22. Oktober 2024

Wirtschaft im Stimmungstief

IHK-Umfrage: Schwäche trifft auch den Arbeitsmarkt
Münsterland / Emscher-Lippe-Region. - Die Konjunktur steckt in der Talsohle fest. Nach der schwachen Erholung in der ersten Jahreshälfte hat sich die Stimmung in der nord-westfälischen Wirtschaft im Herbst wieder verschlechtert. Das zeigen die Antworten von rund 270 Unternehmen für die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Nord Westfalen. „Nur noch jeder siebte Betrieb rechnet in den nächsten Monaten mit besseren Geschäften,“ berichtete IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Fritz Jaeckel heute (22. Oktober) in Münster bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse. Im Frühjahr zeigte sich noch jedes fünfte Unternehmen zuversichtlich. Eine Entwicklung bereitet Jaeckel besonders Sorgen: „Die wirtschaftliche Schwäche hinterlässt inzwischen deutliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt.“
Das Stimmungstief spiegelt insbesondere der IHK-Konjunkturklimaindikator wider, der die Geschäftslage und die Erwartungen in einem Wert zusammenfasst. Er ist von 101 Punkten im Frühjahr auf 90 Punkte zurückgefallen. Der langjährige Durchschnitt liegt bei 110 Punkten.
27 Prozent der Unternehmen bewerten ihre Geschäftslage als schlecht, nur noch 22 Prozent mit gut. Damit ist der Lagesaldo erstmals seit dem Corona-Tief wieder negativ. Im Frühjahr lagen die Zufriedenen mit 27 Prozentpunkten noch deutlich vorne. Ähnlich sieht es bei den Geschäftserwartungen aus. Nur noch 14 Prozent der Unternehmen rechnen damit, dass sich die Lage in den nächsten Monaten spürbar verbessern wird. Im Frühjahr lag der Anteil der Zuversichtlichen noch bei 19 Prozent.
Die wachsende Zurückhaltung kommt für IHK-Hauptgeschäftsführer Jaeckel nicht überraschend. „Die allseits bekannten strukturellen Probleme, hohe Arbeitskosten, hohe Energiekosten und Bürokratielasten, drücken auf die Stimmung“, sagte er. Die Impulse aus der Wirtschaftspolitik seien einfach nicht stark genug für einen durchgreifenden Umschwung. „Es bedarf jetzt einer mutigen Wirtschaftspolitik, dann geht es auch wieder bergauf“, mahnte er bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft an.
Vor allem in der Industrie, die Jaeckel als „Taktgeber“ für die Wirtschaft im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region bezeichnete, ist die Zuversicht besonders gering. Nur noch jedes zehnte produzierende Unternehmen berichtet aktuell von guten Geschäften – das ist ein historischer Tiefstand. „Die Nachfrage aus dem Ausland ist schwach, die Auftragspolster sind abgeschmolzen“, schilderte Jaeckel die Lage. Den Rückschlag bestätigt auch die offizielle Statistik von IT.NRW: Im ersten Halbjahr 2024 ist die Produktion der nord-westfälischen Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fünf Prozent gesunken. Wenig Hoffnung auf Wachstum macht derzeit der Export. Laut Umfrage erwartet jedes fünfte international tätige Unternehmen schlechtere Exportgeschäfte und nur jedes neunte bessere.
Diese Entwicklungen schwächen die finanzielle Lage vieler Unternehmen. Jedes zweite schätzt sie inzwischen als problematisch ein. Insbesondere größere Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten berichten davon, dass ihre Eigenkapitaldecke dünner wird. „Da überrascht es nicht, dass die seit Monaten geringe Investitionsneigung weiter nachgelassen hat“, unterstrich Jaeckel. Wenn Unternehmen investieren wollten, dann in den Ersatz alter Maschinen oder in Rationalisierungsmaßnahmen. Wachstumssteigernde Investitionen in Erweiterungen oder Forschung und Entwicklung werden laut Umfrage zurückgestellt. Jaeckel: „Unter diesen Vorzeichen kommt das Wirtschaftswachstum nicht voran.“
Die konjunkturelle Flaute trifft auch den Handel, wenn auch nicht so hart wie die Industrie. 14 Prozent der Händler im Münsterland und in der Emscher-Lippe-Region sind derzeit mit ihren Geschäften zufrieden. Im Frühjahr betrug der Anteil 27 Prozent. „Trotz deutlich gesunkener Inflationsrate und gestiegener Reallöhne ist eine Konsumzurückhaltung zu spüren“, beschrieb Jaeckel das Problem. Mehr Zuversicht verbreitet der Dienstleistungssektor. Hier berichten 34 Prozent der Unternehmen von guten Geschäften, 71 Prozent erwarten in den nächsten Monaten keine Verschlechterung.
Deutlicher als in den Umfragen zum Jahreswechsel und im Frühjahr zeichnet sich im aktuellen Konjunkturbericht ab, dass sich die Schwäche der Wirtschaft spürbar auf die Beschäftigungsentwicklung auswirkt. Auf knapp ein Drittel ist der Anteil der Betriebe gestiegen, die ihren Personalbestand verringern wollen. Nur noch 14 Prozent wollen Personal aufbauen, mehr als 50 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Beschäftigtenzahl aus. Dass 44 Prozent der Industriebetriebe Personal abbauen wollen, wertete Jaeckel als „Warnsignal. Denn die nord-westfälische Industrie hat bereits von März 2023 bis März 2024 rund 1.500 Arbeitsplätze und damit auch Know-how verloren.“
Trotzdem werde aller Voraussicht nach die Beschäftigungszahl in Nord-Westfalen insgesamt weiter leicht steigen, sagte Jaeckel und verwies auf Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarktforschung. Das geht für das laufende und das nächste Jahr von einem Zuwachs von jeweils einem Prozent aus. „Dabei legt aber vor allem der öffentliche Sektor sowie das öffentlich geprägte Gesundheitswesen zu und weniger die Privatwirtschaft“, relativierte er.
Die gedämpfte Beschäftigungsentwicklung schwächt auch den Fachkräftemangel ab. In der Herbst-Umfrage berichten 51 Prozent der Unternehmen von Problemen, offene Stellen zu besetzen. Im Herbst vergangenen Jahres waren es noch rund 62 Prozent. „Es gibt aber keinen Grund zur Entwarnung“, betonte Jaeckel mit Blick auf die demografische Entwicklung und den Verlust vieler älterer Fachkräfte in den nächsten Jahren. Viele Unternehmen versuchten darum in der Schwächephase, ihr Fachpersonal möglichst zu halten. „Wenn die Konjunktur wieder anzieht, wird der Fachkräftemangel erneut als größtes Wachstumsrisiko in den Fokus rücken“, ist der IHK-Hauptgeschäftsführer überzeugt.