Wirtschaftsstandort gestärkt
Zukunft Altmark
Zukunft Altmark – Top-100-Unternehmen: Verbesserte Werte für den Norden Sachsen-Anhalts: Die Zahlen zeigen einen Aufwärtstrend. Im Jahr 2017 scheint die altmärkische Wirtschaft Anschluss an die Entwicklung im Land gefunden zu haben. Dies lässt die aktuelle Analyse der NORD/LB, in der die 100 größten Unternehmen Sachsen-Anhalts jeweils in Hinblick auf Umsatz und Mitarbeiteranzahl untersucht werden, vermuten.
Altmärker Firmen schließen auf
Die Altmark-Käserei Uelzena GmbH aus Bismark konnte 2017 einen Umsatzsprung verzeichnen.
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Im Jahr zuvor war der Norden des Landes im landesweiten Ranking zurückgefallen. Unter anderem wirkte sich die Schließung des Backwarenherstellers Fricopan in Immekath negativ auf die Entwicklung aus. In der Rangliste der umsatz- und beschäftigungsstärksten Unternehmen des Landes konnten sich die altmärkischen Firmen nun wieder verbessern.
Als Beschäftigungs-Spitzenreiter aus der Region taucht in der Erhebung für 2017 erneut die Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH (Gardelegen) auf. Die Firma verschlechterte sich aber vom 42. auf den 44. Platz, wobei die Beschäftigtenzahl mit 684 um 35 unter der des Vorjahres lag. Auch das vergangene Jahr war für das Unternehmen durch die VWDiesel- Krise schwierig. Für 2019 sind wieder größere Investitionen und die Ausweitung von Produktion und Beschäftigung angekündigt. In der Mitarbeiter-Rangliste rutschte die Zellstoff Stendal GmbH mit nur noch 437 Beschäftigten (100 weniger als im Vorjahr) sogar vom 54. auf den 68. Rang. Im Finanz-Ranking kletterte das Unternehmen hingegen mit einem Umsatz von 494 Millionen Euro landesweit vom 21. Auf den 16. Platz und ist damit Spitze unter den Altmärkern.
Die Altmark-Käserei Uelzena GmbH aus Bismark (100 Beschäftigte) sprang sogar vom 42. auf den 26. Platz. Der Umsatz stieg von 145 Millionen Euro auf 246 Millionen Euro. Es folgen die Milchwerke Mittelelbe GmbH Stendal (239 Millionen Euro Umsatz/390 Mitarbeiter), die sich vom 30. auf den 27. Platz verbesserten. Mit einem Umsatz von 103 Millionen Euro (plus 13 Millionen) verbesserte sich die Jackon Insulation GmbH Arendsee aus dem Ortsteil Mechau um neun Plätze auf Rang 62. Die Stadtwerke-Altmärkische Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke GmbH Stendal rückten mit einem Umsatz von 87 Millionen Euro vom 76. auf den 72. Platz. Erstmals mit einem Umsatz von 80 Millionen Euro ist die Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH auch in dieser Top-Liste vertreten und belegt hier den 79. Platz.
Wirtschaftlicher Leuchtturm: die Zellstoff Stendal GmbH
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Dritter altmärkischer Vertreter unter den 100 mitarbeiterstärksten Firmen ist nach Boryszew Kunststofftechnik und der Zellstoff Stendal GmbH, die Altmärker Fleisch- und Wurstwaren GmbH Stendal (398 Beschäftigte/minus zwei), die sich um zwei Ränge auf den 78 verbesserte. Die Milchwerke Mittelelbe stiegen mit 390 Mitarbeitern (minus 6) um einen auf den 84. Rang ab. Aufsteiger ist die Stendaler Landbäckerei GmbH, die statt 370 Beschäftigte nun 376 Mitarbeiter zählt und vom 94. auf den 89. Rang kletterte. Widersprüchlich sind die Zahlen der ELDYS GmbH Gardelegen. Obwohl das Unternehmen mit 309 Beschäftigten 32 weniger zählte als im Vorjahr, konnte es sich in der landesweiten Statistik vom 99. auf den 97. Platz verbessern.
Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH investiert am Wirtschaftsstandort Gardelegen
Mit modernster Technik produziert das Unternehmen Kunststoffteile für die Automobilindustrie.
© Boryszew
In Gardelegen versteht man polnisch. In der Hansestadt ist nicht nur die Sprache des Nachbarlandes stärker präsent als anderswo. Keiner dreht sich mehr um, wenn Fahrzeuge mit fremden Nummernschildern durch die Stadt rollen. Und inzwischen können auch die meisten Altmärker den Namen Boryszew Kunststofftechnik Deutschland (BKD) fehlerfrei aussprechen. Mit knapp 650 Beschäftigten, davon fast die Hälfte weiblich, ist das Unternehmen schließlich größter Arbeitgeber in der Region.
Im Gardelegener Werk entstehen Kunststoffteile für die Automobilindustrie. Hauptkunde ist VW. Die Nähe zu Wolfsburg sei ausschlaggebend für die Wahl und den Ausbau des Standortes, berichtet Cezary Pyszkowski, Entwicklungsdirektor Automobil im Vorstand der Boryszew S.A.. Die Muttergesellschaft des auch in der Metall- und Chemiebranche engagierten Konzerns hat ihren Sitz in Warschau. Gardelegen ist einer von sieben Standorten in Deutschland. Hier soll in diesem Jahr kräftig investiert werden. Fünf neue Maschinen für knapp drei Millionen Euro sind bereits bestellt.
Unternehmen in der Altmark setzen auf Zukunft
Das Unternehmen setzt auf die Zukunft und auf Elektromobilität. Künftige Autos müssten leichter sein. »Weniger Blech, mehr Kunststoff«, beschreibt Pyszkowski den Trend und die Kernkompetenz des Gardelegener Betriebes. Lüftungsgitter, Radabdeckungen oder Stoßstangen werden dort im Spritzgussverfahren hergestellt.
Cezary Pyszkowski, Entwicklungsdirektor Automobil im Vorstand der Boryszew S.A.
© Boryszew
Das komplette Handschuhfach im Golf 7 ist ein Premiumprodukt. Das Geschäft läuft offensichtlich gut. Im aktuellen Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH investiert am Wirtschaftsstandort Gardelegen Unternehmen in der Altmark setzen auf Zukunft Sachsen-Anhalt Unternehmensranking der NORD/LB für das Geschäftsjahr 2017 liegt die Boryszew Kunststofftechnik Deutschland GmbH mit einem Umsatz von knapp 80 Millionen Euro landesweit auf Platz 79 und bei der Mitarbeiterzahl auf Platz 44. In der Altmark führt es die Rangliste an. Weil sich die BKD nicht nur als Produzent und Lieferant sieht, sollen die Bereiche Entwicklung und Konstruktion ausgebaut werden, berichtet Bernd Schütz. Der Hesse trat zum Jahresanfang seinen Dienst als Werkleiter an. Der demografische Wandel und der sich abzeichnende Fachkräftemangel bereiten vielen Unternehmen Sorgen. Auch bei der BKD steht ein Generationswechsel an. Deshalb will das Unternehmen ab diesem Jahr wieder selbst ausbilden.
Neue Strategie
Zur neuen Strategie gehört ein »Feel Good Management«. Die Beschäftigten sollen gern in der Firma arbeiten, sich respektiert und gut aufgehoben fühlen. Auf den Punkt gebracht heißt das: Betriebsklima gut, alles gut. Die nötigen Aufträge natürlich vorausgesetzt. Wie sensibel das Thema ist, hat sich im vergangenen Jahr gezeigt. Als bei VW wegen der Dieselkrise die Produktion stockte, wirkte sich das unmittelbar auf den altmärkischen Zulieferer aus. Jetzt laufe aber wieder alles rund, versichert Schütz. Bei vielen Mitarbeitern der Stammbelegschaft wurden schmerzhafte Erinnerungen wach. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Entwicklung mit vielen Wendungen erlebt. Ihr Engagement und die Kernkompetenz in der Spritzgusstechnologie sicherten das geschäftliche Überleben. Das Verfahren wurde schon zu DDR-Zeiten im damaligen VEB Polytherm eingeführt. Nach der Wende profilierte sich die Altmärker Kunststoff-Technik GmbH (AKT) lange Zeit erfolgreich als Zulieferer für die Automobilproduktion. Im Jahr 2011 übernahm die Boryszew-Gruppe die inzwischen insolvente AKT. Notwendige Umgestaltungen, Personalabbau, neue Herangehensweisen, die andere Mentalität - die ersten Jahre unter der neuen Fahne blieben nicht ohne Konflikte. Heute äußert sich auch Betriebsratschef Michael Hörauf über die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und die Entwicklung der Firma zufrieden. Man hat sich zusammengerauft. Nun die Charmeoffensive, zu der neben regelmäßigen Mitarbeiterinformationen auch eine offensivere Öffentlichkeitsarbeit gehört.
Graepel Seehausen ist ein wirtschaftlicher Leuchtturm für die Altmark
Das Graepel-Werk am Rande von Seehausen ist ein wirtschaftlicher Leuchtturm für die Region.
© Graepel Seehausen
Im Kleinen ist manchmal Großes zu finden. Wer die beschauliche Hansestadt Seehausen besucht, ahnt auf den ersten Blick kaum, welche ökonomische Leistungskraft der Ort zu bieten hat. Die Graepel Seehausen GmbH & Co. KG ist einer der größten Arbeitsgeber in der Verbandsgemeinde und sichert zirka 250 Menschen, überwiegend aus der Region, den Arbeitsplatz. Der mittelständische metallverarbeitende Betrieb ist ein wirtschaftlicher Leuchtturm in der Altmark.
Unternehmensziel: Nummer Eins in Europa
Die Produktpalette basiert auf den sogenannten Blechprofilrosten, die auf Breitpressen entstehen, die Bleche mittels Stempel lochen und verformen. Dadurch wird eine rutschhemmende, durchlässige Oberfläche erzeugt. Diese Platinen werden auf hydraulischen Pressen abgekantet. Heraus kommen Blechprofilroste, deren Abkanthöhe und Innenabkantung für die gewünschte Stabilität sorgen. 17 verschiedene Prägungen werden mit den unterschiedlichsten Eigenschaften angeboten – von hoch durchlässig bis geschlossen, von extrem rutschhemmend bis barfuß begehbar. Sie bieten also »Sicherheit unter den Füßen« und kommen in der Bauindustrie, in der Landwirtschaft, im Anlagenbau und in der Fahrzeugindustrie zum Einsatz. Außer Blechprofilrosten werden Auftritte, Leitersprossen und Treppenstufen hergestellt und je nach Kundenwunsch zu komplexen Baugruppen zusammengefügt. Für den notwendigen Korrosionsschutz bei Blechprofilrosten und Baugruppen aus Stahl sorgt die 2014 komplett modernisierte Feuerverzinkerei. Die Produktpalette von Graepel Seehausen erschöpft sich nicht in Standardprodukten. Als Dienstleister und Partner für ihre Kunden bietet das Unternehmen individuelle Lösungen. Die firmeneigene Konstruktionsabteilung, der Werkzeug- und Prototypenbau sowie flexible Fertigungstechniken realisieren maßgeschneiderte Produkte, die heute zu über 50 Prozent exportiert werden – nahezu weltweit. Graepel Seehausen liefert beispielsweise Aufstiege für Baumaschinen an fast alle namhaften Hersteller: Wartungspodeste für Seilbahnen nach Österreich, Plattformen für Offshore-Anlagen auf Windkrafttürmen nach Dänemark, Laufstege für Fischfarmen, Bootsstege nach Norwegen.
Die Produkte sind vielfältig einsetzbar, ob in Industrie, Landwirtschaft oder anderen Bereichen.
© Graepel Seehausen
In Region verankert
Das Unternehmen hat eine interessante Geschichte, die zwei Traditionslinien verbindet, die der Graepel-Gruppe und die der Graepel Seehausen GmbH & Co. KG. Der heutige Betrieb in Seehausen wurde 1949 als Maschinenausleihstation (MAS) gegründet und entwickelte sich über mehrere Stationen zum volkseigenen Betrieb VEB Landtechnische Industrieanlagen (LIA), dessen Aufgaben darin bestanden, Selbstfangfressgitter und andere Ausrüstungsteile für Rinderstallanlagen herzustellen und mit einem dauerhaften Korrosionsschutz zu versehen. Da die Verzinkungskapazitäten in der Umgebung nicht ausreichten, wurde ab 1969 eine eigene Feuerverzinkerei geschaffen. 1973 ging sie in Betrieb und gehört bis heute zu den leistungsfähigsten der Region. Bis 1989 war LIA der größte Industriebetrieb in Seehausen und beschäftigte zu diesem Zeitpunkt fast 300 Arbeitskräfte.
Nach der Wende wurde der Betrieb in die Stalltechnik und Verzinkung GmbH (STUV) umgewandelt. Die Wiedervereinigung wirkte sich drastisch auf das Geschäftsfeld aus: Die Abnehmer von industriellen Stallanlagen brachen weg. Die wirtschaftliche Lage war bedrohlich. Nun kommt der Name Graepel ins Spiel. Friedrich Claudius Graepel versuchte zur gleichen Zeit, die Firma in Halberstadt von der Treuhandanstalt zurückzuerwerben, die sein Vater dort aufgebaut, aber 1946 durch die Enteignung verloren hatte. Weil das misslang, beschloss der gebürtige Sachsen-Anhalter, ein anderes ostdeutsches Unternehmen zu kaufen. Dabei wurde er auf den Seehäuser Betrieb aufmerksam, dessen großes Werksgelände mit Verzinkerei ihn überzeugte. Anfang 1992 erwarb er rückwirkend zum September 1991 die Stall- und Verzinkung GmbH und benannte sie in »Stahl- und Verzinkung«. Eine vorausschauende Entscheidung. Das Kürzel STUV blieb.
Seit 1948 produziert der Stammbetrieb Graepel in Löningen Lochbleche für unterschiedlichste Einsatzgebiete – bis heute. 1976 kam ein neuer Produktionszweig hinzu: rutschfeste Sicherheitsroste für den Anlagen- und Fahrzeugbau, die Bauwirtschaft, den Bergbau und die Nahrungsmittelindustrie. Diesen Produktionszweig verlegte der Unternehmer 1992 nach Seehausen und gab damit der Graepel-STUV GmbH, als 100-prozentiger Tochter der Friedrich Graepel AG Löningen, eine völlig neue Ausrichtung. Aus Sicht der Löninger Mitarbeiter keine unumstrittene Entscheidung, für Seehausen die Rettung mit Weitblick. Viele der heutigen Mitarbeiter können sich noch gut an den 2001 verstorbenen Namensgeber Friedrich Claudius Graepel erinnern und schätzen ihn bis heute. Das Unternehmen wird von seinen Kindern weitergeführt. In ihrer Familiencharta bekennen sie sich ausdrücklich zum Standort Seehausen in der Altmark, der in seiner über 60-jährigen Firmengeschichte immer flexibel auf veränderte Bedingungen reagiert hat und unterstützen die Mission, weltweit erster Ansprechpartner für rutschhemmende Komplettlösungen aus Metall zu sein sowie schnell und innovativ – stückzahlunabhängig - Kundenanforderungen zu erfüllen. Als Teil der globalen Graepel-Gruppe mit Schwesterwerken in Löningen, den USA und Indien ist Graepel Seehausen eng mit den nationalen und internationalen Partnern verbunden und dabei tief in der Region verankert.