Lieferketten
Das Lieferkettengesetz (LkSG) kompakt
Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – kurz Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes oder Lieferkettengesetz (LkSG) – ist am 1. Januar 2023 in Kraft treten. Zweck des Gesetzes ist es, die internationale Menschenrechtslage sowie bestimmte umweltbezogene Aspekte durch eine verantwortungsvolle Gestaltung der Lieferketten von in Deutschland ansässigen großen Unternehmen zu verbessern.
Anwendungsbereich
Das Lieferkettengesetz legt fest, dass Unternehmen, die ihren Hauptsitz, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz, ihren satzungsmäßigen Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben, Menschenrechte durch die Einhaltung spezifischer Sorgfaltspflichten respektieren müssen.
Das Gesetz galt ab 1.1.2023 zunächst für alle Unternehmen – unabhängig von der Branche und Rechtsform – mit mindestens 3.000, seit 1.1.2024 gilt es auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 regelmäßig Beschäftigten im Inland. Die wichtigsten Punkte stellt das BAFA in einem Merkblatt zur Ausweitung des Anwendungsbereichs bereit.
Betroffene Unternehmen müssen in ihrer Lieferkette menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten (§ 3 LkSG). Die Lieferkette (§ 2 Abs. 5 LkSG) bezieht sich auf alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens. Sie umfasst alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zu der Lieferung an den Endkunden. Im Gesetz wird ein abgestufter Geltungsbereich in der Lieferkette definiert:
- Das Handeln eines Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich
(§ 2 Abs. 6 LkSG)
Der eigene Geschäftsbereich erfasst jede Tätigkeit des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmensziels. Erfasst ist damit jede Tätigkeit zur Herstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird. In verbundenen Unternehmen zählt zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft eine konzernangehörige Gesellschaft, wenn die Obergesellschaft auf die konzernangehörige Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübt. - Das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers (§ 2 Abs. 7 LkSG)
Unmittelbarer Zulieferer ist ein Partner eines Vertrages über die Warenlieferung und Dienstleistungserbringung, sofern diese für die Produktherstellung des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind, wie zum Beispiel der Transport oder die Zwischenlagerung von Waren. - Das Handeln eines mittelbaren Zulieferers (§ 2 Abs. 8 LkSG)
Mittelbarer Zulieferer ist jedes Unternehmen, das kein unmittelbarer Zulieferer ist und dessen Zulieferungen für die Produktherstellung des Unternehmens oder zur Erbringung und Inanspruchnahme der betreffenden Dienstleistung notwendig sind. Im Gegensatz zum unmittelbaren Zulieferer hat der mittelbare Zulieferer also keine Vertragsbeziehung mit dem vom LkSG betroffenen Unternehmen. Hinweis: Sofern versucht wird, die Sorgfaltsanforderungen durch Zwischenschaltung eines unmittelbaren Zulieferers zu umgehen, zählen mittelbare Zulieferer regelmäßig als unmittelbare Zulieferer.
Geschützte Rechtspositionen
Die vom LkSG geschützte Rechtspositionen ergeben sich aus dem in der Anlage zum Gesetz aufgeführten abschließenden Katalog von international anerkannten Übereinkommen zum Schutze von Menschenrechten sowie bestimmter Umweltaspekte. Auf der Webseite des BAFA steht eine Linksammlung bereit mit Informationen zum Ratifizierungsstand der Staaten zu diesen Übereinkommen.
Aus den dort geschützten Rechtsgütern werden Verhaltensvorgaben beziehungsweise Verbote für unternehmerisches Handeln abgeleitet, sogenannte Sorgfaltspflichten, um menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen, sie zu minimieren oder die Verletzung menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu beenden (§ 2 Abs. 1 LkSG).
Konkret liegt ein solches Risiko im Sinne des LkSG vor, wenn aufgrund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen ein Verbot nach § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 LkSG droht. Eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht ist der Verstoß gegen ein solches Verbot. Hierzu zählen unter anderem das Verbot der
- Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit
- Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren
- Missachtung der Koalitionsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
- Ungleichbehandlung in Beschäftigung
- Vorenthalten angemessener Löhne
- Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlage durch Umweltverunreinigungen
- Widerrechtliche Zwangsräumung und Verletzung von Landrechten
- Beauftragung oder Nutzung privater/ öffentlicher Sicherheitskräfte, die aufgrund mangelnder Unterweisung oder Kontrolle zu Beeinträchtigungen führen können
- sonstiges Verhalten, das geschützte Rechtspositionen schwerwiegend beeinträchtigt
- Verwendung von Quecksilber gem. Minamata-Übereinkommen
- Produktion und/oder Verwendung von persistenten organischen Schadstoffen (POP) gemäß Stockholmer Übereinkommen sowie nicht umweltgerechter Umgang mit POP-haltigen Abfällen
- Ein- und Ausfuhr gefährlicher Abfälle gemäß Basler Übereinkommen.
Sorgfaltspflichten
Die im LkSG beschriebenen Sorgfaltsmaßnahmen bauen aufeinander auf und sollen sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken. Die betroffenen Unternehmen sind nach §§ 4 bis 10 LkSG verpflichtet zur:
- Einrichtung eines Risikomanagements (§ 4 Abs. 1 LkSG)
- Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit (§ 4 Abs. 3 LkSG)
- Durchführung von Risikoanalysen (§ 5 LkSG)
- Verabschiedung einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie (§ 6 Abs. 2 LkSG)
- Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich (§ 6 Abs. 1 und 3 LkSG) und gegenüber unmittelbaren Zulieferern (§ 6 Abs. 4 LkSG)
- Ergreifen von Abhilfemaßnahmen (§ 7 Abs. 1 bis 3 LkSG)
- Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8 LkSG)
- Umsetzung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Risiken bei mittelbaren Zulieferern (§ 9 LkSG)
- Dokumentation (§ 10 Abs. 1 LkSG) und Berichterstattung (§ 10 Abs. 2 LkSG).
Angemessenheit:Unternehmen müssen die vom Gesetz geforderten Sorgfaltspflichten in angemessener Weise umsetzen. Hierbei trifft die Unternehmen eine Bemühenspflicht, aber keine Erfolgspflicht.Die folgenden Angemessenheitskriterien sind bei der Bestimmung der erforderlichen Maßnahmen nach dem LkSG zu beachten (§ 3 Abs. 2 LkSG):
- Art und Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens,
- das Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher eines menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risikos oder der Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht,
- die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung, der Umkehrbarkeit der Verletzung und der Wahrscheinlichkeit der Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht sowie
- die Art des Verursachungsbeitrages des Unternehmens zu dem menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiko oder zu der Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht.
Der Begriff Angemessenheit und die Angemessenheitskriterien werden vom BAFA in einer Handreichung zum Prinzip der Angemessenheit nach den Vorgaben des LkSG erläutert und konkretisiert.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)
Seit dem 1. Januar 2023 setzt das Bundesamt für Wirtschaft und Außenkontrolle (BAFA) als zuständige Behörde das Lieferkettengesetz in seiner neu eröffneten Außenstelle in Borna um. Es kontrolliert, ob die betroffenen Unternehmen die gesetzlichen Sorgfaltspflichten angemessen erfüllen.
Die Behörde verfügt über wirksame Durchsetzungsinstrumente zur Überwachung des Lieferkettenmanagements der Unternehmen. Das BAFA hat umfassende Kontrollbefugnisse, darunter das Recht, Geschäftsräume zu betreten, Auskünfte einzuholen, Unterlagen einzusehen und Unternehmen aufzufordern, spezifische Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Pflichten zu ergreifen und dies ggf. dies auch durch die Verhängung von Zwangsgeldern durchsetzen.
Um die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten zu unterstützen, stellt das BAFA ein umfangreiches Informationsangebot zur Verfügung und entwickelt bzw. veröffentlicht unter anderem Handreichungen zu Kernaspekten des Gesetzes. Die Handreichungen stellt das BAFA auf seiner eigenen Webseite zum Lieferkettengesetz unter www.bafa.de/lieferketten bereit. Bisher sind folgende Handreichungen erschienen:
- Handreichung Risiken ermitteln, gewichten und priorisieren
- Handreichung Beschwerdeverfahren organisieren, umsetzen und evaluieren
- Handreichung Angemessenheit
- Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern bzw. Executive Summary zur Zusammenarbeit in der Lieferkette
- Handreichung zur Anwendung des LkSG auf die Kredit-und Versicherungswirtschaft
Die Veröffentlichung weiterer Handreichungen ist geplant. Weitere Publikationen des BAFA zum Lieferkettengesetz:
- Merkblatt zum Fragebogen – Veröffentlichung der Fragen des elektronischen Berichtsfragebogens im pdf-Format
- Merkblatt Ausweitung des Anwendungsbereiches im Bereich LkSG
- BAFA Risikodatenbank – Quellenübersicht
- BAFA-Rechenschaftsbericht 2022 nach dem LkSG
- LkSG-Faktenpapier „Auswirkungen auf Unternehmen in Partnerländern und staatliche Unterstützungsangebote“ (Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch)
Zudem beantwortet das BAFA in Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Lieferkettengesetz. Dieser FAQ-Katalog wird fortlaufend weiterentwickelt und aktualisiert.
Zivilrechtliche Haftung, Sanktionen und Rechtsdurchsetzung
Das LkSG bringt keine zusätzlichen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen über die bestehende Rechtslage hinaus mit sich (§ 3 Abs. 3 LkSG).
Bestimmte Verstöße gegen das LkSG können vom BAFA mit teils erheblichen Bußgeldern sanktioniert werden (§ 24 LkSG). Gegenüber juristischen Personen oder Personenvereinigungen mit einem durchschnittlichen weltweiten (Konzern-) Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro, kann unter Umständen eine Geldbuße von bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes festgesetzt werden. Zudem können bei schwerwiegenden Verstößen Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Ferner besteht die Besonderheit, dass Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Geschädigte vor deutschen Gerichten vertreten dürfen.
(Stand: April 2024, Quelle: u. a. IHK Düsseldorf)