Betriebliches Mobilitätsmanagement
Praxisbeispiele
Die Lage in Münsters Berufsverkehr ist angespannt. Drei ansässige Unternehmen steuern gegen: Ihr betriebliches Mobilitätsmanagement entlastet Verkehr, Umwelt und Mitarbeiter. (Von Dominik Dopheide)
Rolf Suhre hat das Thema Mobilität buchstäblich auf dem Plan: Der Geschäftsführer der in Münster ansässigen nts Ingenieurgesellschaft mbH konzipiert und koordiniert für Kommunen Erschließungsmaßnahmen im öffentlichen Raum – darunter Verkehrsprojekte. Starkes Wachstum der Stadt, Mangel an Bauland
, extreme Pendlerströme: Dieser Kausalkette sei geschuldet, dass sich in Münster jeden Morgen einiges anstaut, so Suhre. Die Stadt, mahnt er, verliere an Attraktivität, weil es kaum möglich sei, zu angemessenen Konditionen eine Wohnung oder Bauland zu finden. Da müsse nachgebessert werden, sonst werde es für Unternehmen schwer, Fachkräfte langfristig zu halten. Immer mehr Abzüge von jungen Familien ins Umland: Dieser Trend betrifft auch nts, berichtet der Geschäftsführer. Das Unternehmen hat drei Themen des Mobilitätsmanagement ausgewählt, um Mitarbeitern das mobile Leben leichter zu machen. „Wir fördern die Nutzung des ÖPNV“, nennt Suhre den ersten Ansatzpunkt. Auszubildende werden bei nts mit dem landesweiten Azubiticket begrüßt. nts Marketingmanagerin Mareike Wenzel hat allerdings vergeblich versucht, die Idee der ÖPNV-Förderung auf das ganze Team auszuweiten: „Nur zwei Mitarbeiter waren interessiert, aber der Anbieter schreibt eine Mindestabnahme von 20 Tickets vor“, berichtet sie. Die Bus-Routenführung innerhalb der Stadt Münster spreche gegen das Verkehrsmittel – zu viele Schlenker, zu viele Stopps. Wer zügig joggt, sei schneller, sagt Suhre. Der Königsweg zum Betrieb ist für ihn ohnehin die Veloroute. Fahrrad und E-Bike gehören bei nts längst zur Unternehmensphilosophie. Laut Wenzel nutzen mehr als 40 Prozent der 110 Mitarbeitenden ein steuerlich gefördertes Dienstrad, für nts der zweite Ansatzpunkt des Mobilitätsmanagements. Überdachte, beleuchtete Stellplätze auf dem Betriebsgelände, Regenschutzkleidung frei Haus, Dusche für Langstreckenfahrer, Werkstatt, Profi-Inspektion und ein Anfahrtsplan, der exklusiv die Velorouten zeigt: So konsequent hat das Unternehmen seine Radkultur entwickelt. Dafür wurde es als erstes in Münster vom ADFC als fahrradfreundlicher Arbeitgeber ausgezeichnet und hat direkt den Goldstatus erreicht. Das Fahrrad zu fördern, so Wenzel, heißt zugleich die Gesundheit der Belegschaft zu fördern – und den Teamgeist. Seite an Seite nämlich machen sich Mitarbeiter auf den Weg zur Arbeit, die sonst kaum in Kontakt kommen, weil sie in verschiedenen Abteilungen tätig sind.
© nts
Der dritte Ansatzpunkt im Mobilitätsmanagement von nts folgt dem Motto „weniger ist mehr“. Statt viele persönliche Firmenwagen unterhält nts einen Dienstwagenpool, darunter Fahrzeuge mit E-Antrieb. Somit, erklärt Suhre, werden die Autos effektiver genutzt und Verkehr, Klima und Umwelt entlastet.
Rund 55 Prozent der 450 GWS-Mitarbeiter am Standort Münster sind Pendler. Eine Erklärung: Junge Familien zieht es ins Umland
. Ein Drittel jener, die in der Stadt wohnen, kommt mit dem Rad. Mehr als 100 Leasing-Dienstbikes füllen das eigens eingerichtete Fahrradparkhaus. ÖPNV-Tickets sind im Angebot, haben sich aber, trotz guter Anbindung, als Ladenhüter erwiesen. Doch will Geschäftsführer Thomas Latajka ohnehin, dass, wenn immer möglich, ein anderer Weg zu Projekten und Kunden führen soll: die Datenautobahn. „Wir richten aktuell unser ganzes Geschäft, wenn möglich, auf das Remote-Arbeiten aus“, erklärt er. Virtuelle Zusammenarbeit: In den Lockdowns der Pandemie hatten die Digitalisierungsprofis ihre Kunden und deren ITSysteme auch vom Home-Office aus auf dem Schirm. Das hat nicht nur die Mitarbeiter entlastet, die zuvor viel Zeit im Auto verbracht hatten, sondern auch Straßen, Umwelt und Betriebskonto. Rund 350 000 dienstliche km und ca. 65 000 kg CO2 hat GWS laut Latajka allein in 2021 eingespart.
© GWS
Ganz ausrangiert ist das Auto bei GWS aber nicht. Es gibt Termine, die vor Ort wahrgenommen werden müssen, und es gibt noch einige im Team, die Wert auf einen persönlichen Dienstwagen legen. Autos mit E-Antrieb sowie Ladesäulen stehen auf dem Hof, und zurzeit wird die Dienstwagenregelung an die Mobilitätsbedürfnisse der Mitarbeiter angepasst. Verantwortlich für die Umsetzung des neuen Mobilitätskonzepts sind der Teamleiter des Fuhrpark- und Facilitymanagements, Michael Brinkmann, und dessen Kollege, Christian Becker. Beide haben bei der IHK Nord Westfalen den Zertifikatslehrgang „Betrieblicher Mobilitätsmanager IHK“ absolviert. „Das hat meine Sicht erweitert, die Vor- und Nachteile verschiedener Fortbewegungsmittel wurden aufgedeckt, mögliche Kombinationen gezeigt“, erzählt Brinkmann, der sich darauf freut, das erworbene Wissen im Betrieb zu teilen. So viel stehe fest: Mobilität bei GWS werde nachhaltiger und umweltbewusster.
In dieselbe Richtung steuert die WEICON GmbH & Co. KG, Spezialist für Kleb- und Dichtstoffe. Ein geplanter Parkplatzumbau hatte die Perspektive
© Weicon
eröffnet, zugleich die grundlegende Infrastruktur für E-Mobilität zu schaffen. „Das war eine gute Gelegenheit, uns für die Zukunft aufzustellen, und angesichts der Fördermöglichkeiten ist uns die Entscheidung sehr leichtgefallen“, sagt Geschäftsführer Ralph Weidling. Gleich 16 Ladesäulen mit insgesamt 24 Ladepunkten für Elektroautos hat das Unternehmen aus dem Boden gestampft. Dort werden die Elektro-Dienstwagen der Flotte, aber auch die privaten Pkw getankt. Passend zu Strom fließen die Informationen: Die Mitarbeitenden können kostenfrei eine Beratung zum Einstieg in die E-Mobilität buchen. „Diese Angebote werden sehr gut angenommen, und wir merken, dass sich inzwischen alle mit dem Thema beschäftigen“, berichtet Weidling. Impulse geben und zugleich offen sein für Ideen aus dem Kreis der Mitarbeitenden: So funktioniert Mobilitätsmanagement made by WEICON. Das Unternehmen verzichtet auf ein ausformuliertes Konzept. Es handelt lieber spontan, nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip.
Das Car-Sharing-Modell eines externen Anbieters etwa hat sich nicht durchgesetzt. „Das war zu teuer, die Mitarbeitenden bilden lieber in Eigenregie Fahrgemeinschaften“, erklärt Ann-Katrin Weidling, die gemeinsam mit ihrem Vater die Geschäfte führt. Und Bus und Bahn? Sie fahren offensichtlich am Bedarf der Belegschaft vorbei. Von 200 Mitarbeitenden am WEICON-Standort in Münster sind weniger als zehn auf dem Arbeitsweg mit dem ÖPNV unterwegs. „Das Angebot müsste zeitlich und preislich attraktiver werden, um Pkw von der Straße zu holen“, begründet die Unternehmerin. Das Verkehrsmittel Rad ist dagegen auch bei WEICON ein Renner. Mehr als 100 Firmen-Bikes sind in Betrieb. Das Unternehmen hat ein eigenes Leasingmodell, dass auch Partnerinnen und Partner nutzen können. „Uns geht es um den Mehrwert für die Mitarbeitenden“, sagt Ralph Weidling, der aber bei allen Maßnahmen zur betrieblichen Mobilität noch mehr im Blick hat als nur das Betriebsklima: „WEICON als Unternehmen und Teil der Gesellschaft möchte mit einem möglichst kleinen CO2 -Fußabdruck dazu beitragen, die Erderwärmung dauerhaft zu begrenzen“, so der Unternehmer.