Praxis & Ratgeber

Biodiversität? Check!

Der Erhalt der Biodiversität spielt für die Wirtschaft eine zentrale Rolle. Der Global Nature Fund analysiert mit Unternehmen, wie und wo sie hier besser werden können. (Von Melanie Rübartsch)
Für Symrise ist die Natur Rohstoff-, Inspirations- und Innovationsquelle. Das Holzmindener Unternehmen entwickelt Duftstoffe und Aromen sowie funktionale Inhaltsstoffe. „Bei unserer Produktion sind wir auf zahlreiche Pflanzen und Öle angewiesen, die Natur ist aber auch eine riesige Schatzkammer für neue Ideen“, sagt Sascha Liese, Director Corporate Sustainability bei Symrise. An dem Erhalt der Artenvielfalt und bestehenden Ökosystemen hat Symrise daher naturgemäß ein besonderes Interesse. Die Biodiversität spielt daher in der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens eine besondere Rolle. Bereits 2012 hat sich Symrise daher dem Biodiversity Check der international tätigen Stiftung Global Natur Fund (GNF) unterzogen.  „Wir wollten von externen Fachleuten erfahren, wo wir stehen, und welche Ansatzpunkte wir in unseren einzelnen Geschäftsfeldern haben, den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt voranzutreiben“, so Liese.
Logo mit Schriftzug „Nachhaltig in Nord-Westfalen“
Der Check dient Unternehmen als erste Orientierung, um Auswirkungen und Abhängigkeiten der verschiedenen Unternehmensbereiche auf die biologische Vielfalt zu identifizieren. Symrise hat bei seiner Analyse einen besonderen Fokus auf seine Lieferketten und die Rohstoffgewinnung gelegt. In einem ersten Schritt ging es darum, strategisch wichtige Lieferketten, wie etwa den Bezug von Patchouli aus Indonesien, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf sowie ihrer Abhängigkeiten von . Daraus leiteten sich
Maßnahmen ab, die diese Eingriffe vermeiden oder verringern. „So haben wir inzwischen in verschiedenen Anbaugebieten wichtiger
 Sascha Liese, Director Corporate Sustainability bei Symrise
© Canva
Rohstoffe gemeinsam mit großen Händlern und Nichtregierungsorganisationen wie der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit Projekte aufgesetzt, die die kleinen Landwirte vor Ort dazu befähigen, umweltbewusster und sozialverantwortlich zu agieren“, erklärt Liese. Bei den Projekten geht es unter anderem um einen bewussteren Einsatz von Pflanzenschutz, alternative Formen der Kultivierung von Naturstoffen sowie umweltschonende Verarbeitungsmethoden.  
Stichwort: Was ist Biodiversität?
Biodiversität bezeichnet die Vielfalt aller lebenden Organismen, Lebensräume und Ökosysteme auf dem Land, im Süßwasser, in den Ozeanen sowie in der Luft. Konkret beinhaltet Biodiversität 
- die Vielfalt unterschiedlicher Arten
- die genetische Vielfalt innerhalb einzelner Arten 
- die Vielfalt an Biotopen und Ökosystemen sowie die 
Bedrohungen für die Biodiversität sind unter anderem der Klimawandel, veränderte Land- oder Meeresnutzung, Übernutzung von Ressourcen, Umweltverschmutzungen und die Verbreitung invasiver Arten.  
Für den Biologen ist elementar, dass Biodiversität wirklich über alle Unternehmensbereiche hinweg eine Rolle spielt: „In der Forschung entwickeln wir etwa Lösungen, die den Einsatz bedrohter Pflanzen ersetzen können.“ Mit natürlichen Ressourcen wie Wasser sparsam umzugehen und das Firmengelände naturnah zu gestalten, sei ohnehin Teil des Umweltmanagements. 
Biodiversität rückt zunehmend in den Fokus von Unternehmen. „Es geht dabei über die ökologische und soziale Verantwortung der Unternehmen hinaus um entscheidende ökonomische Gründe“, sagt Inna Gabler, Unternehmensverantwortliche Nachhaltigkeit bei der IHK Nord Westfalen. Ganze Wirtschaftszweige hängen direkt oder indirekt
Klatschmohn
© Gattenlöhner/Global Nature Funds
von intakten Ökosystemen ab. Zudem werden Betriebe auch zunehmend politisch dazu verpflichtet, umweltfreundlich und ressourcensparend zu wirtschaften. So verlangt etwa das Lieferkettengesetz einen Blick auf den gesamten Produktionsprozess und im Rahmen der neuen EU-Berichtserstattungspflichten müssen Unternehmen – abhängig von ihrer Größe ab 2025  –  nach dem neuen Standard zu Biodiversität und Ökosystemen (ESRS E4) konkret belegen, dokumentieren und veröffentlichen, wie sich ihre Geschäftsaktivitäten auf die Natur auswirken. „Der Biodiversity Check des GNF ist eine Möglichkeit, den Blick für diese Themen zu schärfen“, sagt Gabler.
Die Stiftung hat den Check 2010 gemeinsam mit der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Unternehmensberatung Dokeo und der Bodensee-Stiftung entwickelt. „Er soll für Unternehmen ein Startpunkt sein, um das Thema Biodiversität in das betriebliche (Umwelt-)Management zu integrieren“, erklärt Stefan Hörmann, stellvertretender Geschäftsführer des GNF. Biodiversität spielt dort bei vielen Unternehmen zwar meist bereits eine Rolle. „Es fehlt oft aber ein ganzheitlicher Blick gezielt auf die Auswirkungen für die Natur“, so Hörmann. Ein Beispiel: Das Unternehmen definiert das Ziel, den Wasserverbrauch um x Prozent zu senken. Es schaut sich aber nicht an, wo das Wasser eigentlich herkommt – ob durch den eigenen Verbrauch zum Beispiel Flüsse in der Region entwässert oder verschmutzt werden. 
Der Biodiversity Check prüft – übrigens entsprechend der Vorgehensweise der Umweltmanagementsysteme EMAS III und ISO 14001 –  mögliche negative Auswirkungen einzelner Unternehmensbereiche, Lieferketten, Liegenschaften, Produkte oder Prozesse und zeigt potenzielle Risiken und Chancen auf. Das Ergebnis ist ein gemeinsam mit dem jeweiligen Unternehmen erarbeiteter Aktionsplan.
Dabei orientiert sich der GNF an der so genannten Vermeidungshierarchie: 
1. Lassen sich negative Auswirkungen auf die Biodiversität komplett vermeiden? 
2. Wenn nicht, wie lassen sie sich minimieren? 
3. Wie lässt sich Natur wiederherstellen?  
Wichtig: Der Check ist nicht mit einer Zertifizierung oder einem Siegel verbunden. Ob und wie Unternehmen den Aktionsplan umsetzen, bleibt ihnen überlassen und wird auch nicht überprüft. „Die Ergebnisse können aber als Grundlage des erwarteten EU-Lieferkettengesetzes oder der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dienen“, sagt Hörmann. Darüber hinaus lassen sie sich mit Konzepten wie der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) und der Science Based Targets for Nature (SBTN)-Initiative verknüpfen. Dahinter verbergen sich – vereinfacht gesagt – internationale Initiativen und Netzwerke, die Methoden entwickeln, mit denen Unternehmen ihre Abhängigkeiten von der Natur und ihre Auswirkungen auf die Natur bewerten und steuern können.

 
Den Biodiversity Check haben inzwischen bereits über 300 Unternehmen aus Deutschland genutzt. Je nach Betriebsgröße und Anzahl der zu prüfenden Unternehmensbereiche liegen die Kosten dafür zwischen 3.000 und 30.000 Euro. 
Für Symrise hat der Check bis heute spürbare Impulse gesetzt. „Wir haben wichtige Erkenntnisse gewonnen, um unsere Bemühungen im Bereich Biodiversität weiter zu systematisieren und zu implementieren“, sagt Liese.