Neue EU-Produkthaftungsrichtlinie veröffentlicht

Die EU-Kommission hat Mitte November 2024 die neue Richtlinie (EU) 2024/2853 über die Haftung für fehlerhafte Produkte im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie verschärft in vielen Punkten das Produkthaftungsrecht und gilt für Produkte, die nach dem 9. Dezember 2026 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt muss die neue Produkthaftungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.

Erweiterter Produktbegriff

Unter dem Begriff „Produkt“ werden künftig auch Elektrizität, digitale Konstruktionsunterlagen, Rohstoffe und Software sowie verstanden. Künstliche Intelligenz fällt ebenfalls unter den Softwarebegriff. Ausgenommen ist freie und quelloffene Software, die nicht im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird. Digitale Dateien selbst gelten nicht als Produkte. Anders sieht es bei digitalen Bauunterlagen aus, die als digitale Konstruktionsunterlagen dem Produkthaftungsrecht unterliegen werden. Der Produkthaftung unterliegen zudem digitale Dienste („verbundene Dienste“), die in ein Produkt integriert oder mit ihm verbunden sind und ohne die eine oder mehrere seiner Funktionen nicht ausgeführt werden könnte.

Was gilt als fehlerhaft?

Artikel 7 der Richtlinie bestimmt, dass ein Produkt als fehlerhaft anzusehen ist, wenn nicht den Sicherheitserwartungen der Nutzenden oder –vorgaben des Unionsrechts oder nationalen Rechts entspricht. Artikel 7 listet (nicht abschließend) eine Reihe von Umständen auf, die zu berücksichtigen sind:
  1. Aufmachung und Merkmale des Produkts, einschließlich Kennzeichnung, Design, technischer Merkmale, Zusammensetzung und Verpackung und Anleitungen für Montage, Installation, Gebrauch und Wartung;
  2. vernünftigerweise vorhersehbarer Gebrauch des Produkts;
  3. Auswirkungen der Fähigkeit des Produkts, nach dem Inverkehrbringen oder der Inbetriebnahme weiter zu lernen oder neue Funktionen zu erwerben, auf das Produkt;
  4. vernünftigerweise vorhersehbare Auswirkungen anderer Produkte auf das Produkt, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie zusammen mit dem Produkt verwendet werden, einschließlich durch eine Verbindung mit dem Produkt;
  5. Zeitpunkt, zu dem das Produkt in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen wurde, oder, wenn der Hersteller nach diesem Zeitpunkt die Kontrolle über das Produkt behält, Zeitpunkt, in dem das Produkt die Kontrolle des Herstellers verlassen hat;
  6. einschlägige Anforderungen an die Produktsicherheit, einschließlich sicherheitsrelevanter Cybersicherheitsanforderungen;
  7. Produktrückrufe oder sonstige relevante Eingriffe einer zuständigen Behörde oder eines in Artikel 8 genannten Wirtschaftsakteurs im Zusammenhang mit der Produktsicherheit;
  8. spezifische Bedürfnisse der Gruppe von Nutzern, für deren Gebrauch das Produkt bestimmt ist;
  9. im Falle eines Produkts, dessen Zweck gerade darin besteht, Schäden zu verhindern, die Tatsache, dass das Produkt diesen Zweck nicht erfüllt.

Haftende Wirtschaftsakteure

Wie bisher haften Hersteller von Produkt oder Komponenten verschuldensunabhängig. Darüber hinaus können im Falle auch Einführer und in besonderen Fällen Lieferanten haften. So haftet, unbeschadet der Haftung eines Herstellers mit Sitz außerhalb der Union
  • der Importeur des fehlerhaften Produkts oder der fehlerhaften Komponente,
  • der Bevollmächtigte des Herstellers und
  • wenn kein Importeur seinen Sitz in der Union hat und es keinen Bevollmächtigten gibt, der Fulfilment-Dienstleister.
Wenn kein Wirtschaftsakteur mit Sitz in der Europäischen Union ermittelt werden kann, kann jeder Lieferant sowie jeder Anbieter einer Online-Plattform haftbar gemacht werden.

Was gilt als Schaden?

  • Tod oder Körperverletzung, einschließlich medizinisch anerkannter Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit
  • Beschädigung oder Zerstörung von Sachen (nicht des Produkt selbst), mit Ausnahme von Sachen, die ausschließlich für berufliche Zwecke verwendet werden
  • Vernichtung oder Beschädigung von Daten, die nicht für berufliche Zwecke verwendet werden.

Rechtsdurchsetzung

Dass ein Produkt fehlerhaft ist und dass dadurch ein Schaden entstanden ist, muss weiterhin durch die Geschädigten bewiesen werden. In Zukunft kann allerdings bereits die Vermutung ausreichen, dass ein Kausalzusammenhang zwischen Produktfehler und Schaden wahrscheinlich ist, um Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Neu ist, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle verfügbaren relevanten Beweismittel offenzulegen, wenn der Schadensersatzanspruch vom Kläger plausibel dargelegt worden ist.
(Quelle EU-Amtsblatt)