Bildungspartnerschaften

Leitfaden für Bildung­spartner­schaften

Ausgangslage

Rund 40 Prozent der Jugendlichen verlassen die Schule ohne konkreten oder realistischen Berufswunsch. Erfolglose Lehrstellensuche und Ausbildungsabbrüche sind programmiert. In Baden-Württemberg hat die Wirtschaft Konsequenzen gezogen. Sie braucht Fachkräfte und will sie ausbilden. Die Schule allein kann für die notwendige Berufsorientierung und Ausbildungsreife aller Jugendlichen nicht sorgen. Sie braucht die Hilfe der Unternehmen.

Nutzen einer Bildungspartnerschaft

Für Unternehmen

Sich in einer Bildungspartnerschaft zu engagieren heißt Geben und Nehmen. Unternehmen, die sich in einer Bildungspartnerschaft einbringen, handeln vorausschauend und nachhaltig. Sie setzen sich schon heute mit den Arbeitnehmern von morgen auseinander und können so Ihren Bedarf nicht nur besser planen, sondern auch hilfreiche Impulse setzen und so zu einer Verbesserung der Ausbildungsreife beitragen. Gleichzeitig entwickeln die beteiligten Unternehmen ein besseres Verständnis für schulische Rahmenbedingungen und die Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler. Dies hat zur Folge, dass die Zahl der erfolgreichen Ausbildungsabschlüsse steigt, da die Schülerinnen und Schüler über einen längeren Zeitraum begleitet und auf die unternehmensspezifischen Eigenheiten oder Berufsbilder vorbereitet werden. Auch Hochschulabsolventen kehren eher zum Unternehmen zurück, wenn sie während der Schulzeit positive Erfahrungen z.B. durch vielseitige Praktika sammeln konnten.
Diese Rekrutierung regional verankerter Arbeitnehmer führt zur Vermeidung von Fluktuation und sichert so den eigenen Standort und die Corporate Identity. Gleichzeitig wird soziale und gesellschaftliche Verantwortung übernommen, was sich u.a. in einer positiven Außenwirkung niederschlägt.

Für Schulen

Bildungspartnerschaften sind für Schulen meist der Schlüssel zur Arbeitswelt. Fehlende Praxisnähe und Bezüge zur „Realität“ können durch den Kooperationspartner aus der Wirtschaft kompensiert werden. Zusätzlich ermöglichen Bildungspartnerschaften die Entstehung neuer Lehr- und Lernsituationen und geben unter Umständen Impulse für die (weitere) Schulentwicklung. Besonders die Vermittlung von technischem, naturwissenschaftlichem und wirtschaftlichem Wissen und Zusammenhängen soll durch die Bildungspartnerschaft intensiviert werden, um den Schulabgängern einen leichteren Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Die Qualität der Umsetzung von Projekten innerhalb der Berufswegeplanung kann durch den/die Kooperationspartner normalerweise deutlich gesteigert werden.

Was gehört zu einer Bildungspartnerschaft?

Unter einer Bildungspartnerschaft wird die verlässliche Zusammenarbeit von Schule und Unternehmen verstanden.
Von einer Bildungspartnerschaft kann gesprochen werden, wenn...
  • es sich um eine allgemein bildende weiterführende Schule und ein Unternehmen aus Baden-Württemberg handelt,
  • die Zusammenarbeit längerfristig angelegt ist,
  • die Zusammenarbeit auf einer schriftlichen Grundlage (Vereinbarung) beruht,
  • es von beiden Parteien einen Koordinator und Ansprechpartner gibt,
  • die Partnerschaft möglichst breit in Schule und Unternehmen verankert ist,
  • der Bildungsplan berücksichtigt und nach Schularten differenziert wird,
  • ein regelmäßiger Austausch untereinander stattfindet,
  • und die Projekte nach innen und außen transparent und nachvollziehbar gestaltet werden (Öffentlichkeitsarbeit, Informationsveranstaltungen).
Ziel ist es, dass jede allgemein bildende weiterführende Schule mindestens eine betriebliche Partnerschaft aufbauen und pflegen sollte. Die Kooperation kann 1:1 (eine Schule mit einem Unternehmen), mit einem Verbund (Zusammenschluss mehrerer Unternehmen/Schulen) oder mit berufsbildenden Institutionen (Hochschulen, Bildungseinrichtungen, Volkshochschulen, Internationaler Bund, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Caritas, Diakonie usw.) erfolgen. Es ist durchaus üblich und auch gewünscht, dass Unternehmen wie Schulen mehrere Bildungspartnerschaften parallel pflegen und somit ein breiteres Spektrum erlangen.

Beispiele für Partnerschaften

Beispiel 1

Eine Realschule hat drei Bildungspartnerschaften z.B. mit einer Bank, einem Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe und einem Altenpflegeheim. Sie kann durch diese Bildungspartnerschaften ihren Schülerinnen und Schülern sowohl im kaufmännischen, als auch im gewerblich-technischen und sozialen Bereich Alternativen aufzeigen.

Beispiel 2

Ein kleines Unternehmen, das sich im Rahmen der Bildungspartnerschaften engagieren möchte, schließt sich mit anderen Unternehmen zusammen und bildet einen Unternehmensverbund. Der Verbund geht mit den örtlichen Schulen (Haupt- und Realschule, Gymnasium) Bildungspartnerschaften ein und alle Beteiligten bringen sich mit ihren Möglichkeiten ein. Es entsteht eine hervorragende Symbiose.

Was ist wichtig bei der Wahl des Bildungspartners?

Die Wahl der geeigneten Bildungspartner sollte Faktoren wie örtliche Nähe und gute Erreichbarkeit (wichtig bei Praktikumseinsätzen), unterschiedliche Arbeits- und Vorgehensweisen sowie Anpassung von Angebot und Nachfrage (bezüglich Schulabschlüssen und angebotenen Ausbildungen) berücksichtigen, aber nicht als Ausschlusskriterien bewerten.
Im Hinblick auf die demografische Entwicklung lohnt es sich, bereits heute den eigenen Horizont zu erweitern und sich ein umfassendes Bild von der zukünftigen Marktlage zu verschaffen. Nur so lassen sich mögliche Potenziale (z.B. Qualifizierung der Hauptschüler durch die Werkrealschule) frühzeitig erkennen.
Jede Bildungspartnerschaft ist einzigartig und lebt von dem, was die Kooperationspartner daraus machen. Der Fantasie und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Entwickeln Sie Neues, auch Ausgefallenes und bestimmen Sie selbst, was möglich ist/wird.

Woher bekommen Sie Unterstützung beim Aufbau einer Bildungspartnerschaft?

Die IHK Nordschwarzwald hilft mit ihren Ansprechpartnern im Stadtbezirk Pforzheim, sowie Enzkreis, Kreis Calw und Freudenstadt interessierten Schulen und Unternehmen bei Aufbau und Pflege einer Bildungspartnerschaft.
Das Portfolio reicht von der passgenauen Vermittlung über die individuelle Beratung bis hin zur Protokollführung bei den Erstgesprächen sowie die sich daraus ergebende Erstellung der Vereinbarung. 

Möglichkeiten und Ideen für Partnerschaften

Betriebsführung und Berufsfelderkundung

Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer haben die Möglichkeit, durch Ausbilder oder Auszubildende den Partnerbetrieb kennenzulernen.

Vertiefende Schülerpraktika, Tagespraktika, Ferienpraktika

Schülerinnen und Schüler kommen für einen oder mehrere Tage/Wochen in den Betrieb und lernen die verschiedenen Ausbildungsberufe sowie den Berufsalltag kennen.

Fachvorträge, Expertenvorträge

Vertreter der Wirtschaft halten in der Schule einen Vortrag zu unterrichtsrelevanten Themen, z.B. die Wirtschaftskrise und deren Auswirkungen auf das Bildungssystem.

Berufspräsentation in der Schule

Ausbilder oder Auszubildende eines Unternehmens stellen die Ausbildungsberufe des Unternehmens vor und beantworten Fragen rund um die Ausbildung.

Eltern-Aktiv-Programme und Elternabende

Schule und Betrieb engagieren sich gemeinsam in der Elternarbeit, z.B. durch Informationsveranstaltungen oder Frage-Antwort-Runden mit Eltern und Ausbilder.

Bewerbertraining und Benimm-/Knigge-Training

Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Berufswelt, z.B. durch Simulation eines Aufnahmetests, Erstellen einer Bewerbungsmappe, Rollenspiele, Gruppen- und Einzelarbeit, Eignungstests, Vorstellungsgespräche.

Lehrerpraktika und -schulung

Die Schule organisiert mit dem Partnerunternehmen eine Lehrerfortbildung z. B. ein zweitätiges Schnupperpraktikum im Betrieb oder eine Infoveranstaltung in der Schule.

Präsentationstraining

Die Schülerinnen und Schüler oder/sowie die Auszubildenden des Partnerbetriebs besuchen (gemeinsam) eine Schulung zur Verbesserung ihrer Methodenkompetenz.

Projektarbeiten und Referate

Der Betrieb ermöglicht der Partnerschule Zugriff auf Informationsmaterial und Ressourcen zur Erstellung von Arbeiten, Referaten, Ausarbeitungen u.a.

Arbeitsgemeinschaften (AGs), Workshops, Seminare

Vertreter aus Schule und Wirtschaft ermöglichen die freiwillige Teilnahme an internen Veranstaltungen für interessierte Auszubildende und/oder Schülerinnen und Schüler im Betrieb und/oder in der Schule, z. B. Programmieren, Englisch, Leseprojekt, Homepage, Werkstückerstellung in der Lehrwerkstatt des Unternehmens usw.

Girls' Day und Boys' Day

Das Unternehmen unterstützt ausgewählte Veranstaltungen, Führungen oder Vorträge speziell für Schülerinnen und Schüler im Betrieb oder in der Schule.

Zeitungsartikel, Homepage

Erstellung eines Presseartikels für die lokale Zeitung oder die Homepage inklusive Recherche und Mitarbeiterbefragung durch die Schüler.

Schuleigene Berufsinfotage

Schule und Betrieb bzw. Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende organisieren eine eigene Informationsveranstaltung, z. B. eine Messe oder einen Infotag für Eltern.

Gemeinsame Lerneinheiten

Schule und Betrieb planen auf der Grundlage des Lehrplans mehrere zusammenhängende Lerneinheiten in Theorie und Praxis, die jeweils in einem Gesamtzeitraum eines Schuljahrs miteinander abgewickelt werden.

Planspiele und Strategieprojekte

Erarbeitung komplexer technischer oder wirtschaftlicher Zusammenhänge anhand von Planspielen wie beispielsweise „Jugend denkt Zukunft“.

Vollständige Maßnahmenverbunde

Beide Bildungspartner stimmen den kompletten Unterricht (Berufsorientierung), unter Berücksichtigung des Lehrplans, der Ressourcen und der jeweiligen Bedürfnisse, gemeinsam ab. Es werden für unterschiedliche Fächer Lerneinheiten entwickelt, die einen engen Theorie- und Praxisbezug aufweisen. Dies gelingt unter anderem durch eine zeitweilige Verlagerung des Unterrichts in den Betrieb oder durch ergänzende Veranstaltungen durch Vertreter des Betriebs in der Schule. Die Rollen des Bildungspartners sind klar verteilt und die Schülerinnen und Schüler profitieren von einer vielseitigen und realitätsnahen Ausbildung.

Patenschafts- und Mentorenprogramme

Erfahrene Mitarbeiter, Auszubildende, ältere Schüler, Eltern, Nichtmehrberufstätige, Studenten usw. übernehmen eine ehrenamtliche Patenschaft (für den Zeitraum eines Praktikums oder länger) für einen oder mehrere Schüler und betreuen diese bei Fragen rund um den Berufseinstieg (und idealerweise auch darüber hinaus).

Überfachliche Aktivitäten

Organisation und Durchführung von außerschulischen Veranstaltungen z.B. Fußballturnier Auszubildende/Mitarbeiter gegen Schüler/Lehrer, gemeinsame Ausfahrten von Auszubildenden und Schülerinnen und Schüler bzw. Lehrer und Mitarbeiter des Betriebs.