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Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführer/-innen

Für GmbH-Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer gibt es keine besonderen Regelungen zur Sozialversicherungspflicht. Das Gesetz trifft in § 7 Abs. 1 SGB IV lediglich eine allgemeine Aussage: „Beschäftigung ist die nichtselb­ständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsge­bers.“
Damit bleibt es vor allem der Rechtsprechung überlassen, Kriterien zur Einordnung zu definieren. Genau diese Kriterien haben sich in der letzten Zeit verschoben. Das Bundessozialgericht misst den im Gesellschaftsvertrag geregelten Mehrheiten eine größere Bedeu­tung bei als früher. Allen Betroffenen ist daher anzuraten, ihren Status regelmäßig zu überprüfen.

Selbständige oder nichtselbständige Arbeit

Ob eine Tätigkeit als selbständig oder nichtselbständig einzustufen ist, richtet sich nach dem Gesamt­bild der Arbeitsleistung. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist dabei die Betriebseingliederung (Rechts­macht im Unternehmen) beziehungsweise das Unternehmensrisiko.
Nichtselbständig und damit sozialversicherungspflichtig ist die Geschäftsführung häufig dann, wenn er so in den Betrieb eingegliedert und an Weisungen gebunden ist, dass er in seiner Arbeitsausfüh­rung hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort nicht mehr frei entscheiden kann. Gleiches gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer zwar seine Arbeitsausführung hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort frei gestalten kann, diese Freiheit jedoch jederzeit widerrufen werden kann.

Kapitalbeteiligung

Die Weisungsunabhängigkeit der Geschäftsführung lässt sich vor allem anhand der Kapitalbe­teiligung einschätzen. Dies ist das mit Abstand wichtigste Kriterium. Handelt es sich bei dem Ge­schäftsführer um eine Mehrheitsgesellschafterin bzw. einen Mehrheitsgesellschafter (Inhaber von mehr als 50% der Gesellschaftsanteile), der sich Weisungen faktisch selbst geben kann, so ist dieser regelmäßig nicht sozialversicherungs­pflichtig.
Unter Umständen kann auch schon eine geringere Kapitalbeteiligung ausreichen, nämlich dann, wenn der geschäftsführende die betreffende Person über eine im Gesellschaftsvertrag festgeschriebene Sperrmino­rität verfügt, die sich darauf erstreckt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern (so genannte „umfassende Sperrminorität“). Dies muss allerdings ausdrücklich geregelt werden, da ansonsten die gesetzlichen Mehrheitsverhältnisse gelten. Des Weiteren muss sich die Sperrminorität auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstrecken, eine Beschränkung ist hier schädlich.
Minderheitsgesellschafterinnen und -gesellschafter beziehungsweise Fremdgeschäftsführerinnen und -geschäftsführer werden also grundsätzlich auf­grund der angenommenen Weisungsgebundenheit der Gesellschafterversammlung als unselbständig eingestuft.
Als selbständig werden beherrschende Gesellschafterinnen und Gesellschafter auch dann angesehen, wenn sie nicht als Ge­schäftsführerin oder Geschäftsführer, sondern in einem anderen Rechtsverhältnis für die GmbH tätig sind (z.B. als einfache Arbeitnehmende). Hier steht die Person zwar formal in einem abhängigen Beschäftigungsverhält­nis oder muss jedenfalls Weisungen der Geschäftsführung entgegennehmen. Diese Abhängigkeit kann aber aufgrund der beherrschenden Stellung jederzeit beendet oder geändert werden.
Bei der Beurteilung der Feststellung der Versicherungspflicht von Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführern einer GmbH & Co KG gelten keine Besonderheiten, sondern die allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung der Versicherungspflicht. Die Kommanditistenstellung eines Fremdgeschäftsführung in einer Einheits-GmbH & Co KG räumt grundsätzlich keine für die Befreiung der Sozialversicherungspflicht nötige Rechtsmacht bezüglich der Komplementär-GmbH ein. Daran ändert sich auch nichts, wenn im schuldrechtlichen Geschäftsführungsvertrag jede Art von Weisungsunterworfenheit ausgeschlossen wird.
Eine andere Bewertung ist nur möglich, wenn die GmbH & Co. KG - und darüber mittelbar die Fremdgeschäftsführung-Kommanditist - als Gesellschafterin an der Komplementär-GmbH beteiligt ist oder abweichend der dispositiven gesetzlichen Regelung ein Weisungsrecht der Kommanditisten gegenüber der Komplementär-GmbH im Gesellschaftsvertrag der GmbH & Co. KG vereinbart wurde.

Fachkenntnisse und familiäre Beziehungen

Handelt eine Geschäftsführerin oder ein Geschäftsführer aufgrund einer engen familiären Beziehung oder aufgrund eines Übermaßes an Fachkenntnissen faktisch wie ein Alleininhaber, so reicht dies nach neuer Rechtsprechung noch nicht für eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht aus. Die bis­her als „Kopf und Seele“-Rechtsprechung bekannte liberalere Sichtweise hat das Bundessozialgericht verworfen.
Die Rechtsprechung geht bei ihrer Bewertung vielmehr von vertraglichen Verhältnissen aus. Werden die Verträge tatsächlich aber anders „gelebt“, ist dies nur dann erheblich, wenn eine formlose Abbedingung der betreffenden Vertragsklauseln auch möglich ist. Dies ist bei Befugnissen der Geschäftsführung nur schwer denkbar, weil diese sich aus dem Gesetz bezie­hungsweise dem Gesellschaftsvertrag ergeben und nicht einfach formlos abbedungen werden kön­nen. Deswegen ist dringend zu empfehlen, bereits bei der Abfassung des Gesellschaftsvertrags auf diesen Umstand Rücksicht zu nehmen. Eine „Schönwetter-Selbstständigkeit“ lediglich in guten Zeiten, während in schlechten die rechtlich bestehende Weisungsgebundenheit zum Tragen käme, wird vom Bundessozialgericht nicht anerkannt.

Stimmrechtsvereinbarungen / sonstige vertragliche Sonderrechte

Der Abschluss einer Stimmbindungsvereinbarung kann die erforderliche Rechtsmacht nicht vermitteln, da sie lediglich eine rechtsgeschäftliche und keine gesellschaftsvertragliche Befugnis vermittelt. Denn nach dem Gesellschaftsrecht dürfen Stimmrecht und Gesellschaftsanteil nicht getrennt werden. Eine Stimmrechtsvereinbarung ist daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts „sozialversi­cherungsrechtlich ohne Belang“. Eine solche Vereinbarung erhöht auch nicht das Unternehmerrisiko, da ein etwaiger Verlust weiterhin von der Gesellschafterin oder dem Gesellschafter zu tragen wäre.
Gleiches gilt für ein im Anstellungsvertrag vereinbartes Vetorecht gegen nicht ge­nehme Gesellschafterweisungen, denn auch dies vermittelt keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss auf Gesellschafterweisungen. Weiterhin kann es als Teil des Arbeitsvertrags auch gekündigt werden.

Treuhandverhältnisse

Ein weiterer Sonderfall sind Treuhandschaften. Hier überträgt eine Treugeberin bzw. ein Treugeber seiner Treuhänderin bzw. seinem Treuhänder ein Recht (z.B. eine Gesellschaftsbeteiligung) unter der Bedingung, dieses Recht in ihrem oder seinem Sinne aus­zuüben. Ein Treuhandvertrag ist jedoch wegen seiner schuldrechtlichen Wirkung (also nur zwischen den beiden Vertragspartnern) für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung nach Auffassung des Bundessozialgerichts und der Deutschen Rentenversicherung ohne Bedeutung. Insbesondere auch, weil ein solcher Vertrag nicht – wie der Gesellschaftsvertrag – im Handelsregister eingetragen wird.
Damit bleibt eine Alleingesellschafterin oder ein Alleingesellschafter, die bzw. der als Treuhänderin oder Treuhänder fungiert, nach dem Bundessozialgericht Inhaber aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Pflichten (insbesondere dem Stimmrecht) und sozialversicherungsfrei, da die Einwirkungsmacht der Treugeberin oder des Treugebers auf das Gesellschaftsgeschehen lediglich mittelbar ist. Auch im Hinblick auf die Registerklarheit kann also nur derjenige Person, die als solche in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist, im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaberin oder Inhaber eines Geschäftsanteils gelten.

Überprüfung der Sozialversicherungspflicht im Antragsverfahren

Um Rechts- und Planungssicherheit Geschäftsführer zu erlangen, kann vor, wäh­rend oder nach Beendigung der Beschäftigung bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversiche­rung Bund (DRV Bund) ein Anfrageverfahren durchgeführt werden (optionales Statusanfrageverfah­ren). Die darauffolgende Entscheidung ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Ein­zelfalls verbindlich. Ein Antragsverfahren kann auch von Amts wegen durch die Krankenkasse initiiert werden, wenn die Krankenkasse Kenntnis darüber erlangt, dass der Betroffene Gesellschafter-Ge­schäftsführer ist.

Indizien zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers

Für und gegen die Annahme einer Betriebseingliederung werden in der Rechtsprechung verschiedene Indizien aufgeführt. Ausschlaggebend ist dabei immer der Gesamteindruck im Einzelfall, wobei - wie bereits erwähnt - die Kapitalbeteiligung das wichtigste Kriterium ist.
Indizien für eine nichtselbständige Tätigkeit = Sozialversicherungspflicht:
  • Nicht am Kapital beteiligte Geschäftsführung (keine Gesellschafterstellung, sogenannte „Fremdgeschäftsführung“)
  • Die Beteiligung am Kapital der GmbH ist kleiner als 50 Prozent
  • Einbindung in die vom Betrieb vorgegebene Arbeitsorganisation
  • Vereinbartes Wettbewerbsverbot
  • Vereinbarung von Jahresurlaub
  • Vereinbarung einer Überstundenvergütung
  • Vereinbarung von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
  • Arbeitgeberzuschüsse im Krankheitsfall
  • Festes Jahresgehalt
  • Abschluss von Unfall- oder Lebensversicherungen zugunsten der Geschäftsführung
  • Kontroll- und Überwachungsrechte (auf die tatsächliche Ausübung der Kontrolle kommt es nicht an)
  • Selbstkontrahierungsverbot
  • Unterordnung unter eine andere Person oder eigene Zuständigkeitsbereiche bei mehreren Geschäftsführenden
Indizien für eine selbständige Tätigkeit = keine Sozialversicherungspflicht:
  • Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft von über 50 Prozent
  • Trotz geringer Beteiligung an der Gesellschaft gibt es eine umfassende Sperrminorität (d.h. sämtliche Gesellschafterbeschlüsse können verhindert werden)
  • Freie Einteilung der Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort
  • Erfolgsabhängiges Gehalt
  • Recht zur unmittelbaren und alleinigen Vertretung der Gesellschaft (nicht schon Handeln in Vollmacht)
  • Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot
  • Familiäre Rücksichtnahme/Nichtausübung von Weisungsrechten durch die zur Familie gehörenden Gesellschafter (im Gesellschaftsvertrag festgelegt)
  • Übernahme einer Bürgschaft
  • Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte
  • Einfluss auf die Betriebsorganisation

Exkurs: Rentenversicherungspflicht trotz Selbständigkeit

Selbst wenn eine Selbständigkeit nach den genannten Kriterien vorliegt, kann es in Sonderfällen den­noch zu einer Rentenversicherungspflicht kommen (andere Versicherungen sind hier nicht betroffen). Der Gesetzgeber hat bestimmte Selbständige als derart schutzbedürftig eingestuft, dass er sie als „arbeitnehmerähnlich“ der Versicherungspflicht unterworfen hat. Nach § 2 Nr. 9 SGB VI sind selbst­ständig Tätige rentenversicherungspflichtig, die
  • im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
  • auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (als Auftraggeber gelten die Auftraggeber der Gesellschaft).
Die wesentliche Tätigkeit für einen Auftraggeber wird angenommen, wenn 5/6 des jährlichen Umsat­zes über ihn generiert werden. Eine Ausnahme kann zum Beispiel für Projekte gelten, hier kann der Zeitraum auf drei Jahre erhöht werden. Die Anstellung schon eines Arbeitnehmers kann die Versicherungspflicht ausschließen, solange er kein „Mini-Jobber“ ist.
Eine Ausnahme von dieser Rentenversicherungspflicht besteht auf Antrag für Existenzgründende für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Auch selbständige Personen, die nach Vollendung des 58. Lebensjahres erstmalig versicherungspflichtig wären, können eine Befreiung beantragen.

Verpflichtendes Statusfestellungsverfahren bei Gesellschafter-Geschäftsführern und Gesellschafter-Geschäftsführerinnen

Ein Einzugsstellen (das sind die Krankenkassen) haben seit April 2022 gemäß § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV verpflichtend ein Statusfeststellungsverfahren einzuleiten, wenn es um Fälle von Gesellschafter-Geschäftsführern bzw. -Geschäftsführerinnen geht.
Verbunden mit dieser gesetzlichen Neuregelung haben die Spitzenverbände ein neues Rundschreiben veröffentlicht, in dem sie ihre Rechtsauffassung in verschiedenen Fallgruppen ausführlich darstellen. Betroffenen Personen ist daher zu raten, sich mit diesem Schreiben auseinanderzusetzen.
Auch in anderen Konstellationen bietet sich eine verbindliche Klärung des Status aller Betroffenen an, denn im Falle eines Fehlers sind die Nachforderungen samt Zinsen in aller Regel erheblich und existenzbedrohend.
Stand: April 2024