die Planung, Durchführung und Auswertung der betrieblichen Aufgabe ist dem Prüfungsausschuss in einer Präsentation vorzustellen. Ausgehend von der Fachaufgabe und der dazu erstellten Dokumentation sowie Präsentation wird das fallbezogene Fachgespräch mit dem Auszubildenden geführt. Die Prüfungszeit für die Erstellung der Dokumentation, der Präsentation sowie für das Fachgespräch beträgt insgesamt 24 Stunden und 30 Minuten.

Aufteilung der Prüfungszeit und Gewichtung der Prüfungsbereiche

Prüfungsbereich Prüfungszeit Gewichtung Ergebnis
Dokumentation 16 Stunden 10 %
Präsentation
Erstellung: 8 Stunden
Durchführung: 10 Stunden
20 %
Fallbezogenes Fachgespräch 30 Minuten 70 %

Gewichtung der Prüfungsbereiche

Prüfungsbereich Gewichtung
Leistungserstellung, Logistik, Beschaffung und Buchhaltung“ (Abschlussprüfung Teil 1) 25 %
„Marketing, Vertrieb, Personalwesen und kaufmännische Steuerung und Kontrolle“ 35 %
„Fachaufgabe im Einsatzgebiet“ 30 %
„Wirtschafts- und Sozialkunde“ 10 %

Ausbildungsverordnung und der Rahmenlehrplan

Die Verordnung und der Rahmenlehrplan für das neugeordnete Berufsbild Industriekaufmann/-frau sind am 12. März 2024 erschienen und können auf der Internetseite des BiBB eingesehen werden. Altrnativ können Sie die Verordnung des Berufsbildes auch im IHK-Online-Portal unter dem Menüpunkt Ausbildungsberufe herunterladen.

Umsetzungshilfe für die Praxis

Die Umsetzungshilfe zum Ausbildungsberuf der Industriekaufleute aus der Reihe „Ausbildung gestalten“ ist auf der BIBB-Webseite erschienen. Sie steht ab sofort als kostenloser Download zur Verfügung und enthält u. a. Erläuterungen zum betrieblichen Ausbildungsrahmenplan mit Beispielen aus der Praxis.

Berufsschule

Der Berufsschulunterricht erfolgt an 1-2 Berufsschultagen pro Woche. In der Regel findet im ersten Ausbildungsjahr der Berufsschulunterricht an zwei Tagen und ab dem zweiten Ausbildungsjahr an einem Tag in der Woche statt.
Berufsbildenden Schulen für den Landkreis Wesermarsch
Gerd-Köster-Str. 4, 26919 Brake
www.bbs-wesermarsch.de
BBS am Museumsdorf
Museumstr. 14-16, 49661 Cloppenburg
www.bbsam.de
Berufsbildende Schulen 1, Delmenhorst
Richtstr. 1, 27753 Delmenhorst
www.bbs1-delmenhorst.de
BBS Friesoythe
Thüler Str. 13, 26169 Friesoythe
www.bbs-friesoythe.de
Handelslehranstalten Lohne
Ostendorfstr. 1, 49393 Lohne
www.hla-lohne.de
BBS-Haarentor
Ammerländer Heerstr. 33-39, 26129 Oldenburg
www.bbs-haarentor.de
BBS Wildeshausen
Feldstr. 12, 27793 Wildeshausen
www.bbswhs.de
Berufsbildende Schulen Wilhelmshaven
Friedenstraße 60 – 62, 26386 Wilhelmshaven
https://www.bbs-wilhelmshaven.de

Was müssen Unternehmen jetzt beachten?

Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart bis 31.07.2024

Ausbildungsverhältnisse (reguläre und verkürzte Ausbildungszeit) mit Ausbildungsstart bis 31.07.2024 müssen nach alter Verordnung eingetragen und ausgebildet werden. Die Prüfungen finden nach den alten Prüfungsstrukturen (Zwischenprüfung/Abschlussprüfung) statt.

Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart ab 01.08.2024 (reguläre Ausbildungszeit – 36 Monate)

Neue Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart ab dem 01.08.2024 müssen nach der neuen Verordnung eingetragen, ausgebildet und beschult werden. Die Prüfungen finden nach der neuen Prüfungsstruktur der Verordnung statt (gestreckte Abschlussprüfung). Die Zwischenprüfung entfällt und wird durch Teil 1 der Abschlussprüfung ersetzt.

Ausbildungsverhältnisse mit Ausbildungsstart ab 01.08.2024 (mit verkürzter Ausbildungszeit)

Das Ausbildungsverhältnis muss in diesem Fall nach der neuen Verordnung eingetragen und ausgebildet werden. Wir geben jedoch an dieser Stelle den Hinweis, sollte der Wunsch bestehen, eine verkürzte Ausbildung innerhalb der neuen Verordnung abzubilden, dass eine vollumfängliche Beschulung nicht gewährleistet werden kann. Bei einer Verkürzung z.B. von einem Jahr, fehlt den Auszubildenden das elementare letzte Ausbildungsjahr mit dem Schwerpunkt des Einsatzgebietes. Zudem stehen den Auszubildenden keine alten Prüfungen zur Vorbereitung zur Verfügung, was das selbstständige Erlernen der Inhalte erschwert.
Alternativ kann das verkürzte Ausbildungsverhältnis nach alter Verordnung eingetragen werden, sofern der Ausbildungsstart bis zum 31.07.2024 datiert ist.

Wo erhalten Betriebe weitere Informationen?

Bei Fragen rund um den modernisierten Beruf, zu den Ausbildungsvoraussetzungen und der neuen gestreckten Abschlussprüfung steht die Oldenburgische IHK als Ansprechpartner gerne zur Verfügung.
* Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir meist die männliche Form. Entsprechende Textstellen gelten selbstverständlich gleichwertig für alle Geschlechter (m/w/d).