Standort & Politik

Gelsenkirchen ist internationale Spitzenklasse

Dass Taylor Swift Gelsenkirchen weltberühmt gemacht hat, ist letztendlich dem FC Schalke 04 zu verdanken. | Von: Jochen Grütters
„Und woher kommen Sie?“ Insbesondere im Ausland führt meine Antwort auf diese häufig gestellte Frage nicht immer dazu, dass der Fragende mit der Ortsangabe etwas anfangen kann. Berlin können auch im Ausland viele Menschen geografisch einordnen, ebenso München und Hamburg, aber Gelsenkirchen?
Manchmal hilft der Zusatz „nördliches Ruhrgebiet“ um zu erklären, woher ich komme. Fast immer aber ist es zielführender, sofort den bekanntesten Stadtteil von Gelsenkirchen zu nennen - Schalke. Zumindest bei Fußballfans entstehen direkt blau-weiß gefärbte Assoziationen zum FC Schalke 04, einem der bekanntesten europäischen Fußballvereine.

Von der Kampfbahn zur Arena

Aber nicht nur der Verein, sondern auch seine drei Stadien sind bekannt: Die „Kampfbahn Glückauf“ war ein reines Fußballstadion. Sie war bis 1973 die Heimspielstätte des FC Schalke 04 und der Ort vieler legendärer Fußballspiele. Dann folgte der Wechsel in das neu errichtete Parkstadion, einem Stadion mit einer Laufbahn und einem Fassungsvermögen von 70.600 Zuschauern. Fortan gab es neben den Heimspielen des FC Schalke 04 weitere Veranstaltungen, mit denen sich auch die Bekanntheit von Gelsenkirchen erhöht hat:
Die deutsche Fußballnationalmannschaft trug zwischen 1973 und 1998 insgesamt acht Spiele im Parkstadion aus. Das Stadion war zudem Austragungsort der Fußball-WM 1974. Neben einem Entscheidungsspiel in der Qualifikationsphase fanden hier fünf Spiele des Turniers statt. Bei der Fußball-EM 1988 waren es zwei. Hinzu kommen zwei Endspiele im DFB-Pokal und drei deutsche Leichtathletik-Meisterschaften.
Schon damals wurden Stadien auch für Großereignisse jenseits des Sports genutzt. 1987 gab es im Parkstadion eine Papstmesse, die dazu führte, dass der damalige Papst Johannes Paul II. Ehrenmitglied beim FC Schalke 04 wurde. Zudem gaben international bekannte Musiker Konzerte im Parkstadion, zum Beispiel Marius Müller-Westernhagen, Wolfgang Petry, Michael Jackson, Pink Floyd, Genesis und die Rolling Stones.
Mit der Inbetriebnahme der „Arena aufSchalke“ (seit 2005 heißt das Stadion VELTINS-Arena) verringerte sich 2001 zwar das normale Fassungsvermögen der offiziellen Spielstätte des FC Schalke 04 auf ca. 62.000 Personen, aber dafür stieg die Attraktivität des Stadions für Sportler, Künstler und Zuschauer nochmals deutlich. Die vom FC Schalke 04 errichtete Multifunktionsarena verfügt über ein schließbares Dach, einen herausfahrbaren Rasen und den derzeit größten Videowürfel in Europa. Es gibt auch keine Laufbahn mehr, so dass die Zuschauer wieder näher am Geschehen sind.
Mit der VELTINS-Arena ist Gelsenkirchen in die Champions-League der Städte für Großevents aufgestiegen und zum Dreh- und Angelpunkt für hochkarätige Sportveranstaltungen und andere Events geworden. Vor allem für nationale und internationale Musikstars führt an der VELTINS-Arena kaum noch ein Weg vorbei.
Natürlich gibt es hier auch weiterhin nationale und internationale Fußballspiele. Die Heimspiele des FC Schalke 04 zählen jeweils mehr als 60.000 Zuschauer. Das Finale der Champions-League 2004, die WM 2006, die EURO 2024 und elf Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft wurden in der Arena ausgetragen. Auch die Klitschko-Brüder haben hier geboxt, eine Eishockey-WM wurde vor fast 78.000 Zuschauern eröffnet und seit 2002 findet in der Arena die World Team Challenge im Biathlon statt. Weitere Sportarten, die ebenfalls zu Gast in der Arena waren, sind American-Football, Handball (Bundesliga) und Darts (German Darts Masters).

Multifunktional

Das verschließbare Dach und der herausfahrbare Rasen bieten enorme Vorteile gegenüber anderen Stadien. Das Dach schützt vor Regen und minimiert den draußen hörbaren Lärm. Der herausfahrbare Rasen verhindert Schäden bei Events, bei denen der Innenraum genutzt wird. Auch deshalb hat die Arena eine noch höhere Anziehungskraft bei international bekannten Künstlern wie z.B.: Pur, Bruce Springsteen, Bon Jovi, Robbie Williams, Herbert Grönemeyer, U2, AC/DC, Helene Fischer, Coldplay, Udo Lindenberg, Depeche Mode, Ed Sheeran und Rammstein. Außerdem wurden die Opern Aida, Carmen und Turandot in der Arena aufgeführt.
Eigentlich kaum zu glauben, dass noch nicht jeder auf der Welt Gelsenkirchen kennt. Dass der Bekanntheitsgrad der Stadt auch jenseits meiner Urlaubserfahrungen noch ausbaufähig war, zeigte sich Anfang des Jahres: In der bekannten US-Late-Night-Show „Jimmy Kimmel live“ behauptete Moderator und Namensgeber der Show, dass noch nie irgendjemand etwas von Gelsenkirchen, Deutschland, gehört hat. „Vielleicht existiert es nicht einmal“, spottete Kimmel. Anlass für die Äußerungen waren die drei im Juli anstehenden Konzerte von Taylor Swift in der VELTINS-Arena. Sicher, die beiden anderen Städte in Deutschland, in denen der Superstar jeweils „nur“ zwei Konzerte angesetzt hatte, waren und sind bekannter: Hamburg und München. Das gilt auch für andere Stationen der Europatour von Taylor Swift wie Stockholm, Zürich, Paris oder London.
Nach den drei Konzerten in Gelsenkirchen - den ersten in Deutschland, also vor Hamburg und München - hat die kleinste Stadt der Eras-Tour jedoch spürbar aufgeholt. Viel mehr Menschen als zuvor dürfte Gelsenkirchen jetzt ein Begriff sein. Auch Jimmy Kimmel, wenn er die internationale Berichterstattung verfolgt hat.

“Swiftkirchen”

In Gelsenkirchen haben nämlich viele Menschen die Anwesenheit der derzeit weltbekanntesten Künstlerin gut genutzt, um auch den Bekanntheitsgrad der Stadt zu steigern und ihr Image auf sympathische Weise zu verbessern. Über eine „Taylor Town“ in der Innenstadt, die zahlreichen Selfie-Points, die zeitweise Umbenennung in „Swiftkirchen“ mit entsprechenden Ortsschildern, die übergroßen Taylor Swift-Pappaufsteller, das Taylor Swift-Eis und die tolle Atmosphäre wurde weltweit berichtet, z.B. in der Washington Post oder der Neuen Zürcher Zeitung.
Bei allem Hype um Taylor Swift liegt der Ursprung für die Bekanntheit von Gelsenkirchen aber nach wie vor im Fußball. Ohne den FC Schalke 04 gäbe es keine VELTINS-Arena, und ohne die VELTINS-Arena gäbe es keine Veranstaltungen mit derart internationaler Strahlkraft in Gelsenkirchen.
Wenn ich beim nächsten Mal gefragt werde, wo ich herkomme, werde ich wie in der Vergangenheit zunächst antworten „aus Gelsenkirchen“. Ich bin gespannt, ob die Auftritte von Taylor Swift dazu geführt haben, dass ich auf die Ergänzung „Schalke“ zukünftig, wenn auch sehr ungern, verzichten kann.
Jochen Grütters