Kreis Kleve im Wandel

Von der Schuhfabrik bis zum Flughafen

Der Kreis Kleve hat in den vergangenen 100 Jahren einen großen Wandel erlebt. Der Historiker Dr. Ulrich Soénius schildert im Interview, was sich für die Wirtschaft verändert hat. Hans Wolters (ehemaliger Wirtschaftsjunior im Kreis Kleve) und Jann-Philipp Thiele (aktuell Sprecher der WJ Kleve) werfen einen Blick in die jüngere Vergangenheit und Gegenwart.
Als die Niederrheinische IHK im Jahr 1924 ihre Zweigstelle in Kleve eröffnete, waren zwei Wirtschaftszweige in der Region von sehr hoher Bedeutung. „Ein Großteil der Bevölkerung hat damals in Margarinewerken oder in Schuhfabriken gearbeitet“, erklärt der Historiker Dr. Ulrich Soénius. Und der Einfluss der beiden Branchen war laut dem Direktor des Rheinisch- Westfälischen Wirtschaftsarchivs enorm. Acht Männer aus dem Kreis Kleve gehörten damals zur IHK-Vollversammlung. „Davon waren zwei Margarinehersteller und drei Schuhfabrikanten“, erzählt Soénius.
Die „Holländischen Margarine-Werke Jurgens & Prinzen“ brachte 1924 in Goch das Produkt „Rahma-buttergleich“ auf den Markt – heute kennt es jeder Supermarktkunde als „Rama“. Das Geschäft mit dem Butterersatz brummte im Kreis Kleve: 9.000 Arbeitnehmer verdienten damals ihr Geld damit. In den Schuhfabriken waren 1924 rund 7.000 Menschen beschäftigt. Für einen Aufschwung in der Branche hatte der Klever Industrielle Gustav Hoffmann mit der Fertigung von Kinderschuhen gesorgt. 1928 führte er die Marke „Elefanten-Schuhe“ ein. Die Tagesproduktion betrug damals 17.000 Paar.
Die Industrie war verstärkt um Kleve und Goch ansässig. „Um Geldern und Straelen herum dominierte hingegen der Gartenund Landschaftsbau“, sagt Soénius. „Und in Emmerich und Rees gründeten sich Speditionen und Logistikbetriebe.“

Historiker Dr. Ulrich Soénius.
Ein Großteil der Bevölkerung hat damals in Margarinewerken oder in Schuhfabriken gearbeitet. – Dr. Ulrich Soénius
Gut aufgestellt für die Zukunft
Hans Wolters ist Fachmann für die jüngere Entwicklung der Wirtschaftsregion. Der Emmericher war lange Zeit Vorsitzender der Wirtschaftsjunioren im Kreis Kleve, wurde aufgrund seiner Verdienste später zum Senator ernannt. „Unsere Region ist seit vielen Jahrzehnten von einem breit aufgestellten Mittelstand geprägt“, sagt der 66-Jährige. „Neue Branchen haben neue Arbeitsplätze geschaffen.“ Wolters denkt dabei an das Agrobusiness, die Chemieindustrie und den Maschinenbau.
Hans Wolters

Ein Großteil der Bevölkerung hat damals in Margarinewerken oder in Schuhfabriken gearbeitet. – Hans Wolters
Der Kreis Kleve steht für ihn auch für zukunftsfähige Nutzungskonzepte. Als Beispiel nennt Wolters den Airport Weeze. Auf dem Gelände des ehemaligen Stützpunkts der britischen Luftwaffe befindet sich seit 2003 ein Verkehrsflughafen. „Wir als Wirtschaftsjunioren hatten im Vorfeld einige Veranstaltungen mit Vertretern aus der Politik organisiert und daher auch einen Beitrag zur Umsetzung geleistet“, erklärt er. Das circa 620 Hektar große Areal eignet sich nicht nur für den Flugverkehr, sondern auch für Gewerbeflächen. Aktuell baut der Rüstungskonzern Rheinmetall in Weeze eine Produktionsstätte auf. Dadurch sollen mehr als 400 neue Arbeitsplätze entstehen. Einer von Hans Wolters‘ Nachfolgern ist Jann-Philipp Thiele. Er ist seit 2023 Vorsitzender bei den Wirtschaftsjunioren und sieht den Kreis Kleve gut aufgestellt. „Unsere Region zeichnet sich durch viele Aspekte aus. Dazu gehört neben der geographischen Lage in unmittelbarer Grenznähe auch unsere gut erschlossene Infrastruktur mit Autobahnen und Häfen. Unsere Branchenstruktur ist vielfältig: Angefangen bei Start-ups über viele mittelständische Betriebe bis hin zu internationalen Unternehmen. Auch die Menschen vor Ort, attraktive Wohnmöglichkeiten sowie ein gutes Bildungsangebot machen unseren Kreis lebenswert“, sagt Thiele.
Thiele
Ich wünsche mir, dass der Kreis Kleve die Fachkräfteentwicklung und die Themen Innovation und Nachhaltigkeit weiter vorantreibt. – Jann-Philipp Thiele
Gleichwohl sieht der 34-Jährige für die Zukunft noch Luft nach oben. „Ich wünsche mir, dass der Kreis Kleve die Fachkräfteentwicklung und die Themen Innovation und Nachhaltigkeit weiter vorantreibt“, betont Jann-Philipp Thiele. „Die Strukturen sollten durch eine ausgewogene Mischung aus Industrie, Tourismus, Hochschulforschung, Handwerk und Landwirtschaft weiterentwickelt werden. So bleibt unsere Wirtschaft letztlich widerstandsfähig.“ Für ihn ist der Kreis Kleve heute schon eine Region mit hoher Lebensqualität. „Hier ist, salopp gesagt, die Welt noch in Ordnung – das sollten wir über die Kreisgrenzen hinweg weiter aktiv vermarkten.“

Fotos (von oben): Boettcher / Thomas Momsen / privat
Text: Denis de Haas
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