Recht

Miete und Corona: Urteile zu Geschäftsraummiete und Miete von Veranstaltungsräumen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat inzwischen einige Urteile zu Mietverträgen während Corona-Maßnahmen gefällt. Ein Teil der Urteile bezieht sich auf (dauerhafte) Miete von Gewerberäumen, ein Teil auf die Miete von Räumen für Veranstaltungen.

Miete von Gewerberäumen

Was ist, wenn ein Betrieb von Corona-Maßnahmen betroffen war: Musste weiter die volle Miete gezahlt werden?

Es kommt immer auf die Umstände des Einzelfalls an – zum Beispiel: Warum wurde der Betrieb stillgelegt? Freiwillige Maßnahme des Mieters zur Vermeidung von Ansteckung, aufgrund Auftragsrückgangs oder behördliche/gesetzliche Schließung?
Ausgangspunkt ist zunächst immer der jeweilige Mietvertrag: Was ist im Mietvertrag zu so einer oder einer ähnlichen Situation geregelt?
Der Bundesgerichtshof bestätigt in allen vier zu diesem Thema ergangenen Urteilen (12.01.2022, XII ZR 8/21, 16.02.22, XII ZR 17/21, 13.07.2022, XII ZR 75/21 und 23.11.2022; XII ZR 96/21, dass bei einer staatlichen Schließungsanordnung („Lockdown“) kein Fall der Unmöglichkeit und auch kein Mangel der Mietsache vorliegt.
Im Urteil vom 23. November 2022 stellt der BGH klar, dass auch die vertragliche Vereinbarung eines bestimmten Mietzwecks (als Friseur- und Kosmetiksalon und einer Boutique) nicht dazu führt, dass ein Mangel der Mietsache angenommen werden könne. Denn der Vermieter habe nur für rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, einzustehen.
Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich wie bei den Coronamaßnahmen aus betriebsbezogenen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, habe der Vermieter hingegen nur bei einer entsprechenden Vereinbarung einzustehen. Dafür reiche die (bloße) Vereinbarung eines bestimmten Nutzungszwecks nicht.
Im Umkehrschluss lässt sich daraus jedoch folgern, dass der BGH entsprechende Klauseln, wonach der Vermieter für betriebsbezogene Umstände einsteht und somit ein Mangel angenommen werden könnte, für möglich hält. Allerdings dürften sich hier weitergehende Fragen stellen, inwieweit solche Klauseln überhaupt wirksam formuliert werden können. Hier bleibt die künftige Rechtsprechung abzuwarten.
In allen vier Urteilen betont der BGH, dass grundsätzlich ein Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht komme.
Allerdings erteilt der BGH pauschalen Lösungen wie 50/50 eine Absage: Voraussetzung für eine Anpassung ist, dass dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist.
Für die Feststellung, ob das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf es laut BGH einer umfassenden und auf den Einzelfall bezogenen Abwägung:
  • Der Mieter muss darlegen und ggf. beweisen, welche Nachteile ihm durch die pandemiebedingten hoheitlichen Maßnahmen entstanden sind und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen.
  • Es geht dabei nur um solche pandemiebedingten hoheitlichen Maßnahmen, die den jeweiligen Betrieb konkret erfassen (BGH, Urteil vom 23. November 2022). Dazu zählt der BGH:
    - Anordnung von Betriebsschließungen
    - In Bezug zur Geschäftsfläche gesetzte Begrenzungen der Personenzahl
    - Beschränkung des Zugangs auf Personen mit einem bestimmten Impfstatus (2G/2G+), wenn keine Zugangsberechtigung für
    Jedermann mit Testnachweis besteht
    Für die Unzumutbarkeitsprüfung sind hingegen nicht relevant: Entwicklungen, die eine anderweitige Ursache haben und damit keine unmittelbare Folge der pandemiebedingten Einschränkungen darstellen. Hier nennt der BGH die allgemeine Kaufzurückhaltung der Kunden, auch wenn sie möglicherweise durch die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beeinflusst wurde.
  • Es ist nur auf das konkrete Mietobjekt abzustellen, nicht auf einen möglichen Konzern(umsatz).
  • Finanzielle Vorteile aus staatlichen Leistungen oder einer Betriebsschließungsversicherung sind zu berücksichtigen. Dabei bleiben jedoch bloße Darlehen außer Betracht.
  • Ebenso ist zu beachten, ob und in welcher Höhe der Mieter Aufwendungen erspart hat – beispielsweise bei den Personalkosten (z.B. durch Kurzarbeit) oder bei Einkaufskosten.
  • Somit ist eine Gesamtbetrachtung der finanziellen Situation des Mieters erforderlich.
  • Eine Existenzgefährdung des Mieters ist nicht erforderlich. Sollte sie allerdings gegeben sein und auf die Betriebsschließung oder -einschränkung zurückzuführen sein, müsse dies bei der Abwägung berücksichtigt werden.
  • Falls eine kurzfristige Kündigungsmöglichkeit besteht und es dem Mieter zumutbar ist, hiervon Gebrauch zu machen, kann dies einer Vertragsanpassung entgegenstehen. Im Regelfall sei dies jedoch wegen des Interesses des Mieters an der längerfristigen Weiterführung des Mietverhältnisses nicht der Fall.
  • Schließlich sind auch die Interessen des Vermieters zu berücksichtigen, zum Beispiel inwieweit der Vermieter wirtschaftlich auf die Miete angewiesen sei.

Urteil des OLG Frankfurt vom 18. Februar 2022 – mittelbare Betroffenheit

Das OLG Frankfurt (2 U 13/21) hatte entschieden, dass auch mittelbar von den staatlichen Maßnahmen Betroffene grundsätzlich einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrages aus den Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage herleiten können. Betroffen war vorliegend ein Reinigungsbetrieb, der zwar auf Grund der behördlichen Anordnungen nicht schließen musste, aber in der Folge von Verboten für Events sowie Kontaktbeschränkungen erhebliche Umsatzeinbußen erlitt.
Der BGH dürfte das nach seinen Ausführungen im Urteil vom 23. November 2022, dass die Maßnahmen den Betrieb konkret erfassen müssen, anders sehen.

Folgen von Mietvertragsverhandlungen in der Pandemie – Urteil des OLG Düsseldorf (vom 20. September 2022, 24 U 117/21)

Neben den Urteilen zur Mietanpassung während des (ersten) Lockdowns gibt es einen Beschluss des OLG Düsseldorf (vom 20.09.2022, 24 U 117/21) zu einer anderen Situation: Dort hatten die Mietvertragsparteien während der Pandemie Vereinbarungen zur Miethöhe getroffen – die Miete war deutlich reduziert worden. Später kam es dann wieder zu pandemiebedingten Einschränkungen und der Mieter verlangte eine Anpassung der Miethöhe wegen Störung der Geschäftsgrundlage. Das OLG Düsseldorf war jedoch der Ansicht, dass eine Anpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht mehr möglich sei. Denn im Zeitpunkt der Vereinbarungen über die Miethöhe hätten die Mietvertragsparteien voraussehen können, dass es im Pandemieverlauf erneut zu Einschränkungen kommen könnte. Die Parteien hätten also vertragliche (eine entsprechende Klausel) oder tatsächliche (eine Versicherung) Vorkehrungen treffen können, um dieses Risiko zu beherrschen.
Entsprechend würde das OLG Düsseldorf auch den Fall bewerten, dass ein Mietvertrag überhaupt erst während der Pandemie geschlossen wurde.

Miete von Räumen für Veranstaltungen

Es gibt zwei Urteile des BGH zur Miete von Räumen für Veranstaltungen (Hochzeitsfeiern). Der BGH bestätigt darin seine Rechtsprechung zur Miete von Gewerberäumen, dass weder Unmöglichkeit noch ein Mangel vorgelegen haben, sondern dass die Vorschrift über die Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden ist.
Im konkreten Fall (Urteil vom 2. März 2022 (02.03.2022, XII ZR 36/21) habe der Mieter der Räume jedoch kein Recht gehabt, sich vom Vertrag zu lösen bzw. die Mietzahlung zurückzuverlangen: Das Festhalten am Vertrag sei ihm nicht unzumutbar gewesen. Im Rahmen der Prüfung des § 313 BGB bedürfe es einer umfassenden Abwägung; in aller Regel sei der Vertrag nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten und nur in einer dem berechtigten Interesse beider Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen. Das Gericht müsse diejenige Rechtsfolge wählen, die den Parteien unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zumutbar sind und durch die eine interessengerechte Verteilung des verwirklichten Risikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt wird.
Dieser Anpassungsanspruch habe sich im vorliegenden Fall auf eine Verlegung der Hochzeitsfeier beschränkt. Eine Verlegung sei dem Mieter zumutbar gewesen, weil ohnehin zwischen standesamtlicher Trauung und dem geplanten Termin der Feier mehrere Monate gelegen hätten.
Das Urteil vom 11. Januar 2023 XII ZR 101/21 hebt hervor: Das Gericht muss diejenigen Rechtsfolgen wählen, die den Parteien unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zumutbar sind und durch die eine interessengerechte Verteilung des verwirklichten Risikos bei einem möglichst geringen Eingriff in die ursprüngliche Regelung hergestellt wird.
Eine völlige Beseitigung des Vertragsverhältnisses ist daher die Ausnahme; in aller Regel ist der Vertrag aufrechtzuerhalten. Es genügt auch nicht, dass ein Festhalten am Vereinbarten nur für eine Partei unzumutbar erscheint. Das Abgehen vom Vertrag muss vielmehr der anderen Vertragspartei auch zumutbar sein.
Im konkreten Fall wäre statt einer Vertragsauflösung eine Verlegung der Hochzeitsfeier in Betracht gekommen. Der BGH hielt es für möglich, dass den Eheleuten eine Verlegung zumutbar gewesen wäre. Sie hätten exakt zwei Jahre vor dem gebuchten Termin geheiratet. An dem geplanten Datum hätten sie wegen der Corona-Beschränkungen im ganzen Bundesland nicht feiern können, eine Feier hätte also unabhängig davon, wo sie gebucht war, verschoben werden müssen. Falls die Eheleute endgültig auf eine Hochzeitsfeier verzichten wollten und daher keinen Bedarf an Räumlichkeiten hätten, falle dies in ihren Risikobereich und könne daher keine Auswirkung auf die Vertragsanpassung haben.
Da der Sachverhalt vor einer endgültigen Entscheidung noch weiter aufgeklärt werden musste, hat der BGH das Verfahren an das Berufungsgericht zurück verwiesen.
Stand: April 2024