25.10.2024
IHK Lippe zur Konjunktur: Wirtschaft unter Druck – Kurswechsel dringend notwendig!
Zur Situation der aktuellen Wirtschaftslage in Lippe: IHK-Präsident Volker Steinbach (Steinbach AG, Detmold), IHK-Hauptgeschäftsführerin Svenja Jochens, IHK-Vizepräsident Alfred W. Westermann (Buchhaus am Markt, Detmold) und IHK-Referent Timm Lönneker (v.r.n.l.) stellen den Konjunkturlagebericht der IHK Lippe im Herbst 2024 vor.
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IHK Lippe zur Konjunktur
Wirtschaft unter Druck – Kurswechsel dringend notwendig!
Die wirtschaftliche Lage fällt in vielen lippischen Unternehmen erneut schlecht aus. Auch für die nächsten zwölf Monaten sehen die Unternehmen wenig Licht am Horizont. Branchenübergreifend klagen die Unternehmen über die schwache Nachfrage, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie hohe Kosten für Personal und Energie. Das zeigt die Herbstumfrage der Industrie- und Handelskammer Lippe zu Detmold (IHK Lippe) zur Konjunkturlage. An der aktuellen Konjunkturumfrage in der zweiten Septemberhälfte haben sich 180 Unternehmen beteiligt.
Volker Steinbach, Präsident der IHK Lippe sieht die Entwicklung mit großer Sorge und kommentiert die Situation: „Die Wirtschaft steht unter Druck. Die anhaltende konjunkturelle Schwäche zeigt uns schonungslos die strukturellen Probleme auf, die in der Vergangenheit von der Politik nicht konsequent genug angegangen wurden. Es fehlt an klaren Signalen der Politik, an Investitionen in die Infrastruktur und die Digitalisierung der Verwaltungen. Das alles verunsichert die Unternehmen massiv.“
Branchenübergreifend beurteilen nur 23 Prozent der Unternehmen die aktuelle Geschäftslage mit „gut“ (-3 Prozent gegenüber dem Frühjahr 2024). Der Anteil der Unzufriedenen verschlechtert sich weiter auf 35 Prozent (+4 Prozent). Der Großteil von 42 Prozent schätzt die Lage als „befriedigend“ ein (-1 Prozent). Die lippische Industrie ist besonders betroffen. Mehr als sechs von zehn Unternehmen geben eine schlechte Lage an (+11 Prozent). Ein Negativrekord. Auch im Handel läuft das Geschäft bei mehr als der Hälfte der Betriebe schlecht, da die Kaufzurückhaltung so groß ist (+26 Prozent). „Als Konsequenz aus der schlechten Konjunktur und der Verunsicherung über die weitere wirtschaftliche Entwicklung werden wichtige Investitionen verschoben. Sie fehlen an anderer Stelle als Auftragseingänge“, ergänzt Steinbach.
„Wir benötigen jetzt dringend einen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik, um das Vertrauen bei den Unternehmen wiederherzustellen und Zuversicht zu schaffen. Dafür müssen unbedingt die Standortkosten sinken. Zusätzlich benötigt die Wirtschaft endlich einen konsequenten Bürokratieabbau und deutlich schnellere Genehmigungen. Alles Handlungsfelder, die von der Politik direkt geändert werden könnten. Dazu muss aber endlich ein Umdenken stattfinden“, fordert Svenja Jochens, Hauptgeschäftsführerin der IHK Lippe.
Geschäftserwartungen: Branchenübergreifend erwartet gut ein Fünftel der Betriebe, dass sich das Geschäft innerhalb eines Jahres verbessern wird (+6 Prozent gegenüber Frühjahr 2024). Allerdings nimmt auch der Anteil der Pessimisten auf knapp 29 Prozent zu (+9 Prozent). Eine gleichbleibende Entwicklung erwartet die Hälfte der Unternehmen (-15 Prozent). In der Summe bleiben die Geschäftserwartungen somit negativ.
Der Geschäftsklimaindex der IHK Lippe sinkt von 95 Punkten im Frühjahr 2024 auf 90 Punkte im Herbst. Der Index visualisiert die Salden der Geschäftslage und -erwartungen der Unternehmen. Dabei signalisieren 100 Punkte aus technischer Sicht eine ausgeglichene Stimmung. Seit der ersten Erhebung der Daten in 1993 hat sich in Lippe ein langjähriger, positiver Durchschnitt von 109 Punkten etabliert, Tendenz fallend.
Die Situation der Branchen im Überblick:
62 Prozent der lippischen Industrieunternehmen bezeichnen ihre derzeitige Geschäftslage als „schlecht“. Das ist ein um 11 Prozent schlechterer Wert als im Frühjahr und insgesamt ein Negativrekord. Die hohen Kosten für Personal, Material und Energie sowie die schwache Nachfrage im In- und Ausland belasten die Branche schwer. „Wir leiden unter mangelndem Auftragseingang und drastischem Umsatzrückgang. Die Aussichten für den Rest des Jahres und das Folgejahr sind verhalten“, beklagt ein Unternehmen stellvertretend für die Branche, und ergänzt: „Die Perspektive fehlt!“ Nur noch 7 Prozent der Unternehmen vergeben eine „gute“ Konjunkturnote (-5 Prozent). Rund 31 Prozent der Betriebe bewerten die aktuelle Situation als „befriedigend“ (-12 Prozent).
Im Handel wirkt sich die schwache Konjunktur durch Kaufzurückhaltung aus. Aufgrund der anhaltend schlechten Wirtschaftslage und unruhigen politischen Zeiten vergeben Firmenkunden Aufträge zögerlicher und Verbraucher:innen sparen vermehrt Geld, anstatt dieses auszugeben. Entsprechend unzufrieden zeigt sich die Branche mit dem laufenden Geschäft. 54 Prozent der Unternehmen vermelden eine „schlechte“ Geschäftslage (+26 Prozent). Neben dem schwachen Konsumklima werden vor allem „fehlendes Personal“ und eine „hohe Abgabenlast“ als weitere Gründe genannt. Nur knapp 10 Prozent der Händler:innen vergeben eine „gute“ Konjunkturnote (-10 Prozent). Für 37 Prozent ist die wirtschaftliche Situation „befriedigend“ (-14 Prozent).
Der Dienstleistungssektor beurteilt die Lage nach vier Rückgängen in Folge hingegen besser. Während es bei der Mehrheit von 47 Prozent weiter „befriedigend“ läuft (+-0 Prozent gegenüber Frühjahr 2024), beurteilen 36 Prozent der Betriebe die Lage mit „gut“ (+6 Prozent). Die Branche schafft es offenbar, höhere Preise an die Kund:innen weiterzugeben ohne diese abzuschrecken. Saisonale Aufträge und langfristige Kundenbeziehungen stärken zusätzlich die Stimmung: „Aufträge sind vorhanden, doch der steigende Umsatz wird von den noch stärker steigenden Kosten eingeholt“, fasst ein Unternehmen die Situation zusammen. Eine „schlechte“ Lage geben entsprechend 17 Prozent an (-6 Prozent).
Die Geschäftslage im lippischen Gastgewerbe verschlechtert sich leicht. Nur 13 Prozent der Betriebe bewerten die wirtschaftliche Lage mit „gut“ (-7 Prozent). Zwei Drittel geben „befriedigend“ an (+6 Prozent). Eine „schlechte“ Konjunkturnote vergeben jedoch 21 Prozent (+1 Prozent): „Mehrwertsteuererhöhung, Mindestlohn, allgemein steigende Kosten und Planungsunsicherheit“, fasst ein Unternehmen stellvertretend für die Branche die Gründe für den Rückgang der Stimmung zusammen. Das lippische Gastgewerbe kämpft zudem händeringend um Personal. Als Konsequenz daraus seien viele Betriebe gezwungen Öffnungszeiten anzupassen und/oder das Angebot einzuschränken.
Geschäftsrisiken: Die größten Herausforderungen der lippischen Wirtschaft liegen im schwachen Inlandsabsatz (69 Prozent, -5 Prozent gegenüber Frühjahr 2024), den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (62 Prozent, +4 Prozent), den hohen Arbeitskosten (57 Prozent, +1 Prozent; Rekordwert), den hohen Energie- und Rohstoffpreisen (52 Prozent, -6 Prozent) und dem Fachkräftemangel (41 Prozent, -8 Prozent). Der sinkende Auslandsabsatz (25 Prozent aller Antworten, -6 Prozent) ist vor allem für die Industrie ein Problem. Für mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen ist die Exportmenge im Vergleich zum Vorjahr gefallen. Finanzierung (10 Prozent, +1 Prozent) und Wechselkurse (3 Prozent, +1 Prozent) spielen jedoch nur eine untergeordnete Rolle.
Welche Konsequenzen ziehen die Unternehmen?
Als Reaktion auf die konjunkturelle Schwäche plant mehr als die Hälfte der Betriebe Maßnahmen zur Rationalisierung, Automatisierung und Digitalisierung (51 Prozent). Um auf gestiegene Kosten zu reagieren, werden voraussichtlich 34 Prozent der Unternehmen die Preise weiter erhöhen. Positiv: 31 Prozent wollen ihre Innovationskraft erhöhen und 29 Prozent neue Märkte erschließen.
Hinsichtlich des Personals möchte knapp ein Drittel der Unternehmen die Kompetenzen der Mitarbeitenden stärken bzw. diese weiterbilden. 21 Prozent der Unternehmen planen, den Mitarbeitenden zukünftig höhere Löhne zu zahlen. Weitere 21 Prozent der Unternehmen wollen in der Personalgewinnung gänzlich neue Wege beschreiten. Im Dienstleistungssektor, Handel und Gastgewerbe wird ein Fünftel als Reaktion auf fehlendes Personal voraussichtlich die Öffnungszeiten reduzieren. Stärker auf die Ausbildung setzen wollen branchenübergreifend hingegen 16 Prozent der Unternehmen.
Kurzarbeit geben insgesamt 15 Prozent als Konsequenz auf den schwachen Auftragseingang an. 7 Prozent der Betriebe planen eine Verlagerung des Betriebs oder mindestens von Betriebsteilen. Knapp 6 Prozent der Unternehmen erwägen eine Betriebsschließung.
Finanzlage: Erfreulich ist, dass für 75 Prozent der Unternehmen die Finanzlage unproblematisch ist (+6 Prozent). Im Umkehrschluss hat ein Viertel der Unternehmen jedoch finanzielle Probleme: 21 Prozent leiden unter Liquiditätsengpässen (+13 Prozent). 15 Prozent der Unternehmen kämpfen mit einem Eigenkapitalrückgang (-7 Prozent). Jeweils acht Prozent berichten von zunehmenden Forderungsausfällen (+1 Prozent), einer hohen Fremdkapitalbelastung (+1 Prozent) sowie einem erschwerten Kapitalzugang (+4 Prozent).
Hauptmotiv für Investitionen bleibt der Ersatzbedarf mit 71 Prozent (+2 Prozent). Erfreulich ist, dass 42 Prozent der Unternehmen in Produktinnovationen investieren wollen (+8 Prozent). Reine Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen streben hingegen 36 Prozent an (-4 Prozent). Nur ein gutes Fünftel plant, die betrieblichen Kapazitäten ausweiten (-3 Prozent). Und nur noch 14 Prozent investieren in Maßnahmen zugunsten des Umweltschutzes bzw. zur Steigerung der Energieeffizienz (-2 Prozent).
Hauptmotiv gegen Investitionen bleibt in mehr als zwei Dittel der Fälle (67 Prozent) die zu geringe Nachfrage (+17 Prozent gegenüber Frühjahr 2024). Bei 31 Prozent sind es vorhandene Kapazitätsreserven (+9 Prozent). In jeweils 20 Prozent der Fälle sprechen zu hohe Fremdkapitalzinsen (+-0 Prozent) und Eigenkapitalmangel (+4 Prozent) gegen Investitionen. Bei 23 Prozent der Unternehmen stehen administrative Hemmnisse im Weg (+6 Prozent). Und rund fünf Prozent der Unternehmen erzielen eine bessere Rendite, wenn sie in Finanzanlagen investieren (+3 Prozent).
Beschäftigungspläne: Aufgrund der anhaltend schwachen Konjunktur planen nur knapp 10 Prozent der Unternehmen in Lippe innerhalb eines Jahres Arbeitsplätze zu schaffen (-2 Prozent gegenüber Frühjahr 2024). Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und einer konjunkturellen Trendwende hält die Mehrheit der Unternehmen an ihren Beschäftigten fest: So soll die Zahl der Mitarbeitenden bei 57 Prozent gleichbleiben (-11 Prozent). Allerdings wird ein Drittel das Personal vermutlich reduzieren (+13 Prozent), um sich an die schwache Auftragslage anzupassen.