Rohstoffe am Niederrhein

Rohstoff, Baustoff, Gesprächsstoff

Als „Grundlage unserer Zivilisation“ bezeichnet sie der Geologische Dienst Nordrhein-Westfalen. Gemeint sind die Rohstoffe unter unseren Füßen. Am Niederrhein besonders Kies und Sand. Eine gesicherte Rohstoffversorgung ist nicht nur wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung, auch unsere marode Infrastruktur profitiert davon. Was es bedeutet, wenn plötzlich eine zentrale Rohstoffquelle nicht mehr zur Verfügung steht, ist seit Beginn des Ukraine-Krieges zu erleben.
Oft wird Deutschland als rohstoffarmes Land bezeichnet. Doch das stimmt so nicht. An Rhein und Ruhr leben die Menschen schon lange mit und von den Bodenschätzen. Während die Steinkohlenzechen seit einigen Jahren Geschichte sind, spielt der Abbau von Kies und Sand am Niederrhein nach wie vor eine große Rolle. Sichtbares Zeichen sind die Kieswerke in der Region.
Das Besondere dieses Wirtschaftszweigs liegt, ähnlich wie zum Beispiel beim Stahl, in der Bedeutung seiner Produkte für Wirtschaft und Gesellschaft. Einige Zahlen genügen, um dies zu verdeutlichen: Beim Neubau der A40-Rheinbrücke kommen rund 160 000 Tonnen der beiden Materialien zum Einsatz. Bis ein Windrad fertig ist, braucht es etwa 2 000 Tonnen Beton, der wiederum zu einem Großteil aus Sand besteht.

Reduzierte Abbau-Bereiche am Niederrhein
Der Abbau stößt auf Widerstand: Der Kreis Wesel und die kreisangehörigen Kommunen Kamp-Lintfort, Alpen, Rheinberg und Neukirchen-Vluyn protestierten gegen eine Änderung des Landesentwicklungsplans – und bekamen Recht. Sie sah vor, Flächen für den Abbau von Kies und Sand für 25 Jahre auszulegen. Nach dem Urteil kam der Landesentwicklungsplan von 2017 wieder zum Einsatz. Dieser sieht lediglich einen Versorgungszeitraum für 20 Jahre vor. In der Folge reduzierten sich die im Regionalplan Ruhr vorgesehenen Abbau-Bereiche.
Beim Für und Wider stehen sich viele unterschiedliche Argumente und Interessen gegenüber. Kritische Stimmen pochen unter anderem auf den Umwelt- und Trinkwasserschutz. Die Befürworter betonen den hohen Bedarf und verweisen auf die zahlreichen behördlichen Auflagen beim Abbau.

Think-Tank für effiziente Rohstoffnutzung
Für Unruhe in der Branche sorgt aktuell eine mögliche Rohstoffabgabe. Sie steht im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung mit der Vereinbarung, sie bis spätestens 2024 einzuführen. Ihr Ziel ist es, verstärkt Anreize für Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft zu setzen. Unabhängig davon laufen bereits seit Jahren diverse Projekte, um verstärkt Sekundärrohstoffe nutzen zu können. Das Thema ist so komplex wie wichtig. Die Landesregierung hat deshalb eine Rohstoffstudie durchgeführt. Eine der daraus entstandenen Handlungsempfehlungen ist, einen „Think-Tank Rohstoffe“ einzurichten. Die Niederrheinische IHK hat dazu gemeinsam mit Partnern in der Region ein Konzept für einen solchen Think-Tank an der Universität Duisburg-Essen entwickelt. Wirtschaft und Wissenschaft sind bereit, an innovativen Konzepten für eine effiziente und gleichzeitig ressourcenschonende Rohstoffgewinnung mitzuwirken.
Der Standort Duisburg gilt für einen Think-Tank als ideal: Die Region verfügt sowohl über eine hohe Dichte an wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen im Bereich des Recyclings und der Rohstoffnutzung als auch über langjährige Erfahrung mit der Gestaltung des Strukturwandels.
Text: Daniel Boss