Standortpolitik
Wirtschaftsbericht Frühjahr 2009
Volle Breitseite für die Industrie in der Region
Talfahrt fortgesetzt – aber Tempo des Abschwungs lässt nach
Konstanz/Schopfheim. Was zum Jahreswechsel bereits deutliche Konturen angenommen hatte, ist im ersten Quartal 2009 massiv auch eingetreten. Mit ihrer überdurchschnittlich hohen Exportabhängigkeit konnte sich die Industrie entlang des Hochrheins und am Bodensee der globalen Wirtschaftskrise nicht entziehen. Auftragseinbrüche in der Größenordnung von 30 bis 40 Prozent haben den Konjunkturklimaindex, der das Stimmungsbild der regionalen Wirtschaft widerspiegelt, auf den tiefsten Stand seit seiner Einführung im Jahre 1998 gedrückt. Innerhalb nur eines Jahres ist er von 124 auf 80 Punkte gesunken. Wie der Präsident der Industrie- und Handelskammer, Kurt Grieshaber, anlässlich einer Pressekonferenz der IHK zur aktuellen wirtschaftlichen Lage betonte, muss diese Entwicklung nachdenklich stimmen auch wenn sich der wirtschaftliche Abschwung aufgrund des breiten Einsatzes von Kurzarbeit noch nicht in den aktuellen Arbeitsmarktdaten niedergeschlagen hat. „Wir durchlaufen derzeit eine schwierige Durststrecke; es bleibt zu hoffen, dass wir möglichst rasch wieder Boden unter den Füßen bekommen”, so der Präsident in seinem Statement zur aktuellen Wirtschaftslage.
Industrie auf Talfahrt
Über viele Jahre hinweg war das produzierende Gewerbe mit seinen Erfolgen auf den Weltmärkten der wichtigste Wachstumsmotor für die gute Wirtschaftsentwicklung in der Region Hochrhein-Bodensee. Mit dem Einzug der globalen Krise hat sich dieses Bild gedreht. Nunmehr sind es das Baugewerbe, der Handel und große Teile des Dienstleistungssektors, die mit ihrer bislang noch zufriedenstellenden Geschäftsentwicklung maßgeblich dazu beitragen, dass der wirtschaftliche Abschwung nicht noch schärfer ausfällt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (Pharma, Ernährungswirtschaft) bewegt sich die Industrie seit dem Herbst des vergangenen Jahres auf breiter Front auf Talfahrt. Es ist vor allem die außerordentlich hohe Dynamik, die der Wirtschaft Sorge bereitet. Fehlende Neuaufträge und Auftragsstornierungen sind an der Tagesordnung. Betroffen hiervon ist nicht mehr nur die Zuliefererindustrie für den Pkw- und Nutzfahrzeugbau, die jeden sechsten industriellen Arbeitsplatz in der Region stellt. Auch der Maschinen- und Anlagebau, das metallverarbeitende Gewerbe, die kunststoffverarbeitende Industrie, das Textil- und Bekleidungsgewerbe und die regional bedeutsame Industriebranchen Mess- und Regeltechnik sowie Elektronik haben den weltweiten Wirtschaftsabschwung massiv zu spüren bekommen. Die Auswirkungen sind vielfältig. Kurzarbeit auf breiter Front, eine niedrige Auslastung der Produktionskapazitäten (nur noch 70 Prozent), eine schwache Ertragslage bei 60 Prozent der Industrieunternehmen und eine stark rückläufige Bereitschaft zu Neuinvestitionen sind Beispiele hierfür.
Handel und Dienstleistungen bremsen den Abschwung
Die aktuelle wirtschaftliche Lage in der Region wird allerdings auch im Frühjahr 2009 durch eine anhaltend stabile und positive Entwicklung in den übrigen Wirtschaftssektoren gestützt. Die Bauwirtschaft, die in ihrer konjunkturellen Entwicklung stets mit einer zeitlichen Verzögerung auf Veränderungen reagiert, zeigt sich mit der aktuellen Wirtschaftslage noch zufrieden. Ebenso der Handel, wobei insbesondere der Einzelhandel mit überraschend positiven Signalen aufwartet. Über 80 Prozent bewerten ihre aktuelle Geschäftslage mit gut bis zufriedenstellend. Gleiches gilt für Teile des Dienstleistungssektors, beispielsweise für den Finanzdienstleistungsbereich. Die überwiegend mittelständisch geprägte Kreditwirtschaft hat es in der Region Hochrhein-Bodensee bestens verstanden, die Auswirkungen der globalen Finanzmarktkrise auf die Geldversorgung in der Region klein zu halten und die regionale Wirtschaft zu stützen. Dies bestätigen auch die IHK-Umfrageergebnisse bezüglich der Erfahrungen der Unternehmen mit ihrer Hausbank bei der Kreditvergabepolitik. Von einer „Kreditklemme” ist nichts zu spüren und nur vier Prozent der befragten Unternehmen haben bei der Konjunkturumfrage angegeben, dass ein Kreditantrag in jüngster Zeit abgelehnt worden ist. Im Sog der negativen Trends der Industrie befinden sich allerdings solche Dienstleistungsunternehmen, die aufs Engste mit der Wirtschaft verbunden sind. Dies gilt vor allem für das Transport- und Verkehrsgewerbe, das seit dem Jahreswechsel einen massiven Rückgang beim Gütertransport zu verkraften hat und sich mit einer aktuellen Kapazitätsauslastung in Höhe von nur noch 60 Prozent vor Probleme gestellt sieht.
Geschäftserwartungen 2009 bleiben ungewiss
Die breite Verunsicherung der Wirtschaft spiegelt sich am stärksten darin wider, dass man bei der Einschätzung der Geschäftserwartungen für die kommenden Monate in hohem Maße unsicher geworden ist. „Man fährt auf Sicht” ist eine der am häufigsten gehörten Strategien. Hierbei sind auch die im monatlichen Rhythmus regelmäßig nach unten korrigierten volkswirtschaftlichen Eckwerte 2009 der Forschungsinstitute als Entscheidungsgrundlage wenig hilfreich. Innerhalb von nur sechs Monaten haben die wichtigsten Institute und volkswirtschaftlichen Abteilungen namhafter Banken ihre Prognosewerte um ganze sechs Prozent nach unten korrigiert. Vor diesem Hintergrund überraschen die durchweg pessimistischen Geschäftserwartungen der heimischen Wirtschaft nicht. Jedes zweite Unternehmen rechnet damit, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten noch weiter abfallen könnte. Diese Einschätzung wird vor allem in der Industrie geteilt, mit Abstrichen jedoch auch beim Handel und im Dienstleistungssektor. Der Pessimismus in der Industrie gründet sich vor allem auf die Tatsache, dass sowohl vom Inlands- wie auch vom Exportgeschäft in den nächsten Monaten keine nachhaltigen Impulse zu erwarten sind. Andererseits zeigt der Auftragseingang in den Monaten März/April, dass das Tempo des Abschwungs abgenommen hat. Die schlechte Auftragslage ist zumindest nicht noch schlechter geworden. Dies lässt hoffen, dass die Talsohle des Abschwungs noch in diesem Jahr durchschritten werden könnte.
Mit Kurzarbeit die Fachkräfte halten
Bislang haben die Unternehmen auf den massiven Auftrags- und Produktionseinbruch mit dem Abbau von Überstunden, der Kündigung von Leiharbeitsverhältnissen und der Einführung von Kurzarbeit auf breiter Front reagiert. Aktuell arbeiten in der Region rund 650 Betriebe kurz; betroffen sind mehr als 20.000 Beschäftigte. Überwiegend handelt es sich um Industrieunternehmen. Auf der Basis der Umfragewerte kann man davon ausgehen, dass bald jeder zweite Industriebetrieb und jeder dritte Arbeitnehmer im produzierenden Bereich kurzarbeiten wird. Bislang nutzen zwölf Prozent der Industrieunternehmen die Kurzarbeit zu Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Beschäftigten. Ein weiteres Drittel der betroffenen Firmen trägt sich mit dem Gedanken, solche Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Ziel dieser Maßnahmen ist es, gestärkt aus der Krise herauszugehen und die dringend benötigten Fachkräfte über die schwierige Rezessionsphase hinweg im Unternehmen halten zu können. Unabhängig von diesen Bemühungen muss jedoch davon ausgegangen werden, dass sich die nach wie vor gute Beschäftigungssituation am Hochrhein und am Bodensee in den nächsten zwölf Monaten spürbar verschlechtern wird. Mit einem solchen Trend rechnen derzeit knapp 50 Prozent der befragten Unternehmen.