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Nicht alle Städte erreichen das Vorkrisenniveau
Das veränderte Kaufverhalten und der wachsende Onlinehandel hinterlassen Spuren in den Innenstädten des Münsterlands und der Emscher-Lippe-Region. Das zeigen die Passantenfrequenz-Messungen der IHK Nord Westfalen in 32 Städten. Aber noch nicht in allen Mittelzentren sind die Besucherzahlen so hoch wie vor der Corona-Pandemie oder Russlands Angriff auf die Ukraine. Christoph Berger, Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses, sieht aber in den meisten Städten sieht er eine „Stabilisierung auf einem neuen Normalniveau“.
Langfristige Trends und neue Herausforderungen
Seit 2014 erhebt die IHK alle zwei Jahre die Passantenfrequenzen, um die Anziehungskraft der Innenstädte zu messen. In den Jahren 2020 und 2022 waren Rückgänge zu verzeichnen. Die Erholung verläuft unterschiedlich: Während einige Städte schneller auf die Füße kommen, bleiben andere noch hinter den Erwartungen zurück. „Der Handel ist zwar weiterhin ein wichtiger Frequenzbringer, aber längst nicht mehr der einzige“, betont Berger. Gastronomie, Dienstleistungen, Kultur und Freizeit spielen zunehmend eine zentrale Rolle. Gerade Mittelstädte könnten mit ihrer Erreichbarkeit und einem vielfältigen Angebot punkten.
Beispiele aus der Region: Bocholt, Rheine und Coesfeld
Die höchsten Passantenzahlen im Münsterland wurden in Bocholt an der Neustraße mit durchschnittlich über 1.900 Passanten an Samstagen in der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr gezählt. Rheine kommt im Messbereich Emsstraße auf 1.745, Coesfeld an der Letter Straße auf 1.353 und Ahlen an der Oststraße auf 1.310 Besucherinnen und Besucher.
Vreden: Erfolg durch neuen Nutzungsmix
Ein Beispiel für einen gelungenen Nutzungsmix liefert Vreden in der Kategorie Mittelzentren bis 30.000 Einwohner. Die Stadt setzte auf die Ansiedlung von Gastronomiebetrieben. In der Wüllener Straße wurden an acht Donnerstagen jeweils von 15 bis 16 Uhr im Schnitt 279, an den acht Samstagsterminen je 252 Besucherinnen und Besucher gezählt. Das ist deutlich mehr als der Mittelwert der Messung seit 2014, der bei 215 Passanten liegt.
„Wir haben seit 2021 den Leerstand in der Innenstadt konsequent reduziert“, sagt Citymanager Jörg Lenhard. Dabei habe auch das „Sofortprogramm zur Stärkung unserer Innenstädte und Zentren in Nordrhein-Westfalen“ des Landes geholfen, ergänzt Vredens Bürgermeister Dr. Tom Tenostendarp. Außerdem blickt die städtische Wirtschaftsförderung über die Grenze: Die 2022 gestartete Imagekampagne auch in niederländischer Sprache habe zu einer kontinuierlichen Steigerung der Besuche geführt. Das klare Ziel: Vreden soll als attraktiver Ort für Freizeitgestaltung positioniert werden.
Präsentierten die Ergebnisse der Passantenfrequenz-Messungen (v.l.): IHK-Handelsexperte Jens von Lengerke, Christoph Berger, Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses, Birgitt Wachs von der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH, die die Untersuchung durchgeführt hat, und Christian Paasche, Handelsreferent der IHK Nord Westfalen.
© Pöhnert/IHK Nord Westfalen
Herausforderungen in der Emscher-Lippe-Region
In der Emscher-Lippe-Region stehen die Innenstädte vor ähnlichen Herausforderungen, sind jedoch zum Teil noch stärker im Umbruch. Christian Paasche, Handelsreferent der IHK Nord Westfalen, berichtet von sinkenden Passantenzahlen in einigen Städten. Die betroffenen Städte steuern aber gegen diesen Trend an. In Gelsenkirchen beispielsweise wurden an der Bahnhofstraße weniger Passanten gezählt als in den Krisenjahren. Der Weggang von großen Ankermietern wie Saturn, Primark und Kaufhof hinterließ deutliche Spuren. Der Blick geht aber nach vorn: „Hier loten die Innenstadtakteure neue Entwicklungschancen für betroffene Großimmobilien aus“, erläutert Wirtschaftsförderin Dr. Uta Willim.
Bottrop: Neue Impulse durch Umbauten
Auch in Bottrop stehen Veränderungen an. Die geplante Umgestaltung der ehemaligen Karstadt-Immobilie durch einen lokalen Investor soll neue Impulse setzen. Zusätzlich arbeitet die Stadt intensiv an einem Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept, um nicht nur den öffentlichen Raum zu verbessern, sondern auch die Wohn- und Arbeitsbedingungen. Mit dem privaten Investment und den öffentlichen Maßnahmen solle dem Rückgang der Passantenfrequenz an der Hansastraße, die im Vergleich zum Durchschnitt seit 2014 um 20 Prozent gesunken ist, entgegengewirkt werden.
Die Hochstraße in Gladbeck führt im Kreis Recklinghausen mit durchschnittlich 1.880 Passanten an Samstagen. Dahinter folgen Castrop-Rauxel, Am Markt, mit 1.423 Passanten und die Recklinghäuser Straße in Dorsten mit 1.308 Passanten.
Technologische Neuerungen in der Messung
Mit der aktuellen Zählung führte die IHK Nord Westfalen einige Neuerungen ein, um die Aussagekraft der Ergebnisse zu verbessern. Neben den bisherigen einstündigen Zählungen an einem Donnerstag und einem Samstag fließen nun Daten von insgesamt 16 Terminen pro Standort ein. Zusätzlich wurden GPS-Bewegungsdaten genutzt, um den Tagesfrequenzverlauf zu erfassen. „Damit bilden wir die oft deutlichen Verschiebungen innerhalb eines Tages ab, die eine Folge flexiblerer Arbeitszeiten und von Homeoffice sind“, erläutert IHK-Handelsreferent Paasche. Trotz dieser Veränderungen bleibt der Samstag der wichtigste Einkaufstag, doch auch die Wochentage gewinnen an Bedeutung.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel