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Beeindruckt von der Ordnung
Mit einem Pilotversuch baut die IHK eine Brücke nach Mittelamerika. Acht junge Leute aus Honduras erkunden die nord-westfälische Arbeitswelt und sind begeistert, die teilnehmenden Unternehmen auch. | Text: Tobias Hertel
Die passende Schraube direkt zur Hand: Said Selin schätzt die Ordnung im Unternehmen.
© Hertel/IHK Nord Westfalen
Drei Wochen Praktikum
Drei Wochen absolvierten die drei Honduraner ihr Ausbildungspraktikum beim Hersteller für Etikettiermaschinen in Senden-Bösensell. Fünf weitere Praktikantinnen und Praktikanten aus dem mittelamerikanischen Land waren gleich um die Ecke bei der Beresa GmbH & Co. KG sowie in Münster-Hiltrup bei der BASF Coatings GmbH beschäftigt.
Die drei Unternehmen haben teilgenommen an einem Pilotversuch der IHK Nord Westfalen. Sie kooperiert mit dem Centro Técnico Hondureño Alemán (CTHA), einer technischen Berufsschule in Honduras. 1.300 Schülerinnen und Schüler besuchen die Einrichtung, darunter die acht Praktikantinnen und Praktikanten. Sie erkunden kurz vor ihren schulischen Berufsabschlüssen noch den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsalltag.
Viel dazugelernt hat Hannah Gonzales, die bei Langguth unter anderem Schaltschränke baut und anschließt.
© Hertel/IHK Nord Westfalen
Verlässlichkeit für Unternehmen
Mit dem Versuch will die IHK Unternehmen die Suche nach Fach- und Arbeitskräften aus Ländern außerhalb der EU erleichtern. „Wir bauen eine verlässliche Brücke zwischen einem Herkunftsland und Nord-Westfalen“, erklärt Sabine Mayer, IHK-Abteilungsleiterin für Fachkräftesicherung.
Wir bauen eine verlässliche Brücke zwischen einem Herkunftsland und Nord-Westfalen.Sabine Mayer, IHK-Abteilungsleiterin für Fachkräftesicherung
Noch verzichten viele Betriebe darauf, in Drittstaaten Auszubildende oder neue Fachkräfte anzuwerben. Erwartungshaltungen auf beiden Seiten und offene Fragen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse schrecken allzu häufig ab, hinzu kommen mögliche Verständigungsprobleme.
Die sprachlichen Hürden sind bei den Praktikantinnen und Praktikanten aus Honduras allerdings auffallend niedrig. „Sie sprechen gut deutsch“, freut sich Langguth-Geschäftsführer Peter Tschoepe. Die acht jungen Menschen, die nach Nord-Westfalen gekommen sind, haben ihr B1-Sprachzertifikat in der Tasche. Mit jedem Tag im Betrieb wird ihr Deutsch besser, da bleibt dann nur noch, das sehr spezielle deutsche Fachvokabular zu lernen.
Ähnlich fallen die Rückmeldungen aus den anderen Praktikumsbetrieben aus. „Die Praktikanten aus Honduras sind fachlich sehr gut und generalistisch aufgestellt, sie sind wissbegierig, fleißig und sehr freundlich. Sprachlich sind sie sogar überraschend gut“, resümiert Kai Grabbe, bei BASF Coatings Ausbildungsleiter für technische Berufe.
Es passt in der Werkstatt und im Team.Inga Schulze Empting, Personalsachbearbeiterin bei Beresa
„Es passt in der Werkstatt und im Team“, ergänzt Inga Schulze Empting, Personalsachbearbeiterin bei Beresa. Der Praktikant Emilio Jimenez am Standort in Senden-Bösensell kommt bestens an bei den Kollegen, „er versteht die Zusammenhänge sehr gut, kann gut anpacken und gut deutsch“, fasst Schulze Empting zusammen. Man habe durchaus Interesse, den jungen angehenden Kraftfahrzeugmechatroniker dauerhaft für den Betrieb zu gewinnen. Und Jimenez selbst ist begeistert von der Nutzfahrzeugtechnik.
Wege der Fachkräfteanbahnung
Die IHK arbeitet daran, den Weg für die betriebliche Ausbildung und Qualifizierung sowie eine spätere Beschäftigung für die angehenden honduranischen Fachkräfte zu ebnen. Die Kooperation mit der honduranischen Berufsschule ist ein Baustein, über das erweiterte Fachkräfteeinwanderungsgesetz ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten.
Formal bringen die angehenden Nachwuchskräfte aus Mittelamerika einige sehr gute Voraussetzungen schon mit: Das CTHA unterrichtet in Honduras nach eigenen Angaben unter anderem Industriemechanik, Elektrotechnik, Elektronik, Stahlbau, Kältetechnik und Fahrzeugbau – und lehnt sich dabei eng an die deutsche Ausbildung an.
Und der Realitätscheck? Der bestätigt ein gutes Vorwissen, heißt es bei Langguth. „Die jungen Leute sind super vorbereitet und motiviert“, stellt Geschäftsführer Tschoepe fest. „Die Kollegen sind begeistert, wie sie ihre Aufgaben meistern.“ Am Anfang fehlte es etwas an Praxiserfahrung bei der Arbeit an „echten“ Maschinen. „In Honduras werden Probleme eher an der Tafel gelöst“, berichtet Ausbildungsleiter Essmann. Das Montieren von Teilen klappte aber auf Anhieb, das Bohren war rasch eingeübt. Erstaunt ist er darüber, wie gut sie sich mit der CNC-Steuerung auch neuer Maschinen auskennen.
Beeindruckt von der Ordnung
Für Joseph Cruz ist das keine große Sache. „Alles, was wir hier machen, haben wir schon in der Schule gelernt“, sagt der Praktikant selbstbewusst. Andere Programmiersprachen seien kein Problem. Was ihm gefällt: „Hier folgen alle den Regeln. Es ist perfekt, alles hat einen Sinn.“ Und für alles gebe es das passende Werkzeug. Auch Said Selin ist beeindruckt von der Ordnung: „Wenn ich eine Schraube brauche, finde ich sie sofort. Alles ist aufgeräumt.“ Hannah Gonzales freut sich, viel dazuzulernen. „Wir bauen Schaltschränke mit allen Komponenten und schließen sie an“, erzählt sie. „Die Arbeit macht Spaß. Die Kollegen sind höflich und haben Geduld.“
Bei so positiven Eindrücken liegt der Gedanke nahe, dass die Heimkehr nach Honduras nicht von Dauer ist. „Ich suche eine Chance, in Deutschland als Mechatroniker oder Industriemechaniker zu arbeiten“, blickt Said Selin voraus. Joseph Cruz kann sich ebenfalls eine Zukunft in Deutschland vorstellen. „Ich liebe Honduras, aber hier habe ich viele Möglichkeiten.“ Hannah Hernández plant eine Ausbildung oder ein Duales Elektrotechnik-Studium.
Blick über den Horizont
Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen wie Tschoepe stehen Überlegungen der jungen Honduraner, in Deutschland zu arbeiten, aufgeschlossen gegenüber. „Vielleicht können sie eine betriebliche Ausbildung bei uns machen, Teile ihrer Ausbildung lassen sich anerkennen“, ist er sich sicher. Bei Langguth liegt der Exportanteil bei 70 Prozent, gefragt sind deshalb Beschäftigte mit Sprachkompetenz. Die Belegschaft, die hier arbeitet, hat ihre Wurzeln in Spanien, Chile, aber auch in Syrien und der Türkei.
Der Blick über den Horizont ist auch deshalb notwendig, weil angesichts des demografischen Wandels Bewerbungen von Fachkräften und Auszubildenden längst nicht mehr in so großer Zahl eingehen wie noch vor einigen Jahren. Und das, obwohl das Unternehmen mit Schulen kooperiert und sich regelmäßig Schüler und Schülerinnen zum Praktikum in den Betrieb holt.
Faire Fachkräfte-Anbahnung
Auch andere Unternehmen zeigen Interesse. Die honduranischen Talente lernten neben den drei Praktikumsbetrieben auch Flender International GmbH in Bocholt kennen. Weitere Kontakte knüpfte die kleine Delegation aus Honduras auf der CoeMBO, der Coesfelder Messe zur Bildungs- und Berufsorientierung.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel setzt darauf, dass diese „systematische und faire Fachkräfte-Anbahnung auf Augenhöhe“ ein Erfolgsmodell sein wird. Die Rückkehrer nach Honduras sieht er als Botschafterinnen und Botschafter für die beruflichen Chancen in Deutschland. Vielleicht, so hofft er, kommen dann im nächsten Jahr nicht acht, sondern vielleicht 30 Praktikantinnen und Praktikanten aus Mittelamerika nach Deutschland – am Bedarf der Betriebe wird es nicht scheitern: am herzlichen Willkommen auch nicht.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel