IHK-Jahresbericht 2024
In NRW stellte sich die Lage etwas besser dar: Das Bruttoinlandsprodukt ist in der ersten Jahreshälfte 2024 (aktuellster verfügbarer Wert) gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres um 0,1 Prozent gestiegen, während es im gesamten Bundesgebiet um 0,2 Prozent gesunken ist.
© death_rip/AdobeStock
© william87/AdobeStock
Was notwendig ist, damit sich die Produktivkräfte der Wirtschaft wieder stärker entfalten können, erläuterte beim IHK-Konjunkturforum Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Prof. Manuel Rupprecht, Dekan der Münster School of Business, untersuchte angesichts der „Zeitenwende in der Weltwirtschaft“ anschließend das Geschäftsmodell Deutschlands.
Gerade auch weil die Situation wegen der Vielzahl der Krisen und durch das geopolitische Umfeld so unsicher sei, forderte IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel deutliche Aufbruchsignale und neue strukturelle Impulse aus der Wirtschaftspolitik, die dann auch für den dringend erforderlichen Schub bei den Investitionen sorgen könnten. Die Vollversammlung der IHK Nord Westfalen hatte hierzu bereits im März 2024 Position bezogen.
© stokkete/AdobeStock
Konjunktur verharrt im Tief
Allgemeine wirtschaftliche Lage
Die deutsche Konjunktur verharrte auch im Jahr 2024 im Tief. Die wirtschaftliche Aktivität ist weiterhin ohne Schwung geblieben und ließ keine Aufwärtsdynamik erkennen. Das Bruttoinlandsprodukt war mit minus 0,2 Prozent das zweite Jahr in Folge sogar leicht negativ. Es lag nur 0,3 Prozent höher als vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019. Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands fiel auch im internationalen Vergleich – sowohl mit anderen großen EU-Mitgliedsstaaten als auch großen Volkswirtschaften wie USA oder China - weiter zurück. So wuchs nach aktueller Prognose das BIP seit 2019 in der EU insgesamt um 5,3 Prozent.
In NRW stellte sich die Lage etwas besser dar: Das Bruttoinlandsprodukt ist in der ersten Jahreshälfte 2024 (aktuellster verfügbarer Wert) gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres um 0,1 Prozent gestiegen, während es im gesamten Bundesgebiet um 0,2 Prozent gesunken ist.
Während sich die Dienstleistungen und insbesondere der Wirtschaftsbereich Information und Kommunikation etwas besser entwickelten, sind Industrie- und Baukonjunktur schwach geblieben. Die Zahlen zu den Auftragseingängen ließen klar erkennen, dass die Belebung der Nachfrage ausgeblieben ist. In etlichen Branchen wurde deutlich weniger produziert als im Vorjahr. In den energieintensiven Industriezweigen blieb die Produktion auf niedrigem Niveau. Viele Industrieunternehmen kämpften mit hohen Energiepreisen und hohen Produktionskosten. Die Umsätze der nord-westfälischen Industriebetriebe lagen im Zeitraum Januar bis September 2024 mit 34,5 Milliarden Euro 3,4 Prozent unter dem Vorjahresniveau.
Die im internationalen Vergleich großen Kostensteigerungen und schwache Produktivitätsentwicklung im Verarbeitenden Gewerbe schlugen sich in einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit nieder. So lagen die Lohnstückkosten deutlich höher als 2023 (+5,4 Prozent). Die hohen Baukosten, die seit dem Jahr 2019 um gut 40 Prozent zugelegt haben, wirkten sich weiterhin negativ auf die Bauinvestitionen aus. Besonders stark gebremst wurde der Wohnungsbau.
Die Preisdynamik hatte im vergangenen Jahr nachgelassen. Nach den kräftigen Anstiegen der vergangenen Jahre lag die jahresdurchschnittliche Inflationsrate – gemessen am Verbraucherpreisindex für Deutschland im Vergleich zum Vorjahr – bei 2,2 Prozent. Die Kerninflationsrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) war im Jahresdurchschnitt 2024 mit 3,0 Prozent noch deutlich erhöht. Insgesamt blieben die Preise auf einem hohen Niveau, knapp 20 Prozent über dem Jahresdurchschnitt von 2019.
Obwohl sich die Teuerungsrate vermindert und die Reallöhne einen positiven Trend verzeichnet haben, blieb der private Konsum im vergangenen Jahr schwach. Gleichzeitig wurde die Spartätigkeit weiter ausgedehnt - die Sparquote stieg auf 11,6 Prozent. Angesichts der gedämpften Konsumneigung der privaten Verbraucher sind stärkere Impulse im Handel beziehungsweise konsumnahen Dienstleistungsbereichen weiter ausgeblieben.
Zu den hohen konjunkturellen Risiken kamen zum Jahresende gestiegene Unsicherheiten über die politischen Rahmenbedingungen hinzu - zum einen durch den Ausgang der US-Wahlen, zum anderen durch den Bruch der Ampelkoalition. Unsichere wirtschaftliche Perspektiven hemmten insbesondere auch die Investitionsbereitschaft der Unternehmen, was sich in dem abermaligen deutlichen Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen niedergeschlagen hat.
2. IHK-Konjunkturforum
Die angespannte konjunkturelle Lage in Deutschland und in der IHK-Region Nord-Westfalen, die eher mageren mittelfristigen Wachstumsperspektiven und die großen strukturellen Herausforderungen waren Anlass für das 2. IHK-Konjunkturforum am 3. September 2024. Wie die Konjunktur wieder in Fahrt kommt und wie die Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben können, stand im Mittelpunkt der Online-Veranstaltung, die von FAZ-Wirtschaftsredakteurin Heike Göbel moderiert wurde.
© IHK Nord Westfalen
© IHK Nord Westfalen
IHK-Konjunkturumfrage
Im Herbst 2024 hatte sich auch die Stimmung in der nord-westfälischen Wirtschaft – nach einer leichten Erholung in der ersten Jahreshälfte - wieder verschlechtert. Das Stimmungstief spiegelte insbesondere der IHK-Konjunkturklimaindikator wider, der aktuelle Lageeinschätzung und Geschäftserwartungen für die nächsten Monate in einem Wert zusammenfasst und zuletzt wieder zurückgefallen war – so ein zentrales Ergebnis der letzten Konjunkturumfrage. Nur noch jeder siebte Betrieb rechnete in den nächsten Monaten mit besseren Geschäften. Im Frühjahr hatte sich noch jedes fünfte Unternehmen zuversichtlich gezeigt.
Alles in allem standen die Zeichen damit auch in der IHK-Region Nord-Westfalen weiter auf Stagnation oder leichter Rezession. Die allseits bekannten strukturellen Probleme - hohe Arbeitskosten, hohe Energiekosten, Bürokratiebelastungen - drückten die unternehmerischen Erwartungen.
Im letzten Jahr war die Konjunkturschwäche auch am nord-westfälischen Arbeitsmarkt angekommen: Die Arbeitslosigkeit war seit über zwei Jahren gestiegen und der Beschäftigungsaufbau hat sich verlangsamt. In der Industrie wurden Arbeitsplätze abgebaut, die Arbeitslosenzahlen in Nord-Westfalen haben von rund 88.000 Ende 2022 auf 99.700 im Jahresdurchschnitt 2024 zugelegt. Mit 103.500 im August 2024 wurde ein Niveau vergleichbar mit dem Höchststand zu Zeiten der Corona-Pandemie im Jahr 2020 erreicht. Die Nachfrage nach Personal war in allen Wirtschaftsbereichen merklich gedämpft. Der Anteil der einstellungsbereiten Unternehmen war in der Konjunkturumfrage mit 14 Prozent auf ein besonders niedriges Niveau gefallen. Wegen des demografisch bedingten Fachkräftemangels versuchten die Unternehmen, Entlassungen zu vermeiden.
© zorandim75/AdobeStock
Zum Hintergrund: Konjunkturindikatoren aus Umfragedaten sind für die Diagnose der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung von großer Bedeutung. Schließlich nehmen ökonomische Verhaltensweisen der Unternehmer – zum Beispiel ihre Ausgaben für Investitionen oder ihre Personalentwicklungsstrategien – selbst ganz entscheidenden Einfluss oder aber sie reagieren auf neue konjunkturelle Impulse. Das Fragenprogramm der regelmäßigen IHK-Konjunkturumfragen ist speziell darauf ausgerichtet, diejenigen Größen abzufragen, die ein möglichst gutes Stimmungsbild der konjunkturellen Situation in der Region liefern.