Fachkräfte aus dem Ausland

Bei Wecon Wurzeln geschlagen

Weil in den Metall-Berufen kaum noch Bewerbungen aus dem hiesigen Arbeitsmarkt eingehen, holt Wecon Auszubildende aus Afrika ins Team. Die künftigen Fachkräfte sind gut vorbereitet und kommen, um zu bleiben. (Von Dominik Dopheide)
Der Markt im Nutzfahrzeugbau ist in Bewegung. „Wir sehen starke Konsolidierung, viele der rund 390 Hersteller von Anhängern und Container-Technik ziehen sich gerade aus dem Geschäft zurück“, berichtet Hendrik Hemker, Geschäftsführender Gesellschafter der in Ascheberg und Altenberge ansässigen Wecon GmbH. Mit kleinen Serien hat das Unternehmen seit vielen Jahren großen Erfolg und zählt zu den rund 30 Anbietern, die 95 Prozent des Marktes bedienen. Hemker hat den Zukunftskurs abgesteckt: Wecon soll weiterhin mit individuellen Produkten punkten – für Anforderungen, die mit standarisierter Großserien-Herstellung nicht zu erfüllen sind. Dabei sollen Produktionstiefe und Wertschöpfung im eigenen Haus noch vergrößert werden. „Wir wollen uns mit einem Portfolio, dass nicht so konjunkturanfällig ist, in dem hochvolatilen Markt des Fahrzeugbaus nachhaltig aufstellen“, erklärt er.
Doch ist ihm bewusst, dass es in dieser Rechnung einen entscheidenden Faktor gibt: Fachkräfte. „Wir erhalten seit der Corona-Pandemie für die Bereiche Karosserie- und Fahrzeugbau sowie Metallbau aus dem hiesigen Arbeitsmarkt fast keine Bewerbungen mehr, können aber pro Jahr bis zu zehn Stellen ausschreiben“, schildert er die Situation und fügt an: „Fachkräftemangel ist hier und jetzt“. Andernorts aber ist das Unternehmen fündig geworden. Vor acht Jahren hatte sich der Leiter einer Privatschule in Kamerun bei Wecon gemeldet, die in ihrem Bildungsplan mathematisch-technische Schwerpunkte legt und zugleich Sprachkenntnisse in Deutsch vermittelt. Die Schülerinnen und Schüler dort werden gezielt für eine Ausbildung in Deutschland vorbereitet und bringen in der Regel Fachabitur oder Hochschulreife mit. Angesichts geringer Berufschancen käme für die meisten dieser Auszubildenden eine Rückkehr ins Heimatland nicht in Frage, sagt Hemker. Im Gegenteil: „Sie bringen Familie und Freunde mit, und das eröffnet uns einen weiteren Markt, um künftige Fachkräfte zu gewinnen“, erläutert er. Inzwischen erhält Wecon auch Zulauf aus Benin, denn dort hat die Schule eine Dependance. Aus Marokko schließlich bewerben sich junge Menschen, die auf der Website der Agentur für Arbeit nach einem ausgeschrieben Ausbildungsplatz recherchieren. Sie sehen ihre Zukunft in Deutschland und haben sich Sprachkenntnisse bereits selbst angeeignet, wie Hemker erzählt.

Knackpunkt Gesellenbrief

Gerne würde er auch fertig ausgebildete Fachkräfte der Fahrzeugbau-Berufe anstellen. Dass viele Ausbildungsabschlüsse in Deutschland nicht anerkannt werden, habe sich aber als eine Barriere erwiesen, die kaum zu überwinden sei. „Ohne einen Gesellenbrief nach deutschem Muster gibt es weder ein Visum und noch die Arbeitsmarktzulassung von der Bezirksregierung Köln, die in NRW für die Anträge zuständig ist“, erläutert Hemker. Trotz neuer Regelungen gelte dieses Prinzip nach wie vor, und zwar selbst dann, wenn die potenzielle Verstärkung über große Arbeitserfahrung und Zertifikate verfügt.
So hatte sich ein Schweißer bei Wecon beworben, der, geboren in Kamerun, weltweit Arbeitserfahrungen gesammelt hat – unter anderem in Kanada und Dubai. „Er konnte exzellente Referenzen vorweisen und hat Pipelines geschweißt, das ist die höchste Kunst in diesem Handwerk“, erklärt Hemker. Doch habe sich der Bewerber von Deutschland abgewendet, nachdem die Behörde einen Gesellenbrief sehen wollte. Der Bezirksregierung Köln macht der Unternehmer keinen Vorwurf: Sie sei an eine Gesetzgebung gebunden, die einen praxisbezogenen Weg, gute Leute nach Deutschland zu holen, damit sie hier ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen und sich gezielt nachqualifizieren können, nicht vorsehe. Die Politik, fügt er an, habe sich selbst und dem Standort Deutschland somit Sperrbalken eingebaut. Vor diesem Hintergrund konzentriert sich Wecon auf die vergleichsweise unkomplizierte Anstellung von Auszubildenden.

Bewerbungsgespräch auf Deutsch

Die Schulen in Kamerun und Benin machen es dem Unternehmen leicht: Sie sondieren vorab, welche Lebensläufe und Qualifikationen am besten zum Anforderungsprofil passen. Das Bewerbungsgespräch werde dann online und auf Deutsch geführt. Wecon setzt das Sprachqualifikationslevel B2 voraus, damit sich sowohl die Auszubildenden als auch die Lehrkräfte in der Berufsschule voll auf die Inhalte konzentrieren können. Mit den Sprachkenntnissen, betont Hemker, sei zugleich der erste große Schritt zur sozialen Integration vollzogen. „Wir müssen die Ankommenden nicht mehr an die Hand nehmen, wie noch 2015“, berichtet er. Stattdessen werden sie von Auszubildenden, die schon länger im Betrieb sind, ins gesellschaftliche Leben mitgenommen – zum Beispiel in den örtlichen Fußballverein. Wecon unterstütze, wenn im Zuge der Kommunikation mit den Behörden Fragen auftauchen oder eine Unterkunft organisiert werden muss.
Die Abbrecherquote ist gleich null, die Übernahmequote liegt bei 100 Prozent, diese jungen Menschen sehen ihre Zukunft in Deutschland.

Hendrik Hemker, Geschäftsführender Gesellschafter bei der Wecon GmbH

„Erschwinglicher Wohnraum ist der begrenzende Faktor bei der Integration der Auszubildenden – ein Riesen-Problem“, sagt Hemker, der auch auf Immobilien im Besitzstand des Familienunternehmens zurückreift, damit alle, die ankommen, auch unterkommen. Bereits 18 Mitarbeitende mit ausländischen Wurzeln hat Wecon bereits ausgebildet und als Fachkräfte übernommen. „Die Abbrecherquote ist gleich null, die Übernahmequote liegt bei 100 Prozent, diese jungen Menschen sehen ihre Zukunft in Deutschland“, freut sich der Unternehmer, der darauf stolz ist, dass inzwischen 19 Nationen in der Belegschaft vertreten sind. Nur bei wenigen Mitarbeitenden hat die Internationalisierung des Teams Skepsis oder sogar Vorbehalte hervorgerufen. „Wir haben dann viel erklärt und versucht, Toleranz aufzubauen“, erzählt Hemker und fügt an: „Hier und da haben wir auf Granit gebissen und mussten mit erhöhten Konsequenzen unsere Linie durchsetzen, denn im Alltag müssen ja alle zusammenarbeiten.“ Stand jetzt scheint es Wecon gelungen zu sein, das internationale Team zusammenzuschweißen: „Wir sehen auf Betriebsfeiern, dass alle kunterbunt durcheinanderstehen“, freut sich Hemker.
Zahlen & Fakten zur Wecon GmbH Nutzfahrzeuge-Container-Technik:
Das Unternehmen wurde 1988 gegründet. Es ist in der Branche Nutzfahrzeugbau tätig und auf die Geschäftsfelder LKW-Anhänger und -Aufbauten, Wagon-Ausrüstung und Terminaltechnik spezialisiert. An den Standorten in Ascheberg (Hauptsitz) und Altenberge werden 170 Mitarbeiter beschäftigt. Der Jahresumsatz lag bei 36 Mio. Euro.