Recht und Steuern
Europäisches Mahnverfahren
Europäisches Mahnverfahren
Was ist das Europäische Mahnverfahren?
Das Europäische Mahnverfahren ist keine zwingende Vorgabe für Mahnverfahren in der EU. Vielmehr bietet es eine zusätzliche Möglichkeit, seine Forderungen gegen Schuldner in einem anderen EU-Mitgliedstaat (außer Dänemark) durchzusetzen. Daneben bleibt das herkömmliche grenzüberschreitende Mahnverfahren möglich. Der Gläubiger kann frei wählen, welchen Antrag er stellt. Rechtsgrundlage des Europäischen Mahnverfahrens ist die EG-Verordnung Nr. 1896/2006.
Bei welchem Gericht kann ich das Europäische Mahnverfahren starten?
Für das Europäische Mahnverfahren beantragt man keinen Mahnbescheid, sondern den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls. Dieser Antrag ist grundsätzlich in dem Mitgliedstaat einzureichen, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz beziehungsweise – bei Unternehmen – seinen Sitz hat. Daher muss man - wie beim grenzüberschreitenden Mahnverfahren - wiederum die „internationale Zuständigkeit” prüfen (siehe oben A. Frage 3). Lässt sich eine deutsche internationale Zuständigkeit bejahen (etwa durch eine Gerichtsstandvereinbarung oder über den Erfüllungsort) ist in Deutschland allein das Amtsgericht Wedding zuständig. Es fungiert als Europäisches Mahngericht für Deutschland.
Wo finde ich Formulare für das Europäische Mahnverfahren?
a) Alle notwendigen Formulare sind auf der Homepage des Europäischen Mahngerichts für Deutschland abrufbar; mit Informationen und Ausfüllhinweisen. In den Formularen kann man viele Angaben per „Schlüsselzeichen” eintragen. Das ermöglicht nicht nur eine automatische Erfassung bei Gericht, sondern vereinfacht die Übersetzung.
b) Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls unterscheidet sich noch in einigen weiteren Punkten vom Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids. So ist der der Forderung zugrunde liegende Sachverhalt anzugeben, gegebenenfalls auch näher zu erläutern. Ebenfalls sind Beweise zu nennen und die gerichtliche Zuständigkeit zu begründen. Dieses geschieht indes regelmäßig mit den vorgegebenen Codes.
c) In der Anlage 2 zum Antrag können Sie zudem erklären, dass das Verfahren im Fall eines Einspruchs nicht automatisch in ein Gerichtsverfahren übergeleitet werden soll. Ihrem Antragsgegner wird diese Angabe nicht mitgeteilt. Damit lassen sich möglicherweise unnötige Gerichtskosten vermeiden.
Wie läuft das Europäische Mahnverfahren ab?
Statt eines Mahnbescheids erlässt das Gericht einen Europäischen Zahlungsbefehl. Die Einspruchsfrist für den Schuldner beträgt 30 Tage ab Zustellung. Legt er Einspruch ein, findet ein normaler Zivilprozess statt. Geschieht dies nicht, wird der Europäische Zahlungsbefehl für vollstreckbar erklärt. Der vollstreckbare Zahlungsbefehl entspricht dem deutschen Vollstreckungsbescheid. Für die Zwangsvollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ist eine Umschreibung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht mehr erforderlich.
Welche Kosten kommen auf mich zu?
Die Kosten des Europäischen Mahnverfahrens liegen in einer ähnlichen Größenordnung wie die des grenzüberschreitenden Mahnverfahrens (siehe oben A Frage 6). Da wegen der weitgehend codierten Eingabe in den Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls Übersetzungen wesentlich einfacher sind, sind die Übersetzungskosten regelmäßig deutlich niedriger.
Was sind die Vor- und die Nachteile des Europäischen Mahnverfahrens?
Das Europäische Mahnverfahren läuft schneller ab als ein herkömmliches grenzüberschreitendes Verfahren. Dies liegt daran, dass es sozusagen in einem Rutsch abläuft. Statt zweier Schritte (Erlass eines Mahnbescheids und daran anschließend Erlass eines Vollstreckungsbescheids) kommt es mit einem Schritt aus: der Europäische Zahlungsbefehl ist ohne weitere Formalitäten in allen EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Dänemarks) vollstreckbar. Daher benötigt man auch nur eine Zustellung!
Nachteil des Europäischen Mahnverfahrens ist, dass der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls höhere formale Anforderungen als ein Mahnbescheid stellt: anzugeben sind nämlich der der Forderung zugrunde liegenden Sachverhalt und die Beweismittel.
Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen
Für geringfügige Forderungen (das heißt für Forderungen bis 5000 Euro) bietet sich in der EU (wiederum mit Ausnahme Dänemarks) als Alternative zum Mahnverfahren das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen an. Hierbei handelt es sich zwar um kein Mahnverfahren, aber um weitere Möglichkeit, seine Forderung grenzüberschreitend schnell durchzusetzen.
Informationen und Formblätter dazu sind abrufbar beim Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen.
Hinweise zum Brexit (Stand: März 2021)
Mit dem Ende der Übergangsfrist zum 31. Dezember 2020 gilt das Recht der Europäischen Union nicht mehr für das Vereinigte Königreich. Das betrifft auch das Europäische Mahnverfahren sowie das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen. Die Betreibung von Forderungen gegen Schuldner im Vereinigten Königreich ist somit - je nach Gerichtszuständigkeit – nur noch über das nationale deutsche Mahnverfahren oder über das nationale britische Mahnverfahren möglich.
Internationale Zuständigkeit
a) Die internationale Zuständigkeit britischer Gerichte kann sich zunächst einmal aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergeben. Mit einer Gerichtsstandsvereinbarung legen die Parteien für etwaige Streitigkeiten einen bestimmten Ort fest. Ist dieser z.B. London, folgt daraus die ausschließliche internationale Zuständigkeit britischer Gerichte. Eine solche Vereinbarung ist nach geltendem Recht wirksam. Das Vereinigte Königreich hat im September 2020 den Beitritt zum Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.06.2005 (HGÜ) erklärt, das die ausschließliche Zuständigkeit bei wirksamen Gerichtsstandsvereinbarungen in den Vertragsstaaten gewährleistet.
b) Wurde dagegen kein Gerichtsstand vereinbart, kann die Ermittlung der internationalen Zuständigkeit kompliziert werden. Mit Ende der Übergangsphase hat nämlich die bislang einschlägige EUGVVO ihre Rechtswirksamkeit im Vereinigten Königreich verloren. Die Gerichte ermitteln somit ihre eigene Zuständigkeit jeweils nach dem Recht an ihrem eigenen Gerichtsort („lex fori“): die Gerichte im Vereinigten Königreich aus Sicht britischen Rechts, die EuGVVO-Staaten aus deren Sicht.
Das Handelsabkommen TCA hat hier keine eindeutige Regelung getroffen.
Mahnverfahren nach nationalem britischem Recht
Sowohl das Europäische Mahnverfahren als auch das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen finden am dem 01. Januar 2021 vorbehaltlich einer Einigung keine Anwendung mehr, sodass bei internationaler Zuständigkeit britischer Gerichte für die Beibringung von Forderungen im Vereinigten Königreich auf nationales britisches Recht zurückgegriffen werden muss.
Dieses eröffnet Gläubigern einer Geldforderung die Möglichkeit, gegen im Vereinigten Königreich ansässigen Schuldner ein Versäumnisurteil (default judgement) zu erwirken. Gläubiger können so ihre Forderungen in einem zügigen und standardisierten Urteilsverfahren vor den Bezirksgerichten (County Courts) geltend machen.
Dieses eröffnet Gläubigern einer Geldforderung die Möglichkeit, gegen im Vereinigten Königreich ansässigen Schuldner ein Versäumnisurteil (default judgement) zu erwirken. Gläubiger können so ihre Forderungen in einem zügigen und standardisierten Urteilsverfahren vor den Bezirksgerichten (County Courts) geltend machen.
Der Antrag auf Erlass eines default judgments, der mittlerweile auch online eingereicht werden kann, ist jedoch nur statthaft bei Klagen auf einen bestimmten Geldbetrag (oder bei einer durch das Gericht zu bestimmenden Geldsumme) sowie bei Warenlieferungen, wenn dabei der Klageantrag dem Beklagten die Alternative der Zahlung des Lieferwertes lässt. Nicht zulässig sind Anträge auf Versäumnisurteile, wenn der Streitgegenstand den „Consumer Credit Act 1974“ (englisches Verbraucherkreditgesetz) betrifft.
Sobald das Bezirksgericht die Klage dem Schuldner zugestellt hat, hat dieser 14 Tage Zeit, mit einer Empfangsbestätigung (Acknowledgement of Service) zu antworten, um seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Tut er dies nicht, kann der Kläger beantragen, ein Versäumnisurteil zu erlassen. Andernfalls hat der Beklagte weitere 14 Tage, seine Klageerwiderung einzureichen. Unterlässt er dies, kann der Kläger wiederum ein Versäumnisurteil ersuchen.
Erwähnenswert ist, dass die überwiegende Mehrzahl der Mahnklagen vor britischen Gerichten nicht angefochten wird.
Bei komplexeren Rechtsfragen und einem Streitwert ab 15.000 Pfund steht zudem der Weg zum High Court offen. Dieser ist allerdings mit deutlich höheren Kosten verbunden und ohne fachanwaltliche Unterstützung nicht gangbar.
Abschließend empfiehlt es sich, bei Verträgen mit britischen Geschäftspartnern einen Gerichtsstand zu vereinbaren, da das Vereinigte Königreich aller Voraussicht nach dem Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen verbindlich beitreten wird. Wenngleich die Durchsetzung von Forderungen durch den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU komplizierter werden dürfte, wird sie auch in Zukunft möglich sein.
Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.
Stand Juli 2021
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