Praxis & Ratgeber

Strategien für die Fachkräfte-Suche

Personalvermittler helfen bei der Fachkräfte-Suche. Ihre Strategien sind unterschiedlich: Von Social Media-Anzeigen bis zur persönlichen Ansprache Wechselwilliger führen viele Wege zum neuen Mitarbeiter.
In Zeiten des Fach- und Arbeitskräftemangels ist es ein verlockendes Versprechen: Innerhalb von 30 Tagen will „K&D Consulting“ kleinen und mittelständischen Unternehmen zur gesuchten Fach- und Führungskraft verhelfen. Gerade mal 90 Sekunden soll die Auswahl einer Bewerberin oder eines Bewerbers dauern, verspricht die noch junge Recruiting-Agentur aus Münster.

Wechselwillige auf Facebook

Lasse DeAngelis
FH-Student und Unternehmens-Mitbegründer: Lasse De Angelis setzt bei der Suche nach Fachkräften auf soziale Medien und KI. © Studio Wiegel, Münster
Funktionieren soll das über Plattformen, die zum Teil eher selten oder gar nicht mit der beruflichen Karriere in Verbindung gebracht werden: Facebook, Instagram und TikTok, aber auch LinkedIn ist dabei. In diesen Netzwerken tummelt sich der sogenannte „passive Bewerbermarkt“, erklärt Lasse De Angelis. Der BWL-Student an der FH Münster hatte vor zwei Jahren die Agentur mit dem Unternehmer Thomas Kodura gegründet. K&D generiert Bewerbungen sowohl von Fach- und Führungskräften, aber auch von Azubis. Ob CNC-Fräser, Arzthelferin oder IT-Administrator, deutschlandweit sind viele Berufszweige abgedeckt. „Der Schwerpunkt liegt dabei in der Region.“
Auf Facebook, Instagram & Co. sind potenziell wechselwillige Kandidatinnen und Kandidaten unterwegs, die bisher mit dem Gedanken eines Jobwechsels allenfalls gespielt haben. „80 bis 85 Prozent des Bewerbermarktes besteht aus solchen passiv Wechselwilligen“, verweist De Angelis auf Studien. Mehr als die Hälfte der Deutschen sei mit ihrer Stelle unzufrieden, habe eine Umfrage von Ernst & Young ergeben. Auf den gängigen großen Karriereportalen sei diese Klientel aber eher selten anzutreffen, erklärt er. „Dort konkurrieren Unternehmen außerdem mit hunderten anderen Unternehmen um die Bewerber, die aktiv einen neuen Job suchen“.

Richtige Ansprache entscheidet

Doch wie lockt die Agentur den möglichen Wechsel-Kandidaten aus der Reserve? „Durch die richtige Ansprache“, erläutert De Angelis. Wer in seiner Anzeige beispielsweise mehr Anerkennung bei der Arbeit verspricht, kann damit oft schon zu einem Klick motivieren. In weniger als zwei Minuten navigiert sich der potenzielle Bewerber anschließend durch einen Online-Fragebogen. Ausbildung, Berufserfahrung oder Soft Skills werden abgefragt. „Dies legen wir mit dem Kunden fest“, erläutert er. Anschreiben und Lebenslauf sind erst im zweiten Schritt notwendig, „wer hat schon seinen Lebenslauf auf dem Handy?“
Um Streuverluste beim Ausspielen von Werbeanzeigen klein zu halten, kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel. Der Meta-Konzern, zu dem Facebook und Instagram gehören, sammelt Millionen von Nutzerdaten. Mit diesen Daten, kombiniert mit KI, lassen sich die passenden Profile ansprechen. Alter, Wohnort und Beruf geben viele ohnehin an, was die Zielgruppe bereits eingrenzt. Jeder Nutzer hinterlässt durch Seitenaufrufe seinen Online-Fingerabdruck. „Wer im Internet ein Verhalten zeigt, das dem von Bewerbern ähnelt, gilt für Facebook als Kandidat.“

Die Schmerzpunkte kennen

Damit die passend ausgespielte Anzeige zum Klick führt, nutzt K&D „marketingpsychologische Ansätze“, erklärt er. „In jeder Branche gibt es Schmerzpunkte.“ Beispielsweise leiden nach seiner Erfahrung viele Beschäftigte unter Mehrarbeit, weil Arbeitsabläufe nicht abgesprochen sind. Dann weckt es bereits Interesse, mit regelmäßigen Meetings und strukturierten Abläufen zu werben.
Unternehmer auf Personalsuche sollten diese „psychologischen Schmerzpunkte“ kennen, rät De Angelis. Mit Geld und Benefits allein ließen sich vielleicht schnell Bewerber gewinnen, aber diese seien genauso schnell wieder abgeworben. Vielen Beschäftigten sei wichtiger, dass der Arbeitgeber Verständnis habe im Falle einer Krankheit oder einer Elternzeit. Ein No Go, wie er findet: „Mit kostenlosem Wasser werben. Das ist längst selbstverständlich.“
Hat sich ein Bewerber durch den Fragenkatalog geklickt, bekommt er eine automatisierte E-Mail. Darin wird er gebeten seinen Lebenslauf zu schicken. Die Erfolgsquote? Einer der Kunden von K&D ist EQQO aus Neuenkirchen, eines der bundesweit größten Straßenreinigungsunternehmen. „Für EQQO haben wir in einem Jahr mehr als 500 Bewerbungen generiert“, berichtet De Angelis. Im Durchschnitt fünf bis zehn Prozent der Bewerberinnen und Bewerber werden auch eingestellt.
 

Individuelle Vernetzung entscheidet

Skeptischer sehen die Münsterland Manager die Chancen, über soziale Netzwerke oder Ausschreibungen auf der eigenen Homepage geeignete Kandidaten zu gewinnen. „Das bringt seit längerer Zeit schon nicht mehr den gewünschten Erfolg“, lautet die Einschätzung von Ingo Terfloth, seit diesem Jahr einer der geschäftsführenden Gesellschafter. Seine Strategie lautet, sich lieber individuell mit Kunden und wechselbereiten Führungskräften zu vernetzen.
Das führe eher zum Ziel, auch wegen des Fachkräftemangels. Dieser sei „zugleich Fluch und Segen“. Zwar würden die Personalvermittler einerseits öfters beauftragt, bei der Suche nach passenden Kandidaten zu helfen. Andererseits sind Wechselkandidaten anspruchsvoller. Mit-Gesellschafter und Personalberater Heiko Wehner bringt es so auf den Punkt: „Vor fünf Jahren kam der Kandidat zu uns. Heute möchte er umworben werden“.

Kandidaten direkt ansprechen

 Holger Wehner (l.) und Ingo Terfloth bauen auf ihre regionale Verankerung.
Über ein großes Netzwerk zum Erfolg bei der Fachkräfte-Rekrutierung: Holger Wehner (l.) und Ingo Terfloth bauen auf ihre regionale Verankerung. © Birgit Depenbrock
Die Konsequenz schildert Terfloth: „Wir arbeiten mittlerweile fast ausschließlich über eine Direktansprache der uns passend erscheinenden Kandidaten“. Da sind in 16 Geschäftsjahren einige Kontakte entstanden. In dem Zeitraum haben die Berater rund 15000 Führungskräfte und Spezialisten interviewt und sie mit ihren Wünschen und Qualifikationen kennengelernt. Rund 650 bis 800 qualifizierte Interviews stehen pro Jahr an und vergrößern die Datenbank immer weiter.
Wert legen Wehner und Terfloth auf die räumliche Nähe zum Kunden. Das Unternehmen trägt das „Münsterland“ schon im Namen und fühlt sich in der Region eng verwurzelt. Münsters Hafen bezeichnet Wehner als „unsere Home-Base“, von hier aus erreichen die Berater ihre Kunden im Umkreis von 80 Kilometern. „Wir kennen die meisten der hier ansässigen Unternehmen und deren Philosophie“, betont Terfloth. Auch der enge Austausch und die vertrauliche Zusammenarbeit vor Ort funktioniere besser mit regionalem als mit bundesweitem Fokus. Etwa 700 Unternehmen finden sich in der Kundenkartei, meist Mittelständler, aber auch Konzerne sind darunter.

Drei bis sechs Monate bis zum Arbeitsvertrag

Haben diese eine Stelle zu besetzen, führen die Personalberater erst ein Briefing-Gespräch. Dabei geht es darum, das Wunschprofil zu erfahren, aber auch, das Unternehmen und seine Kultur und Werte zu verstehen. Auf dieser Grundlage sprechen die Berater mögliche Kandidaten an, führen Interviews und prüfen die Qualifikationen. „Um einem Perfect Match möglichst nahe zu kommen, müssen dann die Kernkompetenzen und eine Identifizierung mit dem neuen Unternehmen in jedem Fall gegeben sein“, unterstreicht Wehner. Dazu zählt für ihn auch, ob ein Kandidat menschlich ins Unternehmen passt, „er sollte ähnlich ticken wie das Team“. Die Münsterland Manager begleiten auch die weiteren Gespräche. Etwa drei bis sechs Monate braucht es etwa, bis der Arbeitsvertrag mit dem fürs Unternehmen richtigen Bewerber unterzeichnet ist. „Allein der Vorstellungsprozess beim Kunden dauert sechs Wochen“, erklärt Wehner.
Was er Betrieben rät: Auf die Außenwirkung achten, wahrnehmbar sein, sich bekannt machen. Damit werden Kandidaten für Positionen bis ins mittlere Management auf ein Unternehmen aufmerksam. Für Stellen im Top-Management braucht es aber fast immer Unterstützung. „Es gibt im Münsterland Top-Führungskräfte“, macht Wehner Mut. Die Recruiter suchen aber auch bundesweit, vor allem mit Blick auf die „Heimkehrer“. Das sind Münsterländer, die zurück in die Region möchten. Und noch etwas gibt Wehner Unternehmern auf den Weg: „Die Außendarstellung beginnt schon an Schulen, Fachhochschulen und Universitäten“. Tage der offenen Tür, Schnupperkurse und Projektarbeiten helfen, sich die künftige Führungskraft frühzeitig zu sichern.